Zeitungen kommentieren das Weltgeschehen am Freitag

Foto: Adobe Stock/©elis Lasop
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«Stuttgarter Zeitung» zum Absturz der CDU

Man kann die CDU lieben oder verdammen.

Aber dass sich die Partei in einem Loch befindet, an dessen Vertiefung sie mit beachtlicher Hingabe weiter arbeitet, kann niemandem gleichgültig sein. Wenn eine Volkspartei - vielleicht die letzte, die diesen Namen verdient - auf offener Bühne derart kollabiert, wie es Wahlen und Umfragen gerade zeigen, kann das langfristige Auswirkungen auf das gesellschaftliche Klima haben.


«Duma»: EU hat Angst vor einer Imageniederlage duch Sputnik V

SOFIA: Zur Zulassung des russischen Corona-Impfstoff Sputnik V außerhalb Russlands schreibt am Freitag die sozialistische pro-russische Oppositionszeitung «Duma» in Bulgarien:

«Dar Fall mit Sputnik V verließ seit langem das Feld der rationalen Erklärung und der normalen Reaktion, weil es der der Logik des neuen Kalten Krieges untergestellt ist. (...) Die gesamteuropäischen (EU-) Organe handeln nach politischer Zweckmäßigkeit, in strengem Einklang mit den «euroatlantischen Werten» - welche auch immer. Gleichzeitig gehen die nationalen Regierungen in ihren Handlungen von der Fürsorge für die eigenen Völker aus - soweit und wie sie es können. Die Kollision ist zu einem gewissen Zeitpunkt unvermeidbar - und sie kommt nun vor unseren Augen. Verständlich ist die Angst vor einer Image-Niederlage der EU, und konkreter des Westens, im Fall mit den Impfungen, die aus Ländern kommen, die als Gegnerstaaten gelten.»


«Diena»: US-Kritik an Nord Stream 2 zielt auf Berlin - nicht Moskau

RIGA: Zum Streit um die Gaspipeline Nord Stream 2 meint die lettische liberale Tageszeitung «Diena» am Freitag:

«Der Kampf der USA gegen den Nord Stream 2 scheint nicht so sehr ein Kampf gegen Russland und seinen Einfluss zu sein, wie öffentlich behauptet wird, sondern ein Kampf gegen die Interessen und Zukunftspläne Deutschlands und seiner Verbündeten in Europa. (...) Eine billige und garantierte Versorgung mit russischem Gas ist für die Wettbewerbsfähigkeit mehrerer deutscher Industrien von entscheidender Bedeutung. Überdies spielt sie eine Schlüsselrolle in den Plänen Deutschlands, der sogenannte Gas-Hub eines vereinten Europas zu werden. Dies erhöht die Fähigkeit Berlins, die politischen Entscheidungen einer Reihe von europäischen Ländern zu beeinflussen.»


«La Repubblica»: Suez-Katastrophe zeigt Risiken der Globalisierung

ROM: Zur Blockade des Suezkanals durch ein querstehendes Containerschiff schreibt die italienische Zeitung «La Repubblica» aus Rom am Freitag:

«Es mag anachronistisch erscheinen, dass im Zeitalter der Globalisierung und der Digitalisierung, beides Begriffe aus dem Konzept der Modernisierung, der Welthandel in einem Kanal blockiert wird, was die Preise in die Höhe treiben kann, vom Rohöl bis zum Gemüse, was die Börsen durcheinander bringen kann und Reedereien zum Kippen bringt. Wenn man sich jedoch die Statistiken etwas genauer ansieht, ist es weniger schwierig zu verstehen, warum dieses apokalyptische Szenario nicht so anachronistisch ist. Jeden Monat passieren 1550 Schiffe den Suezkanal, durchschnittlich 50 pro Tag. (...) Diese Passage verkürzt die Fahrt von Asien nach Europa um zehn Tage. (...) Die Suez-Katastrophe könnte eine durch die Pandemie verursachte Verlangsamung des Welthandels noch mal deutlich verstärken, die dazu geführt hat, dass der Schiffstransport mit Containern, den Arbeitspferden der Globalisierung, durcheinander geraten ist. (...) Der große «gestrandete Wal», der den Suezkanal blockiert, ist somit zum deutlichen Zeichen dafür geworden, wie zerbrechlich der globalisiert agierende Planet sein kann.»


«Jyllands-Posten»: Deutschlands Mutti hat ihre Kinder vergessen

AARHUS: Die rechtsliberale dänische Tageszeitung «Jyllands-Posten» (Aarhus) kommentiert am Freitag die Rücknahme der Osterruhe-Regelung durch Bundeskanzlerin Angela Merkel:

«Der unschöne Kurs vor Ostern unterstreicht den Eindruck einer Kanzlerin, die sich fast schlafwandlerisch auf ihren Ruhestand zubewegt. Angela Merkel wirkt ausgemergelt, müde und erschöpft und bekommt nun die Folgen ihres Stils zu spüren, der für ihre Zeit auf dem politischen Thron charakteristisch war. Niemand durfte sich ihr nähern, Herausforderer wurden aus dem Weg geräumt, wenn sie sich nicht hastig selbst zurückzogen. Deutschlands aller Mutti hat es versäumt, an ihre eigenen Kinder in der CDU/CSU zu denken. Sie hat ihnen nicht die Freiheit gegeben, stark genug zu werden, um das Erbe des politischen Imperiums zu übernehmen.»


«Le Monde»: Fehltritte von Astrazeneca behindern Europa

PARIS: Zum Streit der Brüsseler EU-Kommission und dem britisch-schwedischen Pharmaunternehmen Astrazeneca um Impfstoffexporte schreibt die französische Tageszeitung «Le Monde» am Freitag:

«Die Verzweiflung der EU-Verantwortlichen ist nachvollziehbar. Das Krisenmanagement von Astrazeneca ist verworren, undurchsichtig und bei Weitem nicht mustergültig. Gewiss fehlte es Europa bei der Bestellung der Impfstoffe im Jahr 2020 an Weitblick und Geschicklichkeit. Aber die Fehltritte dieses Pharmaunternehmens haben es (Europa) während des Aufkommens der dritten Virus-Welle schwer behindert. Es wäre allerdings weise, wenn die europäischen Führungspersönlichkeiten nicht der Versuchung eines Impf-Protektionismus verfallen würden. (...) Ein Europa, das beschützt: Ja. Ein Europa, das blockiert: Nein.»


«Nesawissimaja Gaseta»: Sorge um Nawalny kann neue Proteste anfachen

MOSKAU: Nach Berichten über den stark verschlechterten Gesundheitszustand des inhaftierten Kremlkritikers Alexej Nawalny schreibt die Moskauer Tageszeitung «Nesawissimaja Gaseta» am Freitag:

«Am Donnerstag erhielten Nawalnys Anwälte schließlich die Erlaubnis, ihren Mandanten zu treffen. Ihrer Aussage zufolge geht es ihm schlecht: Sein Bein ist praktisch lahm und er hat starke Rückenschmerzen. Nawalnys Anhänger erklären, dass er zuvor nicht erlaubt habe, diese Information zu veröffentlichen - aus Sorge, dass das als Versuch interpretiert werden würde, Mitleid zu erregen. Nun aber - darauf bestehen die Anwälte - gehe es zu weit. (...)

Allem Anschein nach ist Präsident (Wladimir Putin) die Zielscheibe des bevorstehenden Protests, für das sich derzeit im Internet Interessierte aus dem ganzen Land zusammenfinden. Auf einer entsprechenden Seite gab es am Abend des 25. März schon mehr als 250.000 Registrierungen. Es ist klar, dass Nawalnys Gesundheit zum wiederholten Mal zum Treiber einer politischen Kampagne wird. Eine Rolle spielt hier offensichtlich ein objektives menschliches Gefühl: das Mitleid mit Kranken.»


«Nepszava»: Unter der Oberfläche droht die Kirchenspaltung

BUDAPEST: Zum umstrittenen Festhalten des Vatikans am Segnungsverbot für homosexuelle Paare schreibt die Budapester Tageszeitung «Nepszava» am Freitag:

«Deutsche und österreichische Oberhirten brachten ihr Unverständnis gegenüber dem (diesbezüglichen) Dokument des Vatikans zum Ausdruck. (...) Hinter der Erklärung der Glaubenskongregration stehen nicht Fragen der kirchlichen Dogmatik. Die Gründe sind vielmehr kirchenpolitischer Natur. Die Zukunft der katholischen Kirche sieht man in Europa, Lateinamerika oder Afrika dermaßen unterschiedlich, als ob es sich nicht um dieselbe Kirche handelte. Während der Papst durch zahllose Gesten zu verstehen gab, dass er ein Mann der Ökumene ist, war die katholische Kirche dem Schisma, das heißt der Kirchenspaltung, noch nie so nahe wie jetzt. Franziskus will es vermeiden, aber wegen der unterschiedlichen Entwicklung der einzelnen Weltregionen wird das immer schwieriger.»


«Guardian»: Gräueltaten in Tigray waren längst bekannt

LONDON: Die britische Zeitung «The Guardian» kommentiert am Freitag den militärischen Konflikt in der äthiopischen Nordregion Tigray:

«Nach monatelangen Dementis hat Äthiopiens Ministerpräsident Abiy Ahmed endlich zugegeben, was jeder über den Konflikt in der Region Tigray wusste: Eritreische Truppen sind an der Seite des föderalen äthiopischen Militärs im Einsatz, und es wurde von Gräueltaten berichtet. Krieg sei «eine schlimme Sache», fügte er hinzu - eine Bemerkung, die kaum dem ganzen Ausmaß des schrecklichen menschlichen Leids entspricht. Tausende sind seit Beginn der Kämpfe im November umgekommen, viele von ihnen Zivilisten. (...)

Die wachsende internationale Aufmerksamkeit für Tigray, einschließlich der Entscheidung von US-Präsident Joe Biden, seinen engen Vertrauten Senator Chris Coons diese Woche nach Addis Abeba zu schicken, veranlasste Abiy Ahmed wahrscheinlich zu der Entscheidung, die Anwesenheit eritreischer Truppen zuzugeben und zu erklären, dass Soldaten zur Rechenschaft gezogen werden, wenn sie Verbrechen begehen. Aber damit wurde weder die Rolle Eritreas noch die Kultur der Straflosigkeit für Kämpfer beendet.»


«Lidove noviny»: Wer verantwortungsvoll wirtschaftet, wird bestraft

PRAG: Zum Streit über die Impfstoffverteilung in der EU schreibt die konservative Zeitung «Lidove noviny» aus Tschechien am Freitag:

«Es gibt nicht genug Impfstoff - und das wird noch einige Zeit so bleiben. Wo sind Fehler gemacht worden? Mit dem Finger wird auf zwei mögliche Verantwortliche gezeigt: zum einen auf die Europäische Union, die nicht genug Impfstoff bestellt habe, zum anderen auf die tschechische Regierung, die im Rahmen der EU nicht so viel wie möglich bestellt habe. Die Schuldigen scheinen gefunden. Doch haben sowohl alle EU-Staaten zusammen als auch Tschechien allein mehr Impfstoff bestellt, als sie Einwohner haben.

Und warum kommen Israel, Großbritannien und die USA eher an die Reihe? Die Antwort liegt im Preis. Sowohl Europa als auch die tschechische Regierung haben sich als verantwortungsvolle Haushälter verhalten. Politiker und Beamte hatten befürchtet, dass teure und überzogene Bestellungen für Verschwendung gehalten würden. Dass diese Verschwendung Menschenleben retten und enorme wirtschaftliche Schäden verhindern könnte, hat wohl niemand bedacht. Am Ende rächt sich das für uns.»


«De Telegraaf»: Biden hat gegenüber Nordkorea nur begrenzte Optionen

AMSTERDAM: Zum Verhältnis der USA zu Nordkorea heißt es am Freitag in der niederländischen Zeitung «De Telegraaf»:

«US-Präsident Joe Biden scheint nur über begrenzte Optionen zu verfügen. Die Vergangenheit hat gezeigt, dass weder Drohungen noch Schmeicheleien bei (dem nordkoreanischen Machthaber) Kim Jong Un funktionieren. Es wird erneut versucht werden, China für einen Plan zur Zügelung Kims ins Boot zu holen. Für das kleine sozialistische Utopia ist Peking lebenswichtig. Aber Biden hat gerade begonnen, China herauszufordern.

Dass niemand weiß, wie stark das Coronavirus in Nordkorea zugeschlagen hat, ist ein weiteres Problem. Es scheint, dass das Land weiter verarmt. Möglicherweise könnte Kim im Gegenzug für wirtschaftliche Unterstützung kleine Schritte in Richtung Rüstungskontrolle unternehmen. Aber sicher ist auch das nicht.»


«El Periodico»: Kataloniens Separatisten vor Abstimmung uneinig

BARCELONA: Die in Barcelona erscheinende spanische Zeitung «El Periodico» kommentiert am Freitag vor der ersten Abstimmung über einen neuen Regionaregierungschef den Stand der Regierungsbildung:

«Es ist seltsam, dass es sechs Wochen nach der Parlamentswahl vom 14. Februar immer noch keinen Kontakt zwischen den beiden Parteien mit den meisten Stimmen gab, der sozialistischen (in Madrid regierenden) PSC und der links-republikanischen (separatistischen) ERC. Glaubt die Unabhängigkeitsbewegung, sie könne effektiv regieren, wenn sie die (gegen eine Abspaltung gerichteten) Parteien, die 49 Prozent der Stimmen erhielten, ausschließt?

Die Separatisten sind vor der Wahl eines Regionalregierungschefs uneinig. Kandidat ist Pere Aragonès von der ERC, dessen Partei die meisten Sitze und auch die Zustimmung der kleineren CUP-Partei hat. Aber er braucht auch die (separatistische, liberal-konservative) JxCat, die vorerst nicht für ihn stimmen will.

JxCat fordert, dass der rechtlich gar nicht existierende «Rat für die Republik» für die Unabhängigkeit zuständig sein soll. Faktisch hätte dann (der nach Belgien geflohene frühere Regionalregierungschef Carles) Puigdemont, der Chef dieses Rates ist, im Dialog mit Madrid das letzte Wort. Und Aragonès würde nur die zweite Geige spielen.»


«Tages-Anzeiger»: Washington reagiert gelassen auf Raketentests

ZÜRICH: Zu der US-Reaktion auf die jüngsten Raketentests Nordkoreas heißt es am Freitag im Zürcher «Tages-Anzeiger»:

«Washington reagierte gelassen: Solche Tests seien nicht verboten. Alles normal. Wirklich? Die Amerikaner haben Recht: Reflexhafte Empörung bringt nichts. Man muss sich die Aufregung aufheben für den Tag, an dem die Parteidiktatur ihre atomwaffenfähigen Langstreckenraketen testet. Derzeit geht es in Nordkorea um etwas anderes. Denn auch wenn die Staatspropaganda so tut, als habe man alles im Griff - die Wahrheit sieht wahrscheinlich anders aus. Wie genau, das ist schwer zu sagen. Die radikale Abschottung wegen der Pandemie hat Hilfsorganisationen und Diplomaten vertrieben. Aber man muss befürchten, dass es vielen Menschen schlecht geht. Es kommt keine Hilfe ins Land. Wegen Naturkatastrophen gab es 2020 Ernteausfälle. Die UNO-Sanktionen schmerzen.

US-Präsident Joe Biden tüftelt noch an seiner Nordkorea-Politik, aber sein Team hat klargemacht, dass es in Nordkorea nicht nur ein Sicherheitsproblem lösen will. Sondern auch ein Menschenrechtsproblem. Auch damit haben die Amerikaner recht. Man muss nicht ständig Angst haben vor Nordkorea. Man muss sich Sorgen machen um die Menschen dort.»


«Wall Street Journal»: Bidens neues Impfziel ist ein leichter Wurf

NEW YORK: Bei seiner ersten formellen Pressekonferenz im Weißen Haus hat US-Präsident Joe Biden sein Ziel für die Corona-Impfkampagne im Land verdoppelt. Dazu schreibt das «Wall Street Journal» am Freitag:

«Ein Fazit ist, dass Biden Donald Trump in nichts nachsteht, wenn es darum geht, sich (etwas Unvermeidliches wie) den Sonnenaufgang im Osten als Verdienst anrechnen zu lassen. Der Präsident brüstete sich damit, 100 Millionen Covid-Impfungen nach 58 Tagen erreicht zu haben, statt seines angekündigten Ziels von 100 Tagen. Jeder, der die Entwicklung verfolgt hat, wusste, dass die Produktion und die Verteilung bereits auf Kurs waren, um dieses Ziel zu erreichen, selbst als Trump noch Präsident war. Am Donnerstag setzte Biden ein neues Ziel von 200 Millionen Dosen innerhalb von 100 Tagen, was ein leichter Wurf sein sollte.»

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