Zeitungen kommentieren das Weltgeschehen am Freitag

Foto: Adobe Stock/©elis Lasop
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«Berliner Morgenpost» zu Ausgangssperren

Jeden Tag sterben Hunderte Menschen an Covid-19.

Immer mehr Landkreise reagieren darauf mit nächtlichen Ausgangssperren. Ein radikaler Entzug von Freiheit. Die Symbolkraft ist stark. Doch die Wirksamkeit darf bezweifelt werden. Die Politik möchte verhindern, dass sich Menschen abends in privatem Rahmen treffen. Trotzdem wirken die Ausgangssperren wie ein verzweifeltes Nachjustieren der bestehenden Maßnahmen. Wenn wir Tote verhindern wollen, brauchen wir keine Ausgangssperre. Sondern wir müssen alle unser Verhalten verändern. Jeder, wie er kann. Aber jeder. Psychologisch ist es leichter zu ertragen, sich selbstbestimmt einzuschränken, als sich die Freiheit von der Politik nehmen zu lassen.


«Stuttgarter Zeitung» zum US-Truppenabzug

Die Pläne sind noch kein Gesetz.

Es ist aber offenkundig, dass sich eine erstklassige Gelegenheit auftut, die Beziehungen zwischen Europa und den USA auf eine neue Basis zu stellen. Dabei wäre es fatal, wenn sich die Europäer darauf verließen, dass der neue Mann im Weißen Haus schon irgendwie reparieren wird, was sein Vorgänger zertrümmert hat. Es ist auch an den Europäern, mit politischen Initiativen das Interesse der USA am Alten Kontinent wachzuhalten. Dabei sollte es um Klimaschutz und Handel gehen. Und um Verteidigung - selbst auf die Gefahr hin, dass man das in Deutschland im Wahljahr 2021 nicht gern hören will.


«Trud»: Corona-Konjunkturhilfen-Deal wird es geben

SOFIA: Zum EU-Haushaltsstreit und der Blockade der milliardenschweren Corona-Konjunkturhilfen durch Ungarn und Polen schreibt am Freitag die bulgarische Zeitung «Trud»:

«Die Logik der vorherigen problematischen Fragen in der EU zeigt, dass der Deal (Corona-Konjunkturhilfen) gebilligt werden wird. (...) Polen und Ungarn sind ja Haupt-Nutznießer der europäischen Förderung. Ihr Veto stoppt einen wichtigen Schritt bei der Integration, die ihnen beträchtliche Hilfen gewährleistet. Es wird erwartet, dass in der zweiten Hälfte von 2021 die Staaten durch Teilbeträge vom Fonds in Höhe von bis zu zehn Prozent aller Hilfen unterstützt werden, falls das EU-Parlament und die Staaten den Haushalt bis Frühjahrsbeginn 2021 billigen.»


«La Repubblica»: Kompetenzen der autonomen Regionen in Italien klären

ROM: Angesichts der teils eigenständigen Vorgehensweise der autonomen Regionen in Italien während der Corona-Pandemie schreibt die italienische Zeitung «La Repubblica» aus Rom am Freitag:

«Die einzige rationale Lösung besteht darin, (...) die bestehenden Institutionen und die gegebenenfalls neu geschaffenen mit einem vorrangigen Ziel zu stärken: die Koordination auf territorialer Ebene so umfassend wie möglich zu festigen. Wenn wir uns den Fall hierzulande ansehen, braucht es ohne jeden Zweifel auch eine Klärung, welche Zuständigkeiten die Zentralregierung und welche die autonomen Regionen haben, um dieses Ziel zu verfolgen.

Die Geschichte lehrt, dass autonome Gebiete im Falle einer Pandemie dazu tendieren, kontraproduktiv zu sein, weil sie Verwirrung und gegenseitigen Verdacht schaffen und damit die Handlung aller zur Linderung der Krise beeinträchtigen. Dies bedeutet nicht, dass andere Aspekte der Autonomie (auch im Bereich Gesundheit) falsch wären, aber es ist sicherlich ein Punkt, über den man nachdenken muss - auch weil dieser globale Gesundheitsnotfall (...) sicherlich nicht der letzte sein wird.»


«Lidove noviny»: Giscard prägte deutsch-französisches Tandem

PRAG: Zum Tod des früheren französischen Präsidenten Valéry Giscard d'Estaing schreibt die konservative Zeitung «Lidove noviny» aus Tschechien am Freitag:

«Wenn man in der Europäischen Union ein Problem lösen will, kommt die Sprache auf das deutsch-französische Tandem. Es ist die Lokomotive oder der Motor der EU, so ein verbreitetes Klischee. Doch jedes Klischee hat seine Ursprünge. Man muss nur ein halbes Jahrhundert zurückgehen und in die Atmosphäre eintauchen, die der nun verstorbene Valéry Giscard d'Estaing mitgeprägt hatte. Giscard stützte sich auf das sozialliberale Milieu und die Zusammenarbeit mit dem damaligen Bundeskanzler Helmut Schmidt. Giscards europäischen Weg kann man auch anhand seiner Beziehung zu Großbritannien illustrieren. Gerade Giscard gehörte zu denjenigen Franzosen, welche die Briten in der Gemeinschaft sehen wollten. Doch dann trug er selbst dazu bei, dass die EU eine Gestalt annahm, welche die Briten wieder abstieß.»


«El País»: EU darf sich nicht von Ungarn und Polen erpressen lassen

MADRID: Zum EU-Haushaltsstreit und der Blockade der milliardenschweren Corona-Konjunkturhilfen durch Ungarn und Polen schreibt die spanische Zeitung «El País» am Freitag:

«Die restlichen Partner haben Budapest und Warschau aufgefordert, ihre angeblichen Zweifel bei den EU-Rechtsdiensten vorzubringen oder aber den Europäischen Gerichtshof anzurufen. Aber beide haben auf diese Möglichkeiten verzichtet, weil sie sich natürlich darüber im Klaren sind, dass sie mit ihrem Anliegen kaum durchkommen würden.

Deshalb blockieren sie weiterhin Beschlüsse, auf die heute mehr denn je Hunderte Millionen Bürger und Unternehmen - von Landwirten bis zu Erasmus-Studenten und Forschern, vom Gesundheitswesen bis zu den Sektoren der Technologie und der Umwelt - sehnsüchtig warten. Die europäischen Staats- und Regierungschefs dürfen nicht zulassen, dass Erpresser die Erwartungen so vieler enttäuschen.»


«L'Alsace»: Valéry Giscard d'Estaing hinterlässt bedeutende Spuren

Mülhausen (dpa)- Über den gestorbenen französischen Ex-Präsidenten Valéry Giscard d'Estaing schreibt die ostfranzösische Regionalzeitung «l'Alsace» am Freitag:

«Mit dem Tod von Valéry Giscard d'Estaing (in Frankreich oft nur VGE genannt) endet ein Kapitel, das sechzig Jahre französische Politikgeschichte umfasst. (...) Er hinterlässt bedeutende und bleibende Spuren. In vielerlei Hinsicht war sein Handeln entscheidend für das Leben der Franzosen: Die Senkung der Volljährigkeit auf 18 Jahre, die Legalisierung von Abtreibung, die einvernehmliche Scheidung oder die Förderung des Status der Frau sind fast revolutionäre Maßnahmen für einen Mann aus so gutem Hause. (...)

Die Gemeinsamkeiten zwischen Valéry Giscard d'Estaing und Emmanuel Macron wurden oft betont. Für VGE nahm die Geschichte kein gutes Ende: Nachdem er das moderne Frankreich verkörperte, blieb das Bild eines Mannes, der vier Jahrzehnte lang seiner verlorenen Größe hinterherlief. Ohne das Land jemals wirklich zu verstehen. Eine Realität, über die sowohl der aktuelle Präsident als auch seine Nachfolger nachdenken müssen.»


«Aftonbladet»: Der Kampf in Hongkong ist noch nicht vorbei

STOCKHOLM: Die sozialdemokratische schwedische Tageszeitung «Aftonbladet» (Stockholm) kommentiert am Freitag die Verurteilung des Aktivisten Joshua Wong in Hongkong:

«Aber dies ist nicht das erste Mal, dass er eine Strafe verbüßt, vielleicht auch nicht das letzte Mal. Denn dies reicht nicht aus, um das Feuer, das sich in Hongkongs Bevölkerung ausgebreitet hat, zu löschen. Wie Wong nach seiner Verurteilung durch seinen Anwalt mitteilen ließ: Der Kampf ist noch nicht vorbei. Das darf er auch nicht für die Außenwelt sein. Als das neue Gesetz verabschiedet wurde, wurde es unter anderem vom Europäischen Parlament verurteilt. Dabei darf es nicht bleiben. Die EU hat die Verantwortung, mehr zu tun, als nur gegen einen Staat zu protestieren, der systematisch die Menschenrechte seiner Bürger verletzt.»


«The Guardian»: Abgründe des Machtmissbrauchs

LONDON: US-Präsident Donald Trump soll erwägen, seine Familie vorbeugend zu begnadigen. Dazu meint der Londoner «Guardian» am Freitag:

«Gelegentlich hat er wohl darüber nachgedacht, ob er sich selbst begnadigen könnte. Das wäre etwas, was noch kein Präsident getan hat und was Juristen für verfassungswidrig halten. Weithin berichtet wird aber, dass er ins Auge fasst, neben seinen Kindern Donald Jr., Eric und Ivanka sowie Schwiegersohn Jared Kushner auch seinen Anwalt Rudolph Giuliani präventiv zu begnadigen. Das US-Justizministerium hat in dieser Woche bestätigt, dass es wegen eines angeblichen Plans der «Bestechung zur Begnadigung» im Weißen Haus ermittelt. Mit jeder einzelnen dieser Aktionen, erst recht mit allen zusammen, würden sich neue Abgründe des vierjährigen Machtmissbrauchs während dieser Präsidentschaft auftun.»


«de Volkskrant»: Iranisches Parlament erhöht Druck auf Biden

AMSTERDAM: Hardliner im iranischen Parlament haben ein Gesetz zur Anreicherung von Uran durchgedrückt. Dazu schreibt die Amsterdamer Zeitung «de Volkskrant» am Freitag:

«Europäische Staaten müssen dem iranischen Parlament zufolge dafür sorgen, dass der Iran wieder Erdöl verkaufen darf. Die USA hatten den Ölexport und den Finanzsektor 2018 mit harten Sanktionen belegt. Zugleich wird mit dem Gesetz der Druck auf den gewählten US-Präsidenten Joe Biden erhöht, den Atomdeal mit dem Iran gleich nach seinem Amtsantritt zu retten. Biden hatte erklärt, den Ausstieg der USA aus dem Abkommen rückgängig machen zu wollen. (...) Sollte der Iran tatsächlich dazu übergehen, auf 20 Prozent angereichertes Uran herzustellen, dürften international - vor allem in den USA und Israel - die Alarmglocken läuten. Für Teheran würde es dann nämlich einfacher werden, den Anreicherungsgrad so weit zu erhöhen, dass er zur Herstellung einer Atomwaffe ausreicht.»


«Tages-Anzeiger: Kurz untergräbt gesellschaftlichen Zusammenhalt

ZÜRICH: Laut Österreichs Bundeskanzler Sebastian Kurz seien Menschen mit Migrationshintergrund verantwortlich für die hohen Infektionszahlen. Dazu schreibt der Zürcher «Tages-Anzeiger» am Freitag:

«Man kann für Sebastian Kurz nur hoffen, dass die meisten «Personen mit Wurzeln am Balkan und der Türkei» nicht zugehört haben. Seit Beginn der Pandemie sind sie es, die raus müssen in die Supermärkte und Großküchen. Sie sind es, die unterbezahlt und überarbeitet Krankenhäuser putzen und Infizierte pflegen. Viele haben sich genau deswegen angesteckt, nicht wegen Verwandtenbesuchen im Sommer.

Nein, diese Menschen brauchen kein Mitleid, aber sie verdienen Respekt. Sebastian Kurz verhöhnt sie öffentlich, um von seinem eigenen Versagen abzulenken. Das ist feige und betrifft nicht nur die, die er zu Sündenböcken macht. Er zersetzt damit den gesellschaftlichen Zusammenhalt, der während der Pandemie so wichtig wäre.»


«Iswestija»: Entscheidung der Opec+ ist ein Kompromiss

MOSKAU: Das Ölkartell Opec und seine zehn Kooperationspartner haben sich auf die Fördermenge für das kommende Jahr geeinigt. Dazu schreibt die russische Tageszeitung «Iswestija» am Freitag:

«Die Entscheidung der Opec und seiner Kooperationspartner (Opec+), die Ölproduktion ab Anfang 2021 monatlich um 500.000 Barrel (pro Tag) zu erhöhen, wird die Ölpreise stabilisieren. Kurzfristig dürften sie allerdings sinken. Einerseits gibt es bei der Preisentwicklung auf den Weltmärkten einen gewissen Optimismus wegen der Entwicklung von Impfstoffen gegen das Coronavirus. Andererseits ist es immer noch schwer vorherzusagen, wie sich die weltweite Nachfrage entwickeln wird. In diesem Zusammenhang ist die Entscheidung der Opec eine Art Kompromiss, weil die noch geltende strenge Anordnung, die Produktion zu kürzen, für viele Mitgliedsländer nicht vorteilhaft war.»


«NZZ»: Schweden muss in Corona-Pandemie umdenken

ZÜRICH: Die «Neue Zürcher Zeitung» kommentiert am Freitag den Umgang Schwedens mit der Corona-Pandemie:

«Das schwedische Modell hat nicht so funktioniert, wie es ihm zugedacht war. Das zeigt sich einerseits daran, dass Schweden nun de facto in einer ähnlichen Art Lockdown wie viele andere Länder ist, auch wenn das Wort offiziell niemandem über die Lippen kommt. Dabei hätte die ursprüngliche Strategie mäßiger, freiwilliger und langfristig durchsetzbarer Massnahmen bewirken sollen, dass nicht später schärfere Restriktionen verhängt werden müssen. Andrerseits scheint auf Seite der Regierung inzwischen Nervosität aufgekommen zu sein. Hatte sie im Frühling noch ihr ganzes Vertrauen in das «Team Tegnell» (Schwedens Staatsepidemiologe) gesetzt und der Fachbehörde die Führung fast vollständig überlassen, nimmt sie jetzt auffällig oft selber das Heft in die Hand.(...)

Was Regierung und Gesundheitsbehörde jedoch nach wie vor verbindet, ist die Absenz jeglicher Selbstkritik. Die Standardantwort der Gesundheitsbehörde auf die Frage nach dem Erfolg des schwedischen Modells etwa im Vergleich mit den nordischen Nachbarn - die alle deutlich besser durch die Krise kommen - lautet, dass es für solche Bilanzen noch zu früh sei.»


«Washington Post»: Endlich aus den Fehlern bei Corona lernen

WASHINGTON: Angesichts der neuen Corona-Höchstwerte bei Infektions- und Todeszahlen in den USA fordert die «Washington Post» mehr Bewusstsein aller für die Gefahren der Pandemie:

«Es ist wahr, dass Fehler bei der Reaktion auf die Pandemie gemacht wurden, nicht zuletzt von Präsident Trump, der Nachlässigkeit und völlige Ahnungslosigkeit zeigte, als er sich einer Bedrohung gegenüber sah, die bisher rund 274.000 Amerikaner das Leben gekostet hat (...) Der größte Fehler wäre es, nicht die Lektionen aus der Katastrophe zu lernen. Mr. Trump hat das nicht. Wir können es immer noch. Wir dürfen nicht als eine Sammlung freier Geister auftreten, die die Realität leugnen, sondern eher als eine vereinte Nation, die die ungeheure Größe der Bedrohung wahrnimmt. Jeder Einzelne in den Vereinigten Staaten sollte sich verpflichten, eine Gesichtsmaske in der Öffentlichkeit zu tragen, streng die Abstands- und Hygieneregeln zu befolgen sowie geschlossene Räume und Veranstaltungen, die das Virus rücksichtlos übertragen, zu meiden. Die Impfungen kommen, aber wir können nicht damit warten, unser Verhalten anzupassen. Meidet die Bars, Restaurants und andere geschlossene Orte, wo das Virus lauert, und vermeidet unnötige Reisen.»

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