Zeitungen kommentieren das Weltgeschehen am Freitag

Zeitungen kommentieren das Weltgeschehen am Freitag

«Frankfurter Rundschau» zum Gipfel der EU-Regierungschefs

Wollte Europa tatsächlich als Union auftreten, um in der Welt noch mitreden zu können, dann müsste es den Geburtsfehler des Euro endlich überwinden.

Der besteht nun einmal darin, dass der Währungs- eben keine wirkliche Wirtschaftsunion hinzugefügt wurde. Und nichts spricht dafür, dass sich daran in absehbarer Zeit etwas ändert. Der aktuelle Streit geht genau betrachtet um den "richtigen" Weg zur Rettung eines falschen Systems. Niemand denkt auch nur daran (oder wagt es, davon zu sprechen?), dass eine Wirtschaftsunion sich mit rein nationaler Kompetenz für Haushalt, Steuern und Investitionen nicht verträgt. Wo ist die Politikerin, wo der Politiker, die oder der einmal aufsteht, diese Hegemonie des Nationalen zu brechen? Manche haben das Emmanuel Macron zugetraut, aber den Zahn hat ihm nicht zuletzt Deutschland gezogen.


«El Periódico»: Apple-Urteil öffnet unlauterem Wettbewerb Tür und Tor

MADRID: Zur juristischen Niederlage der EU-Kommission im Streit um eine Rekord-Steuernachzahlung für Apple in Irland schreibt die spanische Zeitung «El Periódico» am Freitag:

«Ganz gleich aus welchem Winkel man die Sache betrachtet: Dieses Urteil begünstigt das Steuerdumping, das in mehr oder minder offener Form nicht nur von Irland, sondern auch von den Niederlanden und Luxemburg betrieben wird. Es macht jeden Fortschritt in Sachen Steuerharmonisierung unmöglich. Wenn die einzelnen Staaten sich dafür entscheiden dürfen, großen Unternehmen steuerlichen Vergünstigungen einzuräumen - Apple ist nicht der einzige Fall -, ohne dass ein solches Verhalten als verdeckte Hilfe betrachtet wird, dann gibt es keine Zweifel, dass man damit dem unlauteren Wettbewerb Tür und Tor öffnet. Das ist ein herber Rückschlag im Kampf gegen Steueroasen - innerhalb und außerhalb der EU. Das ist schon schlimm genug. Noch schlimmer ist es aber, dass man damit den öffentlichen Kassen und den Bürgern Gelder entzieht, die für dringende Investitionen nötig sind, zumal in Krisenzeiten, wie Wettbewerbskommissarin Margrethe Vestager schon argumentierte.»


«Hospodarske noviny»: Soziale Medien in der Verantwortung

PRAG: Die liberale Wirtschaftszeitung «Hospodarske noviny» aus Tschechien schreibt am Freitag zum jüngsten Hacker-Skandal beim Kurznachrichtendienst Twitter:

«Der aktuelle Twitter-Skandal offenbart eine alptraumhafte Erkenntnis. Auf den offiziellen Konten der einflussreichsten Personen der Welt lässt sich mit etwas Anstrengung anscheinend alles Mögliche veröffentlichen. Stellen Sie sich vor, welche Schäden Hacker in der Endphase einer politischen Kampagne anrichten könnten - oder gar in Zeiten größerer sozialer Spannungen oder einer nuklearen Krise. Mit etwas Übertreibung lässt sich sagen: Während heute ein unbedachter Tweet den Rauswurf aus der Arbeit bedeuten kann, gilt möglicherweise bald, dass wir einen Tweet von einem Atomkrieg entfernt sind. Daraus ergibt sich eine ungeheure Verantwortung der sozialen Medien, wenn es um die Absicherung ihrer Systeme gegen unbefugte Zugriffe geht.»


«Dagens Nyheter»: Schaden bei EU-Verhandlungen begrenzen

STOCKHOLM: Die liberale schwedische Tageszeitung «Dagens Nyheter» (Stockholm) kommentiert am Freitag die Verhandlungen über den kommenden EU-Haushalt und das Corona-Wiederaufbauprogramm in Brüssel:

«Der Streit um das mehrjährige EU-Budget war bereits vor dem Virus im Gang. Mit dem Austritt Großbritanniens ist ein Loch entstanden, den Gürtel enger zu schnallen wäre da natürlich gewesen. Aber die Nettoempfänger wollten kein Geld verlieren. Die Sparsamen Vier - Schweden, die Niederlande, Dänemark und Österreich - sagen dagegen Nein dazu, höhere Beiträge zu zahlen.

Die Corona-Krise erfordert ohne Zweifel, dass EU-Ländern ausgeholfen wird. Solidarität ist wichtig. Der Aufbau des Wiederaufbaufonds ist aber mit ernsthaften Problemen behaftet. Die französisch-deutsche Ambition ist vor allem, Italien zu retten, einen Riesen in der Eurozone mit gewaltigem Schuldenberg. Italien und andere Mittelmeerländer weigern sich, Bedingungen für die EU-Zuwendungen zu akzeptieren. Die Verantwortung für die Schulden wäre damit europäisch, aber Rom kann mit dem Geld machen, was es will. Die Sparsamen Vier sind davon zurecht nicht begeistert. Die Föderalisten innerhalb der EU sehen die Corona-Krise als Chance, ihre Domäne auszubauen, auch wenn der Wunsch nach mehr Überstaatlichkeit bei den Bürgern begrenzt ist. So wird es für Schweden und seine Verbündeten auf lange Sicht schwierig sein, dem Druck der Schwergewichte der Union standzuhalten. Aber es geht darum, den Schaden zu begrenzen.»


«De Standaard»: Rutte begibt sich auf besonders dünnes Eis

BRÜSSEL: Zum Streit in der EU um den geplanten Corona-Wiederaufbaufonds heißt es am Freitag in der belgischen Zeitung «De Standaard»:

«Die sparsamen Niederländer bleiben die größten Quertreiber. (...) Mark Rutte ermöglicht jedoch einen kleinen Verhandlungsspielraum. Obwohl es grundsätzlich bei Krediten bleiben soll, schließt der Ministerpräsident Zuschüsse nicht völlig aus. Aber er knüpft sie sehr wohl an strenge Bedingungen. Die Niederlande könnten Subventionen nur zustimmen, wenn die Empfängerstaaten ihre Wirtschaft strukturell reformieren.

Renten, Arbeitsmarkt, Steuererhebung: Vor allem in Südeuropa sollen Staaten konkrete Pläne vorlegen, ihre Volkswirtschaften leistungsfähiger zu machen. Wenn diese Reformen ungenügend sind, sollen sie nur Kredite erhalten können. Rutte will also, dass alle Mitgliedstaaten so gut regiert werden wie die Niederlande. Damit begibt er sich auf besonders dünnes Eis. Denn das riecht nach Einmischung in die internen Angelegenheiten anderer Länder.»


«Nesawissimaja»: Kämpfe nützen nicht nur Armenien und Aserbaidschan

MOSKAU: Zu den schweren Gefechten an den aserbaidschanisch-armenischen Grenze schreibt die russische Tageszeitung «Nesawissimaja Gaseta» am Freitag:

«Die Kämpfe nützen dem aserbaidschanischen Präsidenten Ilham Aliyev und dem armenischen Premier Nikol Paschinjan gleichermaßen. Aliyev braucht sie, um in der Gesellschaft, die eine immer größere Unzufriedenheit spürt, Dampf abzulassen (.) Für Paschinjan sind die Gründe offensichtlicher. Er kann so die Aufmerksamkeit der Bevölkerung auf die äußeren Gefahren lenken und die Gesellschaft um seine eigene Person und die revolutionären Kräfte von einst scharren. Die Opposition konnte nämlich die schwere Lage wegen der Corona-Krise und einige Fehler der Regierung erfolgreich für sich nutzen (.)

Die Eskalation liegt aber auch im Interesse Russlands und der Türkei. Moskau will dem eigenwilligen und einigermaßen unabhängigen Regierungschef Paschinjan seine Grenzen aufzeigen. Und in Baku könnte Moskau das Ziel verfolgen, Aserbaidschan in die von Russland angeführte Eurasische Wirtschaftsunion zu locken. Das würde das Image der Organisation verbessern (.) Die Türkei wiederum ist Verbündete Aserbaidschans. Sie kämpft in Syrien und Libyen. Und versucht, die armenisch-aserbaidschanische Konfrontation für Verhandlungen mit Russland zu den syrischen und libyschen Fragen zu nutzen.»


«La Repubblica»: Italien hat sich auf EU-Gipfel schlecht vorbereitet

ROM: Zum EU-Gipfel in Brüssel, bei dem die 27 Staaten über das milliardenschwere Finanzpaket gegen die Corona-Krise verhandeln, schreibt die italienische Zeitung «La Repubblica» am Freitag:

«Italien könnte nicht schlechter vorbereitet sein für den europäischen Gipfel (...). Der Zusammenstoß dürfte sehr hart werden, und wir gehen mit gefesselten Händen in ihn hinein. Die dramatischen Bilder der Särge, die in Bergamo auf Militärlastwagen verladen wurden, hatten Europa angerührt und eine Solidaritätsbewegung in Frankreich und Deutschland ausgelöst. Aber die Regierung und die politische Klasse haben alles getan, um die Chance zu schwächen, von einer Position zu verhandeln, die zwar nicht von Stärke, aber doch zumindest von Beständigkeit und Glaubwürdigkeit geprägt ist. Es ist bekannt, dass die Schlüsselfragen in Brüssel sowohl die Höhe der Beihilfen und Kredite als auch die Bedingungen sind, die die Geldempfänger akzeptieren müssen. Ausgangspunkt sollte ein nationales Reformprogramm sein, das jedes Land vorlegen muss, um die wirtschaftlichen Empfehlungen der EU-Kommission umzusetzen. Italien ist das einzige Mitglied, das Brüssel noch nicht über sein Programm informiert hat, weil es den zeitlich noch nicht absehbaren Weg durchs Parlament abwarten will.»


«The Irish Times»: Peinlicher Schlag für USA und EU-Kommission

DUBLIN: Zum Urteil des Europäischen Gerichtshofs über das Privacy-Shield-Abkommen zwischen der EU und den USA meint die in Dublin erscheinende «Irish Times» am Freitag:

«Bedeutsam ist, dass das Datentransferabkommen Privacy Shield zwischen den USA und der EU hauptsächlich aufgrund von Bedenken über undurchsichtige staatliche Überwachungsbefugnisse der USA für ungültig erklärt wurde, die erstmals 2013 von Whistleblower Edward Snowden offenbart wurden. Die Entscheidung wird Tausende von Organisationen betreffen, die Daten als alltäglichen Teil des Geschäftsverkehrs übertragen. Politisch ist der Abbruch des Privacy-Shield-Abkommens ein frustrierender und peinlicher Schlag für die USA und die EU-Kommission. (...) Als juristischer Meilenstein demonstriert dieser Fall die Absicht des Europäischen Gerichtshofs, stark auf früheren bahnbrechenden Entscheidungen von globaler Bedeutung für die Unternehmen, den Datenschutz und die Menschenrechte aufzubauen.»


«Le Figaro»: Niederländer Rutte ist neuer «Monsieur Non» Europas

PARIS: Zu dem am Freitag in Brüssel beginnenden EU-Gipfel über das milliardenschwere Finanzpaket gegen die Corona-Krise schreibt die konservative Pariser Tageszeitung «Le Figaro»:

«Ein nicht erwarteter Kandidat hat (Kanzlerin) Angela Merkel in der Rolle des Bösewichts in Europa ersetzt. Der bescheidene niederländische Regierungschef Mark Rutte, der seinen Bürgern nahe ist und jeden Tag ins Büro radelt, ist der neue «Monsieur Non» [so im Original] des Kontinents. Er facht das Feuer der Spaltung an - in einer (Europäischen) Union, die vom Gift der Einstimmigkeitsentscheidungen zermürbt wird, während Einheit angebracht wäre. (...)

Die 27 (EU-Staaten) sitzen aber im gleichen Boot des gemeinsamen Binnenmarktes. Falls Italien und Spanien abstürzen, wird ganz Europa an den Boden gezogen werden!»


«De Telegraaf»: Rutte sollte niederländische Interessen vertreten

AMSTERDAM: Die niederländische Zeitung «De Telegraaf» kommentiert am Freitag das Ringen um den EU-Milliardenfonds zur Bewältigung der Corona-Krise:

«In Den Haag gaben sich die Regierungschefs die Klinke in die Hand. Alle wollten ein offenes Ohr von Premierminister Mark Rutte. Und das nicht, weil er ein altgedienter europäischer Politiker ist. Rutte hat sich diesen Status verdient, weil die Niederlande standhaft gegenüber der Lobby geblieben sind, die die südlichen Mitgliedsstaaten mit kostenlosem Geld überhäufen wollen, ohne dafür im Gegenzug harte Bedingungen zu stellen. (...) Es gibt Gerüchte, dass Rutte einige der niederländischen Einwände beim EU-Gipfel herunterschlucken wird. Das könnte ihn in seinem eigenen Land angreifbar machen. Denn es sind nicht die Italiener, Franzosen oder Spanier, die in acht Monaten bei den Parlamentswahlen an die Urnen gehen werden. Das werden die niederländischen Bürger sein, deren Interessen die Regierung vertreten sollte.»


«Nepszava»: Ein Sieg der Vernunft über den Symbolismus

BUDAPEST: Zum Wahlsieg der Sozialdemokraten unter Ex-Ministerpräsident Zoran Zaev bei der Parlamentswahl in Nordmazedonien schreibt die Budapester Tageszeitung «Nepszava» in einem Kommentar am Freitag:

«Zaevs rechter Vorgänger Nikola Gruevski floh im November 2018 vor einer Gefängnisstrafe wegen Korruption nach Ungarn, wo er politisches Asyl erhielt. Von ihm hatte Zaev zuvor ein Land übernommen, das nicht nur tief im Sumpf der Korruption versunken war, sondern in dem auch ein aufgepeitschter Nationalismus mit russischen Anlehnungen den Ton angegeben hatte. (...) Mit der Beilegung des Namensstreits mit Griechenland setzte Zaev alles auf eine Karte. Indem er (im Vorjahr) der Umbenennung des Landes (von Mazedonien) in Nordmazedonien zustimmte, musste er die Bevölkerung dazu bringen, in einer symbolträchtigen Frage nüchterne Vernunft walten zu lassen. (...) Trotzdem hat Zaev die Wahl gewonnen. Offenbar stellte die Umbenennung in den Augen vieler Bürger eine geringfügigere Sünde dar als die Liquidierung des Rechtsstaats und die Missachtung der grundlegenden Menschenrechte, wie sie Gruevski während seiner zehnjährigen Amtszeit praktiziert hatte.»


«Tages-Anzeiger»: China schafft weltweite Abhängigkeiten

ZÜRICH: Zur Wirtschaftspolitik Chinas heißt es am Freitag im Zürcher «Tages-Anzeiger»:

«Spätestens seit dem Machtantritt von Parteichef Xi Jinping fahren die Kommunisten auch die wirtschaftliche Öffnung wieder zurück. In den Augen der chinesischen Machthaber hat sie ihre Ziele schon weitgehend erreicht. Auch scheinbar wirtschaftliche Projekte im Ausland wie die sogenannte neue Seidenstraße dienen weit mehr Chinas Machtambitionen als im engeren Sinn ökonomischen Interessen. China investiert gezielt Milliarden in strategische Infrastrukturen weltweit und schafft so Abhängigkeiten.

Chinas aggressives Auftreten ist ein weiteres Symptom für das Ende der hergebrachten Weltordnung. Die Entwicklung steht politisch für weniger Sicherheit und mehr Konflikte. Wirtschaftlich müssen wir uns auf einen weiter eingeschränkten Welthandel und deshalb geringeres Wachstum und höhere Preise gefasst machen. Daran würde auch eine Abwahl von Donald Trump nichts ändern.»


«NZZ»: Beim Datenschutz ticken Uhren in den USA anders

ZÜRICH: Die «Neue Zürcher Zeitung» kommentiert am Freitag das EuGH-Urteil zum Datenschutzabkommen zwischen der EU und den USA :

«Was den Datenschutz anbelangt, ticken die Uhren in Europa anders als in den USA. Das zeigt sich nun einmal mehr daran, dass das höchste Gericht Europas das jüngste Datenschutzabkommen zwischen der Europäischen Union und den USA für ungültig erklärt hat. Die Grundrechte europäischer Bürger werden demgemäß nicht genug geschützt, wenn ihre elektronisch erfassten Daten in die USA übertragen und dort von Analyse- und Überwachungsprogrammen verschiedenster Art pauschal ausgewertet werden können, heißt es in der Begründung.(...)

Der europäische Bürger war im Durchschnitt schon immer skeptischer als der amerikanische, wenn es um die Vertraulichkeit von sensiblen Informationen geht. Das mag bis zu einem gewissen Grad erklären, wie es zu diesem Urteil gekommen ist. Aber es geht auch profaner. So fällt es europäischen Gerichten auch deswegen leichter, beim Schutz der Privatsphäre andere Prioritäten zu setzen, weil die Konzernriesen, die mit den Daten das große Geschäft machen, fast alle ihren Sitz in den USA haben. Sie brauchen also auf deren Befindlichkeiten keine Rücksicht zu nehmen und können sich vor dem Urteil hoffentlich ein halbwegs objektives Bild machen.»

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André Brunner 18.07.20 12:22
Niederland, die Nein-Sager
Bei Solaridität alle EU Mitglieder zu helfen ist die Niederlande nicht dafür. Für Steuerdumping, um Konzerne anzulocken aber ja.
Kann man nur nehmen und nichts geben?
Ich hoffe, dass solch eine egoistische Haltung die EU dies nicht vergessen wird.
Ich versuche keine niederländische Ware mehr zu kaufen.