Zeitungen kommentieren das Weltgeschehen am Donnerstag

Foto: Adobe Stock/©elis Lasop
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«Stuttgarter Zeitung» zu den gescheiterten Tarifverhandlungen

Nicht nur im Arbeitgeberlager, auch bei den Gewerkschaften wächst der Druck.

Vor allem für Verdi-Chef Frank Werneke ist die Schlichtung ein Risiko, denn es ist nicht sicher, dass er da deutlich mehr herausholt als in freien Verhandlungen. Erst recht würde dies für unbefristete Streiks gelten, falls die Schlichtung fehlschlägt. Verdi sieht sich von einer so noch nie erlebten Mobilisierung an der Basis bestärkt, die nach dem Motto «Jetzt oder nie» einen erheblichen Lohnsprung sehen will. Die wachsenden Erwartungen könnten auch bitter enttäuscht werden.


«Frankfurter Rundschau» zu Verhaftung des US-Journalisten Gershkovich

Der russische Autokrat Wladimir Putin setzt mit dem Haftbefehl gegen den US-Journalisten Evan Gershkovich seinen jahrelangen Feldzug gegen freie Medien fort und erweitert ihn zugleich, indem er erstmals seit Ende des Kalten Krieges in Russland wieder einen Korrespondenten wegen Spionagevorwürfen festnehmen ließ.

Nach innen sendet er so das Signal, wachsam zu sein und frischt seine Erzählung von der Täter-Opfer-Umkehr auf, wonach der Westen Russland bedrohe und Moskau sich deshalb mit allem Nötigen verteidigen müsse - auch mit einem Krieg in der Ukraine. Zugleich erhöht er erneut den Druck gegen alle Journalistinnen und Journalisten aus dem Ausland, nur ja nichts Falsches zu schreiben. Putins Schritt kommt alles andere als überraschend. Vielmehr zerstört er weiter akribisch die einstigen demokratischen Errungenschaften in seinem Land, um immer mehr Macht und Kontrolle zu bekommen.


«Dagbladet»: Israel gleicht einer Bananenrepublik

OSLO: Die norwegische sozialliberale Boulevardzeitung «Dagbladet» (Oslo) kommentiert am Donnerstag den Streit über die Justizreform in Israel:

«Als Israel 1948 gegründet wurde, basierte es auf demokratischen Prinzipien mit einer gesetzgebenden, einer ausübenden und einer urteilenden Macht. Diese Organe sollten unabhängig voneinander sein, und keine davon sollte dominieren. Israel war ein Rechtsstaat, obwohl viele Palästinenser im Land dies nicht so empfanden. Dass sich Israel die einzige auf liberalen Werten basierende Demokratie im Nahen Osten nennen konnte, war ein wichtiger Bestandteil der israelischen Volksseele. Diejenigen, die die Antidemokratisierung nun anführen, sind nicht nur Ultranationalisten, sondern auch Ultrareligiöse, die sich ein Israel als Theokratie wünschen. In vielerlei Hinsicht gleicht Israel heute einer Bananenrepublik. Es ist ein gespaltenes Land: im Streit mit den USA, auf dem Weg weg von der Demokratie und mit einer Privatmiliz des Polizeiministers Itamar Ben-Gvir. Das ist Israel, anderthalb Monate bevor es seinen 75. Geburtstag feiert.»


«Le Monde»: Ausnahme beim Verbrennerverbot in EU ist Sackgasse

PARIS: Zum beschlossenen Verbrennerverbot der EU ab 2035 mit dem Kompromiss, weiterhin E-Fuels zuzulassen, schreibt die französische Tageszeitung «Le Monde» am Donnerstag:

«Mit der Verpflichtung, den Weg für synthetische Kraftstoffe für Autos zu ebnen, um den deutschen Forderungen nachzukommen, begibt sich Brüssel in eine Sackgasse. Diese Entscheidung könnte (...) zu einer «unpassenden Ablenkung» für die Hersteller werden, die sich auf die Verbesserung der Batterietechnologie konzentrieren sollten.

Die EU sollte sich stattdessen mit der Regulierung des Zugangs zu sauberer Energie befassen. Angesichts der Mengen, die in den kommenden Jahrzehnten benötigt werden, ist es dringend notwendig, die Nutzung zu lenken, um eine Ressource zu optimieren, die als Gemeingut betrachtet werden muss und nicht mehr als unerschöpfliches Gut, das dem Gesetz des Meistbietenden unterworfen ist, um die Wünsche einiger weniger auf Kosten der Bedürfnisse der meisten zu befriedigen.»


«La Vanguardia»: Man sollte auf Musk, Wozniak & Co. hören

MADRID: Zur Forderung eines Moratoriums bei der Entwicklung neuer Systeme der Künstlichen Intelligenz durch hochrangige Tech-Experten wie Tesla-Chef Elon Musk und Apple-Mitbegründer Steve Wozniak schreibt die spanische Zeitung «La Vanguardia» am Donnerstag:

«Der große Sprung nach vorn, der in der künstlichen Intelligenz mit GPT-4 gemacht wurde, ist für die Gesellschaft eher ein Risiko als ein Fortschritt. In den letzten Wochen hat sich die positive Überraschung angesichts der großen Vorteile der neuen Technologie zu einer wachsenden Angst gewandelt. Angst vor Arbeitsplatzverlusten, Fehlinformationen, vor einem Missbrauch bei der Waffenproduktion sowie vor einer Förderung der Cyberkriminalität. (...)

Eine Reihe von Experten warnt schon seit einiger Zeit vor diesen Risiken, aber dies ist das erste Mal, dass es ein so klares und direktes gemeinsames Manifest gibt. Der Einfluss dieser Gruppe ist groß, aber die Chancen, diesen Prozess aufzuhalten, sind begrenzt. (...) Ohne eine globale Governance ist es schwer vorstellbar, wie dieser Strudel der Ereignisse aufgehalten werden kann. Dieses Manifest ist eine globale Warnung, die man ernst nehmen sollte.»


«NRC»: Modi untergräbt Indiens Demokratie

AMSTERDAM: Die niederländische Zeitung «NRC» warnt am Donnerstag vor einer zunehmenden Krise der Demokratie in Indien:

«Indien rühmt sich, die größte Demokratie der Welt zu sein. Doch es stellt sich die Frage, wie lange dieser Titel noch haltbar ist. Im autokratischen Schatten Russlands und Chinas schlittert Indien schon seit einiger Zeit mehr und mehr in eine Demokratiekrise. Während im Westen die Augen auf den russischen Präsidenten Wladimir Putin und den chinesischen Staatschef Xi Jinping gerichtet sind, untergräbt der indische Premierminister Narendra Modi die Demokratie im eigenen Land, ohne dass es einen nennenswerten internationalen Aufschrei gibt. (...)

Darunter hat nicht allein die politische Opposition zu leiden. Der zunehmende Druck auf die Meinungsfreiheit in Modis Indien führt dazu, dass kritische Medien mundtot gemacht werden. (...) Im Westen wird Indien seit der Verschlechterung der Beziehungen zu China als attraktive Alternative und auch als mächtiger Pufferstaat gesehen. Modi weiß das und navigiert geschickt zwischen den verschiedenen Mächten. Aber wenn ein autoritärer Herrscher an Macht gewinnt, ist das auf lange Sicht immer ein Risiko.»


«Nepszava»: Ungarn und Polen sind in Israel abschreckende Beispiele

BUDAPEST: Über die Proteste gegen die Justizreform in Israel und deren Ähnlichkeiten mit dem Abbau des Rechtsstaats in Ungarn und Polen schreibt die oppositionelle Budapester Tageszeitung «Nepszava» am Donnerstag:

«Es ist kein Zufall, dass die Demonstranten immer wieder skandierten: «Israel ist nicht Ungarn! Israel ist nicht Polen!» (...) Wie konnte es kommen, dass zwei EU-Länder in einem regionalen Umfeld mit etlichen Diktaturen und Autokratien zum abschreckenden Beispiel wurden? Dass bei den Protesten das Konterfei des ungarischen Ministerpräsidenten (Viktor Orban) zusammen mit Plakatbildern von Wladimir Putin, Recep Tayyip Erdogan, des iranischen Revolutionsführers (Ajatollah Ali Chamenei) und des sich eben zur Liquidierung des israelischen Rechtsstaats anschickenden (Benjamin) Netanjahu hochgehalten wurde? Es ist dies eine riesige Blamage nicht nur für die Regierungen Ungarns und Polens, sondern nicht zuletzt auch für die EU selbst.»


«The Times»: Besuch von König Charles III. ist symbolträchtig

LONDON: Die Londoner «Times» kommentiert am Donnerstag den Besuch von König Charles III. in Deutschland:

«Staatsbesuche sind nicht nur wegen ihrer Symbolik und ihrer politischen Agenda wichtig, sondern auch wegen des damit einhergehenden Wohlwollens, der Erneuerung von Freundschaften und der Zusage künftiger Verpflichtungen. Der Besuch des Königs in Deutschland ist ebenso symbolträchtig und politisch bedeutsam wie fast alle Besuche, die seine Mutter während ihrer langen Regentschaft unternahm.

Es ist der erste Besuch, den er seit seiner Thronbesteigung unternimmt, und zwar noch vor seiner Krönung. Das unterstreicht die engen dynastischen, politischen und wirtschaftlichen Verbindungen zwischen Großbritannien und einem Land, gegen das unsere Nation zwei Weltkriege geführt hat, das sich aber seitdem zu einem der stärksten und am meisten geschätzten Verbündeten Großbritanniens entwickelt hat. Es zeigt die Entschlossenheit der Regierung, trotz des Brexits freundschaftliche Beziehungen zu ehemaligen Partnern in der Europäischen Union zu unterhalten.»


«Tages-Anzeiger»: Integration der Credit Suisse eine Herausforderung

ZÜRICH: Für die Übernahme der Credit Suisse (CS) hat die Schweizer Großbank UBS den Manager Sergio Ermotti an die Konzernspitze zurückgeholt. Dazu meint der Zürcher «Tages-Anzeiger» am Donnerstag:

«Die Überraschungen um die Übernahme der CS reißen nicht ab. Ralph Hamers tritt zurück und macht Platz für Sergio Ermotti als Chef der neuen UBS. Der Wechsel an der Spitze zeigt, wie groß die Herausforderungen beim Aufbau der neuen Superbank sind: Das Übernahmeobjekt Credit Suisse kämpft gegen einen drastischen Vertrauensverlust. Die UBS riskiert, dass ihr Ruf in Mitleidenschaft gezogen wird. (...)

Ermotti hat Erfahrung mit dem radikalen Umbau einer Großbank . Er hat die UBS bereits nach ihrer Rettung und der Finanzkrise während neun Jahren geführt und in dieser Zeit die Investmentbank radikal zurückgebaut und die Bank auf die Vermögensverwaltung ausgerichtet. Diese Strategie legte den Grundstein für das stabile Wachstum der UBS in den vergangenen Jahren. (...) Ermotti an die Spitze der neuen Megabank zu setzen, macht für die UBS-Führung Sinn. Ob es ihm tatsächlich gelingt, Vertrauen in die neue Megabank zu schaffen, muss sich zeigen. Die Integration der CS könnte sich als größerer Brocken erweisen als die Neuausrichtung der UBS vor zehn Jahren.»


«Washington Post»: Drohung mit Atomwaffen in Belarus beunruhigend

WASHINGTON: Zur Ankündigung von Kremlchef Wladimir Putin, taktische Atomwaffen in Belarus zu stationieren, schreibt die «Washington Post»:

«Die verheerende Kraft der Atomwaffen hat im Kalten Krieg ein Tabu gegen unbesonnene Drohungen geschaffen. Putins Rhetorik schreddert diese Zurückhaltung einmal mehr. Wie ernst er es meint, bleibt unklar (...) Aber die jüngste Drohung ist beunruhigend. Wenn die Waffen nach Belarus gebracht werden, werden sie näher am Krieg in der Ukraine sein (...) Alexander Lukaschenko, der belarussische Autokrat, ist zu Putins Satrapen worden, und die Ankunft nuklearer Sprengköpfe würde Belarus nur noch stärker Russland unterordnen (...) Unterdessen hat Lukaschenko die Schrauben gegen die Zivilgesellschaft immer enger gezogen, indem er unter anderem Rechtsanwälte und Gewerkschafter verhaftete.

Die demokratische Opposition gegen Lukaschenko, angeführt von Swetlana Tichanowskaja, der legitimen Siegerin der Präsidentenwahlen 2020, hat sich gegen die Stationierung nuklearer Sprengköpfe in Belarus ausgesprochen und gefordert, dass die russischen Truppen aus dem Lande geworfen werden (...) Belarus braucht alle Hilfe, die es kriegen kann, um sich von einer Diktatur in den Händen des Kremls zu befreien, die es an die Front des Ukrainekrieg bringt.»

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Rolf W. Schwake 31.03.23 14:20
Verbrennerverbot in der EU ...
... ist wie vorauseilender Gehorsam gegenüber einer links-grünen Ideologie, ohne zu wissen, wo es genau hingehen soll, auf einem Bildungsniveau ohne Berufsausbildung und Lebenserfahrung, wo allein die "verlangte Wende um 360°" wieder zu den Wurzeln führt, von denen man kommt, wo Treibhausegase im Hundertstel Prozentbereich für das verantwortlich gemacht werden soll, was allein die Vermehrung der Menschheit (36° Wärmelieferaten) von 2,5 auf über 8 Milliarden in gut 75 Jahren mit all den Folgen zu verantworten hat. Wie kann man als Verantwortlicher so dumm sein? Und wie dumm muss man sein, dass dann auch noch zu wählen? Traurig! Quo vadis, Menschheit!