Zeitungen kommentieren das Weltgeschehen am Donnerstag

Zeitungen kommentieren das Weltgeschehen am Donnerstag

«Frankfurter Allgemeine Zeitung» zu EuGH Datenschutzabkommen

(.) Es war zu erwarten, dass die Vereinigten Staaten (.) mit Missmut reagieren - angesichts des billionenschweren Handelsvolumens mit Europa und der Notwendigkeit, die Corona-Krise auch wirtschaftlich zu überwinden.

Man muss und wird auch hier eine Lösung finden. Übergriffig ist das Urteil aber keineswegs. Über Bedeutung und Reichweite des Datenschutzes im Einzelnen kann man immer streiten - nicht aber über den Anspruch Europas, sich mit seinen Werten gegenüber Amerika zu behaupten. Es ist eine große europäische Errungenschaft, dass der Staat sich rechtfertigen muss, wenn er in die Rechte des Einzelnen eingreift, und dass Sicherheitsinteressen eben nicht pauschal Vorrang genießen. Gut und wichtig ist es deshalb, dass sich die Europäische Union an diesem Wochenende selbst über ihre Grundlagen vergewissert.(.).


«Die Welt» zur Urteilsverkündung im Fall Deniz Yücel

Das Urteil in Istanbul ist ein Skandal, aber es war erwartbar.

Die türkische Regierung unter Staatspräsident Recep Tayyip Erdogan hat in den vergangenen Jahren die Pressefreiheit kontinuierlich dekonstruiert. Die Einschüchterung der freien Presse folgte einer Deliberalisierung auch der urbanen Zivilisationsleuchttürme. In der Türkei sitzen - Stand heute - Dutzende von Kollegen unter oft fadenscheinigsten Vorwänden hinter Gitter. Mit Deniz Yücel und seiner Isolationshaft wurden auch die letzten mutigen Auslandskorrespondenten außer Landes oder in die vorauseilende Angstzensur geschickt. Den vollständigen Kommentar von Ulf Poschardt lesen Sie unter: welt.de/meinung.


«Hospodarske noviny»: Lokführer in Tschechien überlastet

PRAG: Die liberale Wirtschaftszeitung «Hospodarske noviny» aus Prag schreibt am Donnerstag nach einer Serie von tödlichen Bahnunfällen in Tschechien, bei denen auch ein Deutscher ums Leben kam:

«Der Zugverkehr nimmt zu, doch zugleich herrscht ein Mangel an Lokführern. Die vielen Überstunden der Eisenbahner führen zu Müdigkeit, die Aufmerksamkeit und Umsicht einschränkt. (...) Rechnet man noch den vernachlässigten Zustand der technischen Sicherheitseinrichtungen hinzu, ist das Schlamassel komplett. (...)

Wer genau die Schuld an den jüngsten Unfällen trägt, müssen die Ermittlungen zeigen. Doch schon jetzt lässt sich sagen, dass Politiker und Verkehrsministerium eine Mitschuld tragen. In ihren Träumen bauen sie Hochgeschwindigkeitsstrecken. Dabei sind sie nicht einmal in der Lage, das bestehende Netz weiterzuentwickeln. Der derzeitige Verkehrs- und zugleich Industrie- und Handelsminister Karel Havlicek sollte (...) einen Rücktritt in Erwägung ziehen, nämlich von einem seiner beiden Ministerposten. Denn wie die jüngsten Kollisionen zeigen, können aus Überlastung und Müdigkeit fatale Fehler entstehen.»


«Diena»: Verkraftet die Eurozone mehr Staatsschulden?

RIGA: Die lettische liberale Tageszeitung «Diena» befasst sich am Donnerstag mit den in der Corona-Krise ausgesetzten Maastricht-Kriterien für in der EU erlaubte Staatsverschuldung:

«Es stellt sich die Frage: Kann sich die Nichteinhaltung der einst gut gemeinten Kriterien auch auf die Eurozone selbst auswirken? Wahrscheinlich sowohl ja als auch nein. Einerseits steigt die finanzielle Belastung, was zu einer bald wiederkehrenden neuen großen Krise führen könnte. Andererseits haben finanziell schwächere Länder ein Interesse daran, den einheitlichen Währungsraum mit allen Mitteln aufrechtzuerhalten, da sie sonst ihre Verbindlichkeiten nicht mehr refinanzieren und bankrottgehen können. Finanziell stärkere Länder sind ebenso wenig an einer Pleite der schwächeren Länder interessiert, da sie aufgrund verschiedener gemeinsamer Transaktionen und Finanzbeziehungen auch nicht um große Verlusten herum kommen würden. Zugleich muss aber berücksichtigt werden, dass das Finanzleben im Euroraum viel unvorhersehbarer wird als zuvor.»


«Nesawissimaja»: Weiter viel Protestpotenzial in Belarus

MOSKAU: Zu den Festnahmen vor der Präsidentenwahl in Belarus (Weißrussland) schreibt die russische Tageszeitung «Nesawissimaja Gaseta» am Donnerstag in Moskau:

«Es sind spontane, aber friedliche Proteste in Belarus. Es ist eine Reaktion auf die Entscheidung der Wahlkommission, die Registrierung der beiden stärksten Konkurrenten von Präsident Alexander Lukaschenko zu verweigern. Deshalb sind die Menschen auf die Straße gegangen. Sie formten eine lange Menschenkette im Stadtzentrum, auch Radfahrer waren unterwegs. Sie fuhren einfach friedlich umher, riefen keine Slogans und skandierten nicht einmal. Und dennoch sind Spezialeinsatzkräfte losgeschickt worden, die selektiv Leute herausgefischt und in Polizeiwagen gesteckt haben. (...)

Das Vorgehen der Behörden schwächt jetzt die Proteste. Aber die verbleibenden Kandidaten und die Mitarbeiter der nicht registrierten Bewerber haben sich noch nicht zusammengeschlossen und noch keine gemeinsamen Aktionen geplant. Das könnte das Protestpotenzial verstärken. Es kann also noch Überraschungen geben.»


«Financial Times»: Steuervermeidung der Konzerne muss bekämpft werden

LONDON: Zur Schlappe der EU-Kommission im juristischen Streit um eine Milliarden-Steuernachzahlung für Apple in Irland meint die Londoner «Financial Times» am Donnerstag:

«Die EU-Kommission hat am Mittwoch erklärt, sie werde auch künftig Verstöße gegen Regeln zu staatlichen Beihilfen im Zusammenhang mit Steuern untersuchen. Doch ihre Niederlage wirft Fragen hinsichtlich ihrer technischen Möglichkeiten auf, solche Verstöße auch strafrechtlich zu verfolgen. Einen ähnlichen, viel kleineren Fall gegen Starbucks und die Niederlande hatte sie im vergangenen Jahr verloren. Wenn der Apple-Fall überhaupt etwas unterstreicht, dann ist es die Notwendigkeit, die internationale Zusammenarbeit zur Bekämpfung von Umgehungstechniken multinationaler Konzerne fortzusetzen.

Die OECD-Initiative zu Unternehmenssteuern ist wichtiger denn je. Aber die USA haben sich im vergangenen Monat aus Gesprächen darüber zurückgezogen. Das bedeutet, dass etwaige Fortschritte frühestens im kommenden Jahr möglich wären.»


«Corriere della Sera»: Steuervermeider verzerren den Markt

ROM: Zur juristischen Niederlage der EU-Kommission im Streit um eine Rekord-Steuernachzahlung für Apple in Irland schreibt die italienische Zeitung «Corriere della Sera» am Donnerstag:

«Europa und die EU-Mitgliedstaaten müssen erstens Wege finden, um die Steuergerechtigkeit wieder in den Mittelpunkt der Debatte zu rücken. Selbst ein antisozialistischer und dem Liberalismus zugewandter US-Präsident wie Ronald Reagan erinnerte gerne daran, dass man vor zwei Dingen am Ende nicht weglaufen kann: dem Tod und den Steuern. Und sogar die Regierung von Barack Obama, die sicher als Freund des Silicon Valley eingestuft werden kann, hatte an der Steuerfront heftige Zusammenstöße mit Technologiekonzernen.

Der zweite Punkt betrifft nicht so sehr den Staat und den Gesellschaftsvertrag nach Rousseau, sondern vielmehr das Thema Wettbewerb und Innovation: Was die Steuervermeider nicht zahlen, investieren sie kontinuierlich in Forschung und Entwicklung, was ihnen eine Beschleunigung beschert, die andere Unternehmen nie mehr werden einholen können.»


«Le Figaro»: Frankreichs Premier Castex muss jetzt liefern

PARIS: Die Regierungserklärung von Frankreichs neuem Premier Jean Castex kommentiert die französische Tageszeitung «Le Figaro» am Donnerstag:

(Ex-Premier) «Édouard Philippe verließ (den Amtssitz des Premiers) Matignon mit einer Popularität, die weitaus größer war als die des Präsidenten der Republik. Wenn er seine Versprechen hält, ist sein Nachfolger auf dem besten Weg, ihm nachzuahmen. Wo Emmanuel Macron sich verschachtelt und langatmig ausdrückt, bildet Jean Castex einen schnellen und scharfen Kontrast. In sechzig Minuten entfaltete er in seiner allgemeinen politischen Rede den Schlachtplan für die nächsten 600 Tage, die uns von der Präsidentenwahl trennen. (...)

Wird die Ordnung und Autorität des Staates mit ihm endlich den kompromisslosen Hüter finden, den wir gegen den radikalen Islam, gegen polizeiliche Gewalt, Kleinkriminalität, Rassismus und Antisemitismus brauchen? Um effektiv ausgeführt werden zu können, brauchen (wir) keine großen Reformen, sondern Beamte vor Ort und nahe beim Volk. (...) Getreu der Tradition der Schullehrer, an die er erinnert, präsentiert sich Jean Castex als Mann der Missionen.»


«Politiken»: Verlierer bei Apple-Urteil sind wir alle

KOPENHAGEN: Die liberale dänische Tageszeitung «Politiken» (Kopenhagen) kommentiert am Donnerstag die juristische Niederlage der EU-Kommission im Streit um eine Rekord-Steuernachzahlung für Apple in Irland:

«Es war weit mehr als eine Niederlage für EU-Wettbewerbskommissarin Margrethe Vestager, als das EU-Gericht die EU-Kommission in dem historisch großen Steuerverfahren gegen Irland und Apple zurückwies. Das Urteil ist eine Niederlage für die Grundfesten unserer Wohlfahrtsgesellschaft. Unmittelbar steht Vestager als Verliererin da, genau wie damals, als die Kommission ein Verfahren gegen Starbucks und eine andere EU-Steueroase, die Niederlande, verlor. Aber die echten Verlierer sind die Länder, denen Steuereinnahmen und somit die Finanzierung ihres Wohlfahrtssystems entgehen, weil sich ein kleiner Kreis an nationalegoistischen Ländern wie Irland und die Niederlande als Steueroasen anbieten. Im niederländischen Fall ist dieser Egoismus doppelseitig, weil die Regierung des Landes die von Dänemark unterstützte EU-Sparbande anführt, die sich auch schwer mit der Solidarität tut, wenn es darum geht, den am härtesten von Corona betroffenen Ländern wie Italien und Spanien zu helfen.»


«De Tijd»: Strategiewechsel bei Unternehmensbesteuerung notwendig

BRÜSSEL: Die belgische Zeitung «De Tijd» kommentiert am Donnerstag Apples Steuersieg gegen die EU-Kommission und EU-Wettbewerbskommissarin Margrethe Vestager:

«Die tollkühne Art, in der Margrethe Vestager das Big Business angriff, scheint an ihre Grenzen zu stoßen. Aber die drängende Frage bleibt: Wie belasten wir die Technologieunternehmen richtig? Stürzt Margrethe Vestager langsam von ihrem Thron? Die europäische Wettbewerbskommissarin, die sich in den letzten Jahren zur gefürchtetsten Frau des europäischen Wirtschaftslebens entwickelt hat, beißt nun zum dritten Mal auf Granit. (...) Die wichtigste Brechstange, mit der sie die Steuerstrategie internationaler Unternehmen aufhebeln will, ist plötzlich sehr kurz geworden. Die politische Welt Europas wird ihre Strategie ändern müssen, um die Unternehmensbesteuerung besser zu organisieren.»


«Nepszava»: Trump als Führer der freien Welt

BUDAPEST: Über das Sanktionsgesetz von US-Präsident Donald Trump, das sich gegen die Unterdrückung Hongkongs durch China richtet, schreibt die Budapester Tageszeitung «Nepszava» am Donnerstag:

«Dass die USA hier handeln, richtet mehr aus als alle Protesterklärungen der EU zusammengenommen. Trump ist gewiss kein unerschütterlicher Kämpfer für die Menschenrechte. Doch in der amerikanischen Regierung, in der Republikanischen Partei und selbst im Weißen Haus gibt es Leute, die die Liquidierung von Menschen- und Bürgerrechten stört - zumindest im Falle bestimmter Länder. Der Präsident wiederum unterzeichnet, wenn man sie auf seinen Schreibtisch legt, die Sanktionen. Ob er dessen würdig ist oder nicht: Kraft seines Amtes ist er doch der Führer der freien Welt.»


«de Volkskrant»: Höhe der Staatsschulden durch Corona problematisch

AMSTERDAM: Zu den Staatsausgaben für die Bewältigung der Corona-Krise heißt es Donnerstag in der niederländischen Zeitung «de Volkskrant»:

«Die Kosten der Kredit- und der Corona-Krise, die aufeinander folgten, sind berechnet in Geld - glücklicherweise nicht in Menschenleben - bereits höher als die der beiden Weltkriege im vorigen Jahrhundert. Der Internationale Währungsfonds (IWF) meint, die Verschuldung aller Staaten durch den «Great Lockdown» werde insgesamt auf 101,5 Prozent des weltweiten Bruttoinlandsprodukts steigen. Selbst nach dem Zweiten Weltkrieg war sie laut IWF nicht so hoch. (...)

Die Bank für Internationalen Zahlungsausgleich (BIS) erklärte kürzlich, dass in einer Zeit der Megastimulierung und der Negativzinsen die Anzahl sogenannter Zombieunternehmen (Firmen, die keine Gewinne machen und Schulden nicht begleichen können) explosionsartig gestiegen sei. Eine andere Folge von Stimulierungsmaßnahmen ist, dass Geld nicht so sehr bei Arbeitnehmern und kleinen und mittleren Unternehmen ankommt, die arbeitslos oder pleite sind, sondern bei Aktionären und Immobilienanlegern landet.»


«NZZ»: Steuerwettbewerb hat viele Vorteile

ZÜRICH: Die «Neue Zürcher Zeitung» kommentiert am Donnerstag die juristische Niederlage der EU-Kommission im Streit um eine Rekord-Steuernachzahlung für Apple in Irland:

«Die Sache ist damit aber nicht erledigt und die Kampagne der EU-Kommission gegen niedrige Steuern schon gar nicht. Der Apple-Fall dürfte von Brüssel an die nächste und letzte Instanz in Luxemburg weitergezogen werden. (...)

Damit bestätigt sich einmal mehr, wie viel Mühe die EU mit dem Steuerwettbewerb hat. Die Länder mit hohen Steuerbelastungen beschäftigen sich offenbar lieber mit der Frage, wie man unliebsame Konkurrenten mit (zu) niedrigen Steuersätzen in die Knie zwingt, als dass sie ihre eigenen überbordenden Fiskalsysteme überarbeiten. Das ist bedauerlich. Denn der Steuerwettbewerb hat viele Vorteile, auch wenn er in Brüssel offenbar nicht allzu viele Anhänger hat. Die Ausgabefreude von Regierungen wird dadurch nämlich etwas in Schach gehalten.»


«El Mundo»: Urteil im Fall Apple ist ein Keulenschlag für die EU

MADRID: Zur juristischen Niederlage der EU-Kommission im Streit um eine Rekord-Steuernachzahlung für Apple in Irland schreibt die spanische Zeitung «El Mundo» am Donnerstag:

«Das Urteil im Fall Apple ist ein Keulenschlag für das Projekt der (Europäischen) Union (...) Es ist unerlässlich, dass solchen Steuermanipulationen ein Ende bereitet wird. Nicht nur aus Gründen der Wettbewerbsgerechtigkeit, sondern auch, um einer Steuerharmonisierung näher zu kommen, die heute mehr denn je eine unabdingbare Voraussetzung ist, um die europäische Integration zu verwirklichen.»

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