Zeitungen kommentieren das Weltgeschehen am Dienstag

Zeitungen kommentieren das Weltgeschehen am Dienstag

«Gazeta Wyborcza»: Trump und Duda kämpfen um die Wiederwahl

WARSCHAU: Zu dem bevorstehenden Besuch von Polens Präsident Andrzej Duda im Weißen Haus schreibt die linksliberale polnische Zeitung «Gazeta Wyborcza» am Dienstag:

«Eine Einladung von Trump ist wie eine Anordnung. Die Verpflichtungen, die den polnischen Steuerzahler Milliarden kosten werden, liegen schon auf dem Schreibtisch im Oval Office. Andrzej Duda wird sie bestimmt unterschreiben. Dieser Besuch (...) könnte ein bedeutendes politisches Ereignis sein, das die Stärke unserer Beziehungen unterstreicht. Ist er aber nicht. Das liegt an den Umständen dieser Blitzreise Dudas nur drei Tage vor der Präsidentenwahl in Polen, und an der steigenden Temperatur des Wahlkampfs in beiden Ländern. Beide Politiker haben sinkende Popularitätswerte.

Donald Trump hat gezeigt, dass sein «America first» in erster Linie das Aufpumpen des eigenen Ballons ist, und sein Land starke Probleme hat. Erst das Ignorieren, dann die Hilflosigkeit im Kampf mit dem Coronavirus, die Arroganz gegenüber den Anti-Rassismus-Protesten, Millionen von Arbeitslosen und eine Pleitewelle der Firmen lassen vermuten, dass Amerika, genau wie Polen, von seinem Präsidenten genug hat. In dieser Atmosphäre, die die Niederlage schon ankündigt, haben die beiden Politiker beschlossen, sich die Hand zu reichen und die Wähler zu überzeugen, dass nur sie die Welt retten können.»


«Svenska Dagbladet»: Mundschutz-Erfahrungen aus Deutschland beachten

STOCKHOLM: Die konservative schwedische Tageszeitung «Svenska Dagbladet» (Stockholm) meint am Dienstag zur Debatte über das Tragen eines Mundschutzes während der Coronavirus-Pandemie:

«Nein, ein Mundschutz ist keine Universallösung. Aber laut einer neuen Studie hat er die Zahl neuer Corona-Fälle in Deutschland um 40 Prozent verringert. Weil er in den Bundesländern zu verschiedenen Zeitpunkten obligatorisch geworden ist, bis er bundesweit zur Pflicht wurde, konnten die Forscher den Effekt verfolgen. Die WHO meint, ein Mundschutz ist zusammen mit anderen Maßnahmen effektiv. Eine wachsende Anzahl an Ländern macht ihn zur Pflicht, zuletzt Frankreich, Spanien, Südkorea und der Libanon. Die Argumente zum Tragen eines Mundschutzes sind mehr geworden, ebenso die Studien dazu. Aber in Schweden sieht die Gesundheitsbehörde weiter davon ab, einen Mundschutz zu empfehlen. Er könnte die Leute in falscher Sicherheit wiegen, sagt die Behörde. Aber welche Beweise gibt es dafür, dass Menschen mit Mundschutz größere Risiken eingehen?»


«Süddeutsche Zeitung» zur Verfassungsreform in Russland

Je weniger Antworten der Kreml auf die Probleme im Land findet, desto lieber zieht er sich auf vergangene Erfolge zurück.

Die Verfassungsreform hilft dabei: Sie konserviert. Sie verewigt die Werte, die Putin für Russland ausgesucht hat. Sie stellt ihn auf einen entrückten Platz, an dem er darauf warten kann, in die Geschichte einzugehen. Jeden anderen Präsidenten beschränkt die veränderte Verfassung auf zwei Amtszeiten. Putin selbst erlaubt sie insgesamt sechs. Für die Russen gilt: Wer für die Reform stimmt, schafft sich als freier Wähler ein Stückchen selber ab. Wer auf Wandel hofft, sucht immer häufiger woanders danach. Mehr als die Hälfte der Russen zwischen 18 und 24 denken übers Auswandern nach. Vielleicht liegt es an dieser Resignation, dass große Proteste gegen die Verfassungsreform ausblieben. Putin wird seine Mehrheit bekommen. Und alles bleibt beim Alten.


«24 Tschassa»: Kontrolle im Kampf gegen das Coronavirus muss sein

SOFIA: Die bulgarische Zeitung «24 Tschassa» warnt am Dienstag vor einer Vernachlässigung der Kontrolle im Kampf gegen das Coronavirus:

«Sollte sich jemand fragen, wo die Achillesferse (verwundbare Stelle) unseres Lebens ist, ist die Antwort einfach und leicht: bei der Kontrolle. So gut die Gesetze und Verordnungen auch sein mögen, sind die Ergebnisse gering und steuern sogar auf Null zu. Die Entwicklung des Coronavirus in Bulgarien bewies dies wieder einmal. Bulgarien zählte zu den Staaten mit den besten (Corona)Werten, mit geringen Zahlen von Neuerkrankungen und Todesopfern. Sehr bald können wir aber erneut im Ausnahmezustand aufwachen. Dann wird die Wirtschaft neue schwere Schläge erleiden. Ferien, Meer und den Sommer überhaupt können wir dann ganz vergessen. Warum kam es soweit? Weil viele Menschen die Schutzgebote (im Kampf gegen das Coronavirus) nicht beachten. (...) Deswegen ist eine strenge Kontrolle die Lösung.»


«El País»: Theoretisch müsste auch Grab Napoleons entfernt werden

MADRID: Die spanische Zeitung «El País» kommentiert am Dienstag die Diskussion über die Entfernung von Denkmälern für historische Persönlichkeiten, die von der Sklaverei profitierten oder sie förderten:

«Wenn die Bewegung gegen den Rassismus Erfolg hat, werden die Denkmäler ihrer prominentesten Vertreter unweigerlich verschwinden. Dazu gehört auch (der frühere belgische König) Leopold II., Chef eines Kolonialunternehmens (im Kongo), das Millionen Menschen das Leben kostete, die einer entsetzlichen Ausbeutung und Grausamkeit ausgesetzt waren. (...) Unklar ist jedoch, wo die Grenze gezogen werden soll, da das Entfernen von Hinweisen auf jemanden, der mit der Sklaverei einverstanden war, auch den Abbau des Grabes von Napoleon Bonaparte bedeuten würde, der die Sklaverei 1802 in Frankreich wieder eingeführt hatte, oder den Sturz von Statuen amerikanischer Gründerväter, die (Sklaven-) Plantagen besaßen, wie es mit George Washington gerade beginnt.

Andererseits gehören Statuen zum gemeinsamen Erbe, nicht nur wegen ihres künstlerischen Wertes, sondern auch als Teil einer aus dem Kontext ihrer Zeit zu verstehenden Geschichte, was nicht heißt, ihre dunklen Seiten zu ignorieren. (...) In diesem Sinne wäre es besser, diese Zeugen zu erhalten und sie mit Erklärungen zu versehen, wie und warum sie errichtet wurden. Wenn die offenen Wunden eine solche Einordnung an ihrem angestammten Platz unmöglich machen, sollten sie nicht zerstört, sondern in Museen gebracht werden. In Moskau und Budapest wurden Skulpturen aus der kommunistischen Zeit in Parks gebracht, die den Besucher mit ihrem proletarischen Realismus überwältigen. In jedem Fall muss der Umgang mit der historischen Erinnerung und dem geschichtlichen Erbe die Vielfalt der Deutungen respektieren und darf nicht der Versuchung erliegen, in autoritäre Belehrungen zu verfallen.»


«Tages-Anzeiger»: Gesichtswahrende Lösung für EU und Großbritannien?

ZÜRICH: Vor der nächsten Verhandlungsrunde mit der EU hat die britische Regierung anscheinend über die Zeitschrift «Spectator» einen neuen Vorschlag lanciert. Dazu heißt es am Dienstag im Zürcher «Tages-Anzeiger»:

«Die Idee, dass Großbritannien das Recht erhält, sich künftig von den EU-Wettbewerbsregeln zu lösen, hat etwas. Für diesen Fall soll Brüssel das Recht bekommen, Zölle auf britische Produkte zu verhängen. Beide Seiten hätten damit eine gesichtswahrende Lösung erreicht - und Zölle fürs Erste verhindert.

So könnten beide Seiten zu Recht behaupten, dass sie sich in den Verhandlungen durchgesetzt hätten. Brüssel könnte sagen, dass Großbritannien sich an die fairen Wettbewerbsregeln der EU hält - und wenn es das nicht tut, die Option von Vergeltungszöllen besteht. Das Königreich könnte wiederum sagen, dass es als souveräne Nation allein darüber bestimmt, welche Regeln es befolgt. Die EU sollte die Idee als Ausgangspunkt für die nächste Verhandlungsrunde nehmen. Vorausgesetzt, die britische Regierung unterbreitet diesen Vorschlag ganz offiziell.»


«De Telegraaf»: Polizisten zu Verdächtigen gemacht

AMSTERDAM: Zu den politischen Reaktionen auf die Stuttgarter Chaos-Nacht heißt es am Dienstag in der niederländischen Zeitung «De Telegraaf»:

«Ganz Deutschland fragt sich verzweifelt, was das genau für Aufrührer waren, die Stuttgart mit stundenlangen mit Krawallen und Plünderungen heimgesucht haben. Das sei ein «Alarmsignal für den Rechtsstaat», erklärte Bundesinnenminister Horst Seehofer besorgt bei einem Besuch vor Ort. Was er im Bundesland Baden-Württemberg in Begleitung seines CDU-Parteifreundes Thomas Strobl zu sehen bekam, war ein Bild der Verwüstung. (...) Selbst die Verteidigungsministerin und CDU-Vorsitzende Annegret Kramp-Karrenbauer forderte, dass die Gewalttaten Folgen haben müssten. Linke Politiker, unter ihnen die SPD-Vorsitzende, erklärten hingegen, dass es bei der Polizei viel Rassismus gebe, womit sie Tausende von Polizisten zu Verdächtigen machten.»


«De Standaard»: EU verlangt von China grundlegende Reformen

BRÜSSEL: Zur Videokonferenz der EU-Spitzen mit der chinesischen Führung heißt es am Dienstag in der belgischen Zeitung «De Standaard»:

«Das virtuelle Spitzentreffen zwischen Vertretern Chinas und der Europäischen Union ist ohne gemeinsame Erklärung beendet worden. Das ist ein Tiefpunkt, denn es zeigt, dass beide Partner bei keiner fundamentalen Frage einer Meinung waren. (...) Dennoch ist der offenkundige Mangel an Ergebnissen eine gute Nachricht. Das bedeutet, dass die EU nicht länger auf symbolische Erklärungen ohne konkrete Resultate fixiert ist. (...)

Die EU will, dass China seine Subventionen an Staatsbetriebe im industriellen Sektor ernsthaft überarbeitet, europäischen Unternehmen einen ehrlich Marktzugang ermöglicht und den erzwungenen Technologietransfer beendet. Kurzum: Die EU fordert grundlegende Reformen der chinesischen Wirtschaft. Das sind große Ambitionen, aber damit schließt sich die EU eindeutig den Forderungen Australiens und selbst der USA an.»


«Wedomosti»: Prozess gegen Regisseur Serebrennikow wie unter Stalin

MOSKAU: Zur drohenden sechsjährigen Haftstrafe für den russischen Starregisseur Kirill Serebrennikow schreibt die Moskauer Tageszeitung «Wedomosti» am Dienstag:

«Einige Handlungen der Sicherheitsstrukturen gegen die Vertreter der Wissenschaft und Kultur erinnern an die Praktiken der Stalin-Zeit (.) Am 22. Juni nun hat die Staatsanwaltschaft für den der Unterschlagung beschuldigten Theaterregisseur Kirill Serebrennikow sechs Jahre Straflager beantragt. Eine solche Absicht, diesen weltweit bekannten Regisseur einzubuchten, zeigt wahrscheinlich, dass die Hardliner die Gelegenheit nutzen wollen (.), einen neuen Gefängnisstaat zu errichten wie zu Stalins Zeiten. In den Gulags entstanden damals aber auch Theater, die eine große Geschichte mit Berühmtheiten hervorbrachten.»


«The Guardian»: Labour sollte Gunst der Stunde nutzen

LONDON: Der Londoner «Guardian» beschäftigt sich am Dienstag mit den Chancen der Labour-Partei, eines Tages wieder die Regierung zu stellen:

«Zu sagen, die Labour-Partei habe nach ihrer desaströsen Niederlage von 2019 einen Berg an Arbeit vor sich, kommt der Behauptung gleich, dass es sich beim Mount Everest lediglich um einen recht steilen Hügel handelt. Um bei der nächsten Wahl eine Mehrheit von einem Sitz zu erringen, müsste die Opposition 123 zusätzliche Abgeordnetenmandate gewinnen, was einem Sprung von 60 Prozent ihrer parlamentarischen Stärke entsprechen würde. Ein solches Kunststück hat noch keine größere Partei je geschafft. (...)

Großbritannien steht davor, in schweres wirtschaftliches Fahrwasser zu geraten. Aber der Kapitän des Schiffes ist kaum auf der Brücke zu sehen. Labour-Chef Keir Starmer hat Führungsstärke gezeigt, während Premier Boris Johnson versagte. Labour hat jetzt die Chance, die Gunst der Stunde zu nutzen, um die Zukunft zu gestalten. Aber langfristig muss Labour den Wählern ein gemeinsames Ziel aufzeigen, um so die Solidarität zu erlangen, die notwendig ist, um künftige Herausforderungen bestehen zu können.»


«Iswestija»: Russlands Militärparade übertrifft alle bisherigen

MOSKAU: Zu Russlands Militärparade 75 Jahre nach dem Sieg der Sowjetunion über Hitler-Deutschland an diesem Mittwoch schreibt die russische Tageszeitung «Iswestija» am Dienstag:

«Auf dem Roten Platz wird am 24. Juni Kampftechnik gezeigt, die bisher noch nie in der Öffentlichkeit zu sehen war. Die Parade in Moskau zum 75-Jährigen des Sieges übertrifft alle Ereignisse der vergangenen Jahre. Bei den Feierlichkeiten wird es viele Anklänge an die erste Parade von 1945 geben. Das ist der historische Teil. Aber vor allem werden unter den mehr als 200 Militärmaschinen die modernsten technischen Errungenschaften zu sehen sein. Einige sind bis heute nicht einmal vorgestellt worden. Niemand hat bisher Fotos davon gesehen (...). Gezeigt wird etwa das modernisierte Flugabwehrsystem Panzir-SM, das ein besseres Radar hat und mit Hyperschallraketen ausgestattet ist. Und zum ersten Mal öffentlich gezeigt werden auch seine neuen kleinkalibrigen Geschosse für den Kampf gegen kleine Drohnen und nicht lenkbare Raketen.»


«NZZ»: Anzeige gegen «taz»-Journalistin wäre fatales Signal

ZÜRICH: Zu einer möglichen Anzeige von Innenminister Horst Seehofer gegen eine «taz»-Autorin meint die «Neue Zürcher Zeitung» am Dienstag:

«Ja, die Wortwahl ist geschmacklos. Sie übersteigt deutlich das, was Leser von der links ausgerichteten, sonst vielfach scharfsinnigen «taz» gewohnt sind. Kritik an dem Text gab es zuhauf, von Lesern, Journalistenkollegen, von Politikern sämtlicher Parteien. (...)

Eine Anzeige gegen eine Journalistin aber ist mehr als billige Effekthascherei. Sie wäre ein fatales Signal für die Freiheit der Presse. Als Innenminister ist Seehofer für den Schutz der Beamten zuständig, aber auch für den Schutz der Verfassung und die durch sie garantierte Pressefreiheit. Es ist gerade die Polizei, die im Zweifelsfall die freie Arbeit der Presse garantieren muss - etwa, indem sie Journalisten bei Demonstrationen schützt. Wenn der Eindruck entstünde, die Belange der Polizei stünden über denen der Presse, wäre das desaströs.»


«L'Alsace»: Unbedachtheit lässt uns das Virus nicht bekämpfen

MÜLHAUSEN: Das Verhalten der Menschen nach weiteren Lockerungen der coronabedingten Beschränkungen in Frankreich kommentiert die französische Tageszeitung «L'Alsace» am Dienstag:

«Die Geschichte von Covid-19 hat gezeigt, dass sich die Situation sehr schnell in eine vorteilhafte, aber auch in eine unvorteilhafte Richtung wandeln kann. Auch wenn die Epidemie in Frankreich und einem großen Teil Europas zurückgeht, ist dies nicht der Fall überall auf dem Planeten. Weit davon entfernt. Die USA, Lateinamerika aber auch einige Länder, die am Rande Europas liegen, wie zum Beispiel die Maghreb-Länder oder einige französische Überseegebiete, erfahren eine gesundheitliche Situation, die von ihnen verlangt, weiterhin vorsichtig zu sein. (...) Die menschliche Natur ist aber so gemacht, dass einige Franzosen die Verwüstung vergessen zu haben scheinen, die das Virus verursacht hat. Die Welt von vor Covid-19 hat sich wieder breit gemacht. (...) Die Franzosen, die verlangen, dass man sich verantwortungsbewusst verhält, sind manchmal die, die mit unbeschwerter Leichtigkeit agieren. Hoffen wir, dass das Land dafür keinen hohen Preis zahlen muss.»

Überzeugen Sie sich von unserem Online-Abo:
Die Druckausgabe als voll farbiges PDF-Magazin weltweit herunterladen, alle Artikel vollständig lesen, im Archiv stöbern und tagesaktuelle Nachrichten per E-Mail erhalten.
Pflichtfelder

Es sind keine Kommentare zum Artikel vorhanden, bitte schreiben Sie doch den ersten Kommentar.