Zeitungen kommentieren das Weltgeschehen am Dienstag

Foto: Adobe Stock/©elis Lasop
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«Süddeutsche Zeitung» zu nächtliche Ausgangssperren

Nun auch noch den Abendspaziergang zu verbieten, ist ein eklatanter Eingriff in die Freiheitsrechte.

Er wäre nur zur rechtfertigen, wenn es dafür absolut zwingende wissenschaftliche Gründe gäbe - und das ist nicht der Fall. Sich im Freien anzustecken, ist grundsätzlich sehr unwahrscheinlich, wie Aerosol-Forscher sagen. Ohnehin ist das Verbot, allein oder mit der Familie abends um den Block zu laufen, eher ein Kollateralschaden der Pandemiebekämpfung. Was die Politik damit verhindern will, ist ja offensichtlich: Erstens, dass sich Jugendliche abends treffen und dabei Abstand und Maskenpflicht vergessen. Und zweitens, dass Menschen abends zu Verabredungen in privaten Räumen unterwegs sind. Denn genau dort gibt es ein hohes Infektionsrisiko. Diesen Problemen mit einer Ausgangssperre zu begegnen, basiert allerdings auf der Vorstellung, dass die Leute vernünftig handeln. Nur: So sind Menschen eben nicht.


«Washington Post»: Nichts aus dem Tod von George Floyd gelernt

WASHINGTON: Nach dem erneuten Tod eines jungen Schwarzen und der Misshandlung eines weiteren Schwarzen bei Verkehrskontrollen in den USA schreibt die «Washington Post»:

«Man kann sicher sagen, dass niemand es mag, von der Polizei angehalten zu werden. Aber für schwarze und (andere nicht-weiße) Menschen gibt es dabei zusätzliches Grauen, Angst und Gefahr. Das schockierende Video eines schwarzen Leutnants der US-Streitkräfte, der während einer Verkehrskontrolle in (dem US-Staat) Virginia mit vorgehaltener Waffe festgehalten und von der Polizei mit Pfefferspray besprüht wurde, und der tödliche Schuss auf einen schwarzen Mann durch die Polizei in Minnesota (...) rücken einmal mehr die Probleme ins Licht, wie die Polizei mit nicht-weißen Menschen umgeht (...).

Die Veröffentlichung der Videos, wie Caron Nazario in Windsor, Virginia, von der Polizei misshandelt wurde und der Tötung von Daunte Wright in einem Vorort von Minneapolis am Sonntag fallen zusammen mit dem Prozess gegen einen früheren Polizisten, der für den Mord an George Floyd angeklagt ist. Ein Fall, der augenscheinlich eine nationale Abrechnung mit ethnischen Ungerechtigkeiten in der Polizeiarbeit auslöste. Hat man nichts aus dieser Tragödie gelernt? Denkt die Polizei, sie kann ungestraft handeln? Warum geschehen diese Dinge immer noch? (...) Teile der Polizei sind traditionell darauf trainiert worden, zu denken, sie müssen um jeden Preis gewinnen. Aber diese Kosten sind viel zu hoch.»


«Lidove noviny»: Kein Bruch mit dem Merkel-Kurs

PRAG: Zur Frage der Kanzlerkandidatur in der deutschen Union aus CDU und CSU schreibt die konservative Zeitung «Lidove noviny» aus Tschechien am Dienstag:

«Hat eine konservative Partei die größten Chancen mit einer eindeutig konservativen Politik und einem Anführer, der diese Ausrichtung vertritt? Oder verspricht eine Politik mehr Erfolg, die sich eher an den gesellschaftlichen Stimmungen der Zeit ausrichtet - mit einem Spitzenkandidaten, dessen Meinungen nicht festbetoniert sind, den die Medien aber als cool anpreisen? Angela Merkel ging immer den zweiten der beiden beschriebenen Wege und war damit erfolgreich. Die Stafette des Fortsetzers dieser Tradition trägt derzeit Armin Laschet, während Markus Söder für Veränderungen stehen soll. Doch wenn sich unter den Konservativen wirklich ernsthafter Widerstand gegen den bestehenden Kurs geregt hätte, wäre im Januar nicht Laschet, sondern Friedrich Merz zum CDU-Vorsitzenden gewählt worden.»


«La Repubblica»: «Sofagate» könnte Michel in schwierige Lage bringen

ROM: Mit Blick auf das Verhältnis zwischen EU-Kommissionschefin Ursula von der Leyen und EU-Ratspräsident Charles Michel nach dem Treffen mit dem türkischen Staatschef Recep Tayyip Erdogan schreibt die italienische Zeitung «La Repubblica» aus Rom am Dienstag:

«Im Moment erscheint es schwierig, dass das sogenannte Sofagate EU-Ratspräsident Charles Michel zum Rücktritt zwingen könnte, ein Schritt, der die Institutionen der Union erschüttern und Erdogans Muskeln anschwellen lassen würde. In Brüssel geistert jedoch die Ungewissheit, für viele sogar die Sicherheit, dass das, was Michel, der sitzen blieb, während seine Kollegin keinen Platz hatte, tat, keine Ungeschicklichkeit war, sondern dass er sich des Formats des Gipfeltreffens mit Erdogan bewusst war. (...) Das Motiv könnte die Versessenheit des Belgiers sein, den Vorrang in der Außenpolitik gegenüber der Kommissionschefin zu demonstrieren. Das ist die Überzeugung, die mit Beharrlichkeit kursiert. Wenn es für diese Lesart eine Bestätigung geben würde, würde Michels Position noch schwieriger werden.»


«Star Tribune»: Nation hat Narben vom Tod Schwarzer durch Polizei

MINNEAPOLIS: Zum Tod eines weiteren Schwarzen bei einem Polizeieinsatz im US-Bundesstaat Minnesota vom Sonntag und den anschließenden Protesten schreibt die «Star Tribune» aus Minneapolis:

«Ein weiterer junger Schwarzer stirbt durch die Polizei, diesmal in Brooklyn Center (nördlich von Minneapolis). Und wir bleiben wütend und trauernd darüber zurück, dass eine Verkehrskontrolle mit einem weiteren sinnlosen Verlust von Leben endet.(...)

Die Polizei von Brooklyn Center hat laut Star-Tribune-Berichten seit 2012 sechs Menschen getötet, und fünf der sechs waren nicht-weiße Männer. Dieses Problem ist jedoch nicht auf Brooklyn Center beschränkt. Oder auf Minneapolis, wo der Beamte der Polizei von Minneapolis, der mehr als neun Minuten lang auf George Floyd kniete, wegen Floyds Tod vor Gericht steht.

Die ganze Nation hat Narben vom Tod schwarzer Männer, die bei Interaktionen mit der Polizei getötet wurden. Aber der Schmerz, der gerade durch diese Gemeinschaft fließt, ist fast unvorstellbar. Er muss irgendwo sein Ventil finden (...)

Was jedoch nicht passieren darf, ist eine zweite Nacht der Zerstörung von Eigentum, die am späten Sonntag und am frühen Montag weit über Brooklyn hinausging. Es gibt einen Unterschied zwischen Protest, sogar wütendem Protest und mutwilliger Zerstörung und Plünderung.»


«El Mundo»: Gute Nachricht aus Ecuador, aber Peru am Abgrund

MADRID: Zu den Ergebnissen der Präsidentschaftswahlen in den südamerikanischen Nachbarländern Ecuador und Peru schreibt die spanische Zeitung «El Mundo» am Dienstag:

«Der überraschende Sieg des konservativen Kandidaten Guillermo Lasso bei den Präsidentschaftswahlen in Ecuador nach einer historischen Aufholjagd ist eine gute Nachricht für alle, die sich für liberale Demokratie, Rechtsstaatlichkeit und starke Institutionen einsetzen, angesichts der populistischen Abdrift, die dem südamerikanischen Subkontinent so viel Schaden zugefügt hat und weiterhin zufügt (...)

Das Nachbarland Peru nähert sich unterdessen mit einem sehr besorgniserregenden politischen Szenario dem Abgrund. Denn alles deutet darauf hin, dass die Kandidaten der beiden extremsten Parteien im zweiten Wahlgang um die Präsidentschaft des Landes konkurrieren werden: Pedro Castillo, Vertreter der radikalsten Linken in der Umlaufbahn des Chavismus, glaubt nicht an das System und strebt eine neue Verfassung nach dem Muster derjenigen von Hugo Chávez (in Venezuela) an. Und Keiko Fujimori, die Tochter des ehemaligen Präsidenten, die an der Spitze einer autoritären und korrupten Plattform steht, die ebenfalls ein Fluch für das Land wäre. Die starke Polarisierung stürzt die Peruaner in eine politische Ungewissheit, die die enormen Probleme, unter denen sie bereits leiden, weiter verschärfen wird.»


«de Volkskrant»: Ein Bundeskanzler mit bayerischem Dialekt?

AMSTERDAM: Zum Streit der Unionsparteien um die Kanzlerkandidatur heißt es am Dienstag in der niederländischen Zeitung «de Volkskrant»:

«Die CDU/CSU, die unter Führung von Angela Merkel bereits 16 Jahre regiert, ist in Eile. Bevor ein öffentlicher Streit die angeschlagenen Christdemokraten noch weiter zerrüttet, muss der Gordische Knoten durchschlagen werden. (...) Vielleicht geschieht das bei einem verbalen Hahnenkampf zwischen den beiden Kandidaten. Doch je länger es bis einem Beschluss dauert und je tiefer die Christdemokraten in den Umfragen absinken, desto pragmatischer dürften die Abgeordneten der CDU werden. Am Dienstag berät die CDU/CSU-Fraktion über die Frage der Kanzlerkandidatur. Dabei dürften die Abgeordneten abwägen, mit welchem Szenario sie besser leben können: Der Verlust ihres Mandats bei der kommenden Bundestagswahl oder ein Bundeskanzler mit einem bayerischen Dialekt.»


«Dagens Nyheter»: Viele Saboteure beim Atomabkommen mit dem Iran

STOCKHOLM: Die liberale schwedische Tageszeitung «Dagens Nyheter» (Stockholm) kommentiert am Dienstag den mutmaßlichen Angriff auf die Atomanlage Natans im Iran und die wiederaufgenommenen Verhandlungen über das Atomabkommen mit Teheran in Wien:

«Was genau in Natans passiert ist, wird die Welt vielleicht niemals wissen, weil die Beteiligten nicht drüber sprechen wollen. Der israelische Geheimdienst wird jedenfalls als Verantwortlicher bezeichnet. Während US-Präsident Joe Biden die Ambition hat, das internationale Atomabkommen wieder in Gang zu bringen, haben Israel und besonders Ministerpräsident Benjamin Netanjahu kein Interesse daran. Für diejenigen, die den Iran als tödliche Bedrohung betrachten, wäre eine Sabotage in Natans logisch. Die reaktionärsten und dem Westen am feindlichsten eingestellten Elemente innerhalb der iranischen Theokratie wollen das Abkommen ebenfalls töten. Guter Wille wird also nicht reichen, um dem Abkommen neues Leben einzuhauchen. Die iranischen Kernwaffenpläne müssen gebändigt werden, und deshalb ist es einen Versuch wert. Aber die Feinde sind viele.»


«DNA»: Boris Johnson opfert Frieden für politische Ziele

STRAßBURG: Zu den Ausschreitungen in Nordirland und der Rolle des britischen Premierministers Boris Johnson schreibt die ostfranzösische Regionalzeitung «Dernières Nouvelles d'Alsace» (DNA) am Dienstag:

«Boris Johnson und die Befürworter eines harten Brexits haben den Kompromiss, den (die damalige Premierministerin) Teresa May 2018 geschlossen hat, im Keim erstickt. Dieser ermöglichte es Großbritannien, die (Europäische) Union zu verlassen, gleichzeitig aber Teil der europäischen Zollunion zu bleiben - und damit die Wiederherstellung einer Grenze in Irland zu vermeiden. Nun riskieren sie, dieses zerbrechliche Gleichgewicht zu zerstören.

Premierminister (Johnson) hat sich dazu entschlossen, den Frieden für seine politischen Ziele zu opfern. Während er mit der Hand auf dem Herzen schwor, dass es zu seinen Lebzeiten nie mehr eine Grenze zwischen Irland und England geben werde, unterschrieb er gleichzeitig die Errichtung einer Zollschranke auf See. Die Nordiren werden somit an den Rand des Königreiches gedrängt.»


«The Telegraph»: Ukraine-Konflikt droht zu eskalieren

LONDON: Zum Ukraine-Konflikt meint die britische Tageszeitung «The Telegraph» am Dienstag:

«Russlands Pläne für die Ostukraine sind seit Jahren offensichtlich. Moskau hat bereits einen Stellvertreterkrieg geführt, indem es Separatisten in einem Konflikt unterstützte, der mehr als 14.000 Tote gefordert hat. Putin betrachtet die völkerrechtswidrige Annexion der zur Ukraine gehörenden Krim als einen der Höhepunkte seiner langjährigen Präsidentschaft.

In der Tat sind es möglicherweise die Zustände auf der Krim, die die aktuelle Konfrontation anheizen. Die Region leidet unter akutem Wassermangel, nachdem die Ukraine ein Kanalsystem abgesperrt hat, das für 85 Prozent der Versorgung der ohnehin schon trockenen Region verantwortlich ist. (...)

Engpässe bei Rohstoffen und lebenswichtigen Gütern wie Wasser waren in der Vergangenheit Auslöser für Kriege. Und der Westen muss sich bewusst sein, dass dies zu einem ausgewachsenen Konflikt werden könnte. Dies wird als erster großer außenpolitischer Test für US-Präsident Joe Biden gesehen. Aber vor allem ist es eine Angelegenheit Europas. Sind dessen Spitzenpolitiker bereit, Präsident Wladimir Putin die Stirn zu bieten?»


«Dziennik»: Mit Laschet würde sich für Polen nichts ändern

WARSCHAU: Zur Unterstützung der CDU für Armin Laschet als Kanzlerkandidaten schreibt die polnische Wirtschaftszeitung «Dziennik Gazeta Prawna» am Dienstag:

«Beim politischen Gipfel in unserem westlichen Nachbarland steht derzeit nur eines fest: Angela Merkel wird nach 16 Jahren auf dem Kanzlersessel abtreten, «Mutti» wird Deutschland nach der Wahl im Herbst nicht mehr führen. Aber niemand weiß, wer der nächste Regierungschef wird. Wenn es nicht zu einem politischen Erdbeben kommt, werden entweder die Christdemokraten oder die Grünen den Kanzler stellen.

Bei den Christdemokraten kämpften der vor einigen Wochen gewählte CDU-Parteichef Armin Laschet und der Vorsitzende der bayersichen Schwesterpartei CSU, Markus Söder. Gestern Abend hat das CDU-Präsidium sich jedoch hinter Laschet gestellt. Was würde eine Kanzlerkandidatur Laschets für Polen bedeuten? In der Kernfrage der deutsch-polnischen Beziehungen, dem Bau der Ostseepipeline Nord Stream 2, wird es keine Veränderungen geben. Dieser Politiker stammt aus dem an Frankreich angrenzenden Rheinland und hat keine größere Erfahrungen oder Kenntnisse über Ost- und Mitteleuropa.»


«NZZ»: Söders Rückzug wäre klug

ZÜRICH: Zum Ringen um die Kanzlerkandidatur der Union meint die «Neue Zürcher Zeitung» am Dienstag:

«Wenn Söder nicht rasch Platz macht, läuft er Gefahr, neben Laschet auch das politisch einmalige und historisch höchst erfolgreiche Modell der bürgerlichen Schwesterparteien zu beschädigen. Denn jeder Weg, der noch irgendwie zu einer Kandidatur des Bayern führen könnte, würde nach diesem Montag den versammelten CDU-Vorstand und das Präsidium der Partei dumm dastehen lassen: Wir lagen alle falsch, wäre die erste Botschaft. Wir haben den falschen Vorsitzenden, wäre die zweite. Und das fünfeinhalb Monate vor der Wahl. Die CDU würde sich lächerlich machen.(...)

Wäre Markus Söder imstande, seinen brennenden Ehrgeiz abzukühlen, dann würde er vielleicht erkennen, weshalb es sich auch machtpolitisch für ihn auszahlen könnte, Laschet jetzt den Vortritt zu lassen. Falls der Aachener kandidiert und im Herbst verliert, könnte Söder in vier Jahren wieder die Hand heben; jung genug ist er mit seinen 54 Jahren. So hat es Angela Merkel unter umgekehrten Vorzeichen auch einmal gemacht. Und die Geschichte ging, wie so vieles, in ihrem Sinne aus.»


«Kommersant»: Söder hat Duell mit Laschet lange hinausgezögert

MOSKAU: Zum Ringen um die Kanzlerkandidatur der Union schreibt die russische Tageszeitung «Kommersant» am Dienstag:

«Da Angela Merkel nicht für eine fünfte Amtszeit kandidiert, ist die Antwort auf die Frage, wer der Union vorsteht, nicht mehr so klar. Markus Söder (CSU) hat das letzte entscheidende Duell mit dem CDU-Kandidaten lange hinausgezögert. Er vermied Aussagen über seine Zukunft und behauptete, sein Platz sei in Bayern. Am Sonntag änderte Herr Söder schließlich seine Haltung und beanspruchte die Führungsrolle. Doch Armin Laschet hat nicht vor, aufzugeben. Er meinte, dass er mit dem bayerischen Ministerpräsidenten übereinstimme, dass die Konservativen eine Lösung bräuchten. Doch zu wessen Gunsten eine Entscheidung getroffen werden soll, darüber gehen die Ansichten offenbar weit auseinander.»


«De Standaard»: Bei K-Frage geht es um die Egos von zwei Männern

BRÜSSEL: Zum Ringen um die Kanzlerkandidatur der Unionsparteien heißt es am Dienstag in der belgischen Zeitung «De Standaard»:

«In den Reihen der CDU kratzen sich viele nachdenklich hinter den Ohren, weil sie merken, dass Armin Laschet nicht der würdige Nachfolger von Angela Merkel ist, den die Union jetzt braucht. Einige Verbände haben bereits offen ihre Unterstützung für Markus Söder zum Ausdruck gebracht, andere finden es nicht richtig, den eigenen Parteivorsitzenden fallen zu lassen. Aber alle wollen, dass die K-Frage - die Frage, wer Kanzlerkandidat wird - schnell beantwortet wird. (...)

Was jeder wusste, ist jetzt klar: Es geht nicht mehr um die Interessen der Partei, sondern um die Egos von zwei Männern. Die anderen Parteien beobachten diesen Hahnenkampf unterdessen mit Fassungslosigkeit. Sie finden es unangebracht, dass sich die wichtigste politische Familie des Landes in Corona-Zeiten nur mit ihren internen politischen Personalproblemen beschäftigt.»


«Tages-Anzeiger»: Laschet könnte die Union in die Tiefe ziehen

ZÜRICH: Zum Ringen um die Kanzlerkandidatur von CDU/CSU schreibt der Zürcher «Tages-Anzeiger» am Dienstag:

«Nicht einmal jeder fünfte Deutsche hält Laschet für einen guten Kanzlerkandidaten. In einer Partei, die normalerweise Wahlergebnisse von 35 Prozent oder mehr für standesgemäß hält, ist das nicht schlecht, sondern verheerend.

In der CDU hoffen viele darauf, dass Laschets Werte schon noch steigen würden, sollte der Unmut über die Bewältigung der Pandemie und die Korruptionsskandale im Sommer mal abflauen. Sicher ist das keineswegs. Die Beispiele für demoskopische Wiederauferstehungen in der deutschen Politik sind eher selten.

Bleibt an Laschet der Ruf des «Laschen» kleben, wird von ihm im Wahlkampf kaum jenes Signal des kraftvollen Neubeginns ausgehen, das die Union so dringend benötigt, um ihre Ambition am Ende der Ära Merkel zu untermauern. Dafür könnte sich schleichend jene gefährliche Wechselstimmung einstellen, vor der Söder kürzlich warnte.

Ausserhalb der CDU wissen es eigentlich alle: Eine Lokomotive für den Wahlkampf wird Laschet wohl nicht werden. Im schlimmsten Fall wird er zum Bleigewicht, das die Union in die Tiefe zieht.»


«Rzeczpospolita»: Die lange Auswahl des Kanzlerkandidaten

WARSCHAU: Zum Ringen um die Kanzlerkandidatur der Union schreibt die konservative polnische Zeitung «Rzeczpospolita» am Dienstag:

«In den vergangenen 16 Jahren war es keine Frage, wer von den CDU/CSU-Politikern im Bundestagswahlkampf an der Spitze stehen würde. Bei vier aufeinanderfolgenden Wahlen war Angela Merkel die zuverlässige Wahlkampflokomotive. Aber Merkel geht in Rente. Und etwas mehr als fünf Monate vor der Wahl im Herbst hat die CDU/CSU noch keinen Kanzlerkandidaten. Es gibt zwei Anwärter: Den CSU-Chef und bayerischen Ministerpräsidenten Markus Söder und den CDU-Chef und Ministerpräsidenten von Nordrhein-Westfalen, Armin Laschet.

Söder surft seit Monaten auf dem Gipfel der politischen Welle. Nach Merkel ist er der zweitbeliebteste deutsche Politiker. Theoretisch sollte also Söder die CDU/CSU zum erwarteten Sieg führen. Doch die CDU hat im ganzen Land viel mehr Anhänger als die nur in Bayern präsente CSU. Und viele Deutsche betrachten das katholische Bayern mit gewisser Distanz als Land mit abweichender Tradition. Außerdem haben die deutschen Wähler schon mehrfach gezeigt, dass sie Anhänger einer Kontinuität in der Politik sind. Zum Bild eines Bewahrers von Merkels Politik passt eher Armin Laschet.»


«Der Standard»: CDU für Laschet - der Geruch des kleineren Übels

WIEN: Zur Unterstützung der CDU für Armin Laschet als Kanzlerkandidaten schreibt die Wiener Zeitung «Der Standard»:

«Seine schlechten Umfragewerte machen Angst, es grassiert die Frage: Kann der das überhaupt? Daher lautete das Motto der chaotischen Kandidatenkür auch am Montag: Welcher ist denn das kleinere Übel? Mit wem richten wir den wenigsten Schaden im Wahlkampf an? Und natürlich wollte man den eigenen Chef auch nicht beschädigen, indem man sich in Söders bayerische Arme warf.

Wenn die CDU sich nicht hinter Laschet gestellt hätte, dann hätte das eine Kettenreaktion ausgelöst. Bei einem solchen Misstrauensvotum wäre Laschet nichts anderes übriggeblieben als der Rücktritt. Und dann wäre die CDU wieder ohne Chef dagestanden.

Das Votum für Laschet war also ein logisches und pflichtschuldiges. Doch Aufbruchsstimmung entsteht so keine. Vielmehr demonstrierte die Union in den vergangenen Wochen, wie unglaublich schwer sie sich damit tut, jene Lücke zu füllen, die Merkel nach der Bundestagswahl hinterlassen wird.»

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