Zeitungen kommentieren das Weltgeschehen am Dienstag

Foto: Adobe Stock/©elis Lasop
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«Der Standard»: Scholz führt in aller Ruhe

WIEN: Die Entscheidung von Kanzler Olaf Scholz (SPD) zur Lieferung von Leopard-2-Panzern an die Ukraine kommentiert die österreichische Zeitung «Der Standard»:

«Scholz hat eine Entscheidung von historischer Dimension getroffen. Deutschland wird nicht nur den EU-Partnern die Zustimmung zur Lieferung der Panzer erteilen. Berlin wird selbst Leoparden liefern, angesichts der Last der deutschen Geschichte nicht trivial. Noch wichtiger: Der Kanzler hat das eng mit den USA, mit Präsident Joe Biden, abgestimmt: Deutschland handelt nur im Gleichschritt mit dem transatlantischen Partner, nach vorheriger EU-Koordinierung. EU und Nato stehen fest zueinander.

Russlands Präsident Wladimir Putin sollte dieses Signal erkennen: Er kann die Ukraine nicht erobern. Der Westen lässt sie nicht im Stich. Die Behutsamkeit und Ruhe, die Scholz an den Tag legt, hat jenseits der Emotionen zu Krieg und Leid auch ihr Gutes. Er stärkt die westliche Allianz nachhaltig.»


«Berliner Morgenpost» zu Wohnungsbau

Berlin wird seine Ziele beim Wohnungsneubau verfehlen.

Immobilienentwickler und Wohnungskonzerne berichten von einem zusammengebrochenen Markt für Neubauprojekte. Was jetzt nicht angegangen wird, fehlt hinten raus bei den Fertigstellungen. Für alle, die jetzt und in Zukunft eine Bleibe suchen in Berlin, ist das keine gute Nachricht. Der Politik bleiben zwei Wege: Entweder sie erhöht massiv die Subventionen für den Wohnungsbau. Mit einer Milliarde Euro pro Jahr allein in Berlin wäre es wohl kaum getan. Oder sie senkt die Anforderungen nach energetischen Standards, verbilligten Mieten und Barrierefreiheit. Noch mehr als früher gilt: Zeit ist Geld. Ein neuer Senat muss dringend den Wohnungsbau wieder in die Gänge bringen. Dazu muss aber mehr kommen als das Mantra «Bauen, Bauen, Bauen.».


«Stuttgarter Zeitung» zur Parteienfinanzierung

Parteien sind so etwas wie Vorzimmer und Stammtische, Kreativzentren, Trainingslager und Personalagenturen der Demokratie.

Ohne sie wäre Demokratie nur ein Schlagwort, allenfalls ein Event. Parteien kümmern sich um ihren dauerhaften und regelmäßigen Betrieb. Das sind Gründe genug, weshalb der Staat die Parteien finanziell unterstützt. Allerdings darf der Staat nicht zum Selbstbedienungsladen der Parteien verkommen. Deshalb hat das Bundesverfassungsgericht nun deren überschießenden Ansprüchen einen Riegel vorgeschoben. Dazu war es höchste Zeit.


«Handelsblatt» zum erneuten Sparkurs bei Ford

Der US-Autokonzern hat einen neuen Sparkurs für seine defizitäre Europaabteilung ausgerufen und will deshalb den Stellenplan im Kölner Entwicklungszentrum zusammenstreichen.

Die US-Zentrale sieht die Zukunft in der stärkeren Konzentration der Entwicklungsarbeiten in den USA. Dort sollen verstärkt Weltautos entstehen. Für regionale Besonderheiten wie etwa in Europa bleibt damit weniger Platz. Auch europäische Kunden sollen sich künftig stärker am US-Geschmack orientieren. Ford war schon in den vergangenen Jahren in Deutschland und in anderen Ländern Europas nicht besonders erfolgreich. Wie der Autokonzern dann hierzulande neue Erfolge mit stärker in den USA entwickelten Modellen feiern will, das wissen wahrscheinlich auch die Ford-Manager selbst nicht so recht. (...) Auf längere Sicht werden sich die geplanten Stellenstreichungen im europäischen Entwicklungszentrum dramatisch auswirken. Der deutsche Ford-Stammsitz in Köln verliert die Garanten für eine gesicherte automobile Zukunft.


«Münchner Merkur» zu Parteienfinanzierung ist verfassungswidrig

Ein Knall hallt durch Berlin.

Es ist die schallende Ohrfeige des Verfassungsgerichts für Union und SPD. Die 2018 im Hauruckverfahren durchgeboxte erhöhte Parteienfinanzierung ist verfassungswidrig - mit der schlimmstmöglichen Begründung: Das Gesetz war unsauber, schlampig gemacht und schlecht gerechtfertigt, die Einsparpotenziale seien ignoriert worden. Was für ein Debakel! Damals wie heute galt: Deutschland profitiert von stabilen, auskömmlich finanzierten, nicht nur auf Spenden angewiesenen Parteien. Sie bündeln die auseinanderklaffenden Einzelinteressen zu Kompromissen. Erst durch sie wird ein 80-Millionen-Land regierbar. Länder mit weniger (USA) oder ständig kollabierenden Parteien (Italien) sind schlechter dran als wir. Letztlich ist es auch richtig, dass der Bundestag über die Höhe entscheidet, sie vielleicht auch anhebt. Was aber so fatal war 2018, war die Hast von Union und SPD, sich im Schatten der Fußball-WM schnell zig Millionen Euro mehr zuzuteilen. Während unangenehme Strukturprobleme, Stichwort aufgeblähter Bundestag, bis heute verschleppt wurden.


«Washington Post»: Biden sollte Reue über Geheimdokumente zeigen

WASHINGTON: Zu dem wiederholten Fund von Geheimdokumenten unter anderem im Privathaus von US-Präsident Joe Biden und seiner bisher nicht gezeigten Reue schreibt die «Washington Post»:

«Präsident Biden sagte am vergangenen Donnerstag, er habe nichts zu bereuen angesichts der zunehmend offensichtlichen falschen Handhabe von Geheimdokumenten. Am nächsten Tag durchsuchten FBI-Agenten 13 Stunden lang sein Privathaus in Wilmington, Delaware und stellten sechs weitere Objekte aus seiner Zeit im Senat und als Vizepräsident sicher. Dies war mindestens die fünfte Tranche geheimen Materials, das seit November an ungesicherten Orten entdeckt wurde, die von der Garage in Delaware, in der der Präsident seine Corvette parkt, bis zur Denkfabrik in Washington reichten, wo er während der Zeit zwischen der Obama-Regierung und seiner eigenen ein Büro unterhielt.(...)

Aber es gibt auch vieles, was wir in Bidens Fall noch nicht wissen, einschließlich der spezifischen Art der Dokumente (...). Es ist wichtig, dass Autoritätspersonen versuchen, die Regeln zu befolgen und ihre Fehler einzugestehen, wenn sie welche machen. Die Richtlinien des Justizministeriums besagen, dass kein amtierender Präsident angeklagt wird. Aber die maximal zulässige Transparenz ist wesentlich. Biden muss die Abwehrhaltung aufgeben. Zuzugeben, dass er Grund zur Reue hat, wäre ein guter Anfang.»


«Gazeta Wyborcza»: Ukrainer bezahlen für das «Scholzing» mit Blut

WARSCHAU: Die polnische Tageszeitung «Gazeta Wyborcza» befasst sich am Dienstag mit der Debatte um die Lieferung von Leopard-Kampfpanzern an die Ukraine:

«Zu Recht murren wir Polen über die Ausweichmanöver der Deutschen bei der Lieferung von Leopard-Kampfpanzer an die Ukraine. Das sogenannte «Scholzing» - die von Bundeskanzler Olaf Scholz angewandte Taktik, militärische Hilfe zu versprechen und sie dann hinauszuzögern - mag für ihn innenpolitisch nützlich sein. Aber man darf nicht vergessen, dass die Ukrainer, die sich gegen die russische Aggression verteidigen, für jede Verzögerung durch den Westen mit ihrem eigenen Blut bezahlen werden.

Dennoch ist die nächste Tranche der Militärhilfe für die Ukraine auch ohne deutsche Panzer mehr als großzügig. Die veränderte Haltung der Nato-Länder bedeutet jedoch nicht, dass die besorgniserregenden Signale verstummen. Trotz der Fotos der von den Russen in Butscha ermordeten Zivilisten, trotz der von russischen Raketen zerstörten Wohnhäuser, trotz der Gräueltaten, die nach Rache schreien, gibt es immer noch Politiker, die sofortige Friedensverhandlungen mit Russland fordern. Sie rechtfertigen dies naiv mit der Notwendigkeit, die Zivilbevölkerung zu schützen und das Blutvergießen zu beenden. Das ist die Lösung, von der Wladimir Putin träumt.»


«Lidove noviny»: Worauf wartet Deutschland?

PRAG: Zur Diskussion um die Lieferung westlicher Panzer an die von Russland angegriffene Ukraine schreibt die konservative Zeitung «Lidove noviny» aus Tschechien am Dienstag:

«Deutschland blockiert die Lieferung von Panzern an die Ukraine - oder auch nicht. Eigentlich weiß niemand mehr so richtig, was der stärkste europäische Staat erreichen will. Die Frage ist, worauf Deutschland wartet. Wartet die Bundesregierung darauf, wie Moskau reagieren wird, oder handelt sie einfach zögerlich? Dabei läuft uns die Zeit davon. Russland bereitet sich auf einen langen Krieg vor, während zugleich die Kriegsmüdigkeit im Westen zunimmt. Panzer und weitere Technik könnten der Ukraine helfen, die in wenigen Monaten erwartete russische Offensive zu stoppen, die Oberhand auf dem Schlachtfeld zu gewinnen, einen Teil der besetzten Gebiete zurückzuerobern und schließlich den Kreml zu Verhandlungen zu zwingen. Sollte Russland hingegen weiter militärisch vorankommen, wird es viel schwieriger sein, es zurückzudrängen und mit Friedensverhandlungen zu beginnen.»


«Jyllands-Posten»: Erdogans Methoden gehören nicht nach Europa

AARHUS: Die rechtsliberale dänische Tageszeitung «Jyllands-Posten» (Aarhus) kommentiert am Dienstag die auf den 14. Mai vorgezogenen Wahlen in der Türkei:

«Je näher die Türkei der nächsten Präsidentschaftswahl rückt, desto härter wird die Unterdrückung der Opposition. Jetzt steht das Wahldatum offiziell fest: der 14. Mai. Umso schamloser geht ein unter Druck stehender Präsident Recep Tayyip Erdogan gegen seine größten politischen Herausforderer vor. Er tritt nun als unverschleierter totalitärer Führer auf. Seine Methoden gehören einfach nicht nach Europa und schon gar nicht in die Nato. Die wichtigsten Oppositionsführer sitzen entweder im Gefängnis oder haben drakonische Urteile wegen reinen Bagatellen erhalten.

In diesem Licht muss man auch Erdogan unleidliche Quälerei mit Schwedens Nato-Mitgliedschaft sehen. Natürlich ist all das ein durchsichtiger Vorwand, um draußen einen Konflikt zu führen, während sich die Türken darauf vorbereiten, zur Wahl zu gehen. Der Westen sollte die Türkei aus seinem Kreis werfen und das Erdogan-Regime auf Eis legen. Aber der Westen kann derzeit nicht auf die Türkei verzichten. Ein hoher realpolitischer Preis muss dafür bezahlt werden, aber im Moment führt kaum ein Weg daran vorbei. Leider.»


«La Vanguardia»: Deutschland gibt Wasserstoff wichtigen Impuls

MADRID: Zur vereinbarten Verlängerung der geplanten Wasserstoff-Pipeline zwischen Spanien und dem südfranzösischen Marseille nach Deutschland schreibt die spanische Zeitung «La Vanguardia» am Dienstag:

«Die Beteiligung Deutschlands an diesem Projekt ist zweifellos ein sehr wichtiger Impuls für die schrittweise Einführung dieser sauberen Energie und damit auch für die endgültige Loslösung der Europäischen Union von der russischen Energie, von der sie seit vielen Jahrzehnten abhängig war. (...) Alles deutet darauf hin, dass Deutschland wegen der Größe seines Industriesektors jener europäische Staat sein wird, der letztendlich die meisten der aus iberischen Halbinsel stammenden Wasserstoffexporte empfangen wird. (...)

Der Krieg in der Ukraine hat die EU dazu gezwungen, nach alternativen Energiequellen zu suchen, die nicht einfach nur eine Zwischenlösung, sondern eine stabile und zukunftssichere Alternative zu russischem Gas und Öl darstellen und gleichzeitig den Kampf gegen den Klimanotstand unterstützen. Grüner Wasserstoff - der durch erneuerbare und emissionsfreie Energie erzeugt wird und fossile Brennstoffe in Sektoren wie der Industrie ersetzen kann - könnte ein wichtiger Teil der Lösung des europäischen Energieproblems sein.»


«The Irish Times»: Aktenfunde sind ein Problem für Biden

DUBLIN: Die in Dublin erscheinende «Irish Times» kommentiert am Dienstag die Entdeckung weiterer Geheimdokumente im Haus von US-Präsident Joe Biden:

«In der Politik spielt es kaum eine Rolle, dass sich die beiden Präsidenten sehr unterschiedlich verhalten haben. Trump scheint absichtlich Hunderte von Geheimdokumenten mitgenommen zu haben und prahlte damit, dass er die als «geheim» oder «vertraulich» gekennzeichneten Ordner als «coole Andenken» aufbewahrt. (...)

Biden übergab dem Justizministerium alle gefundenen Dokumente und bot an, die Durchsuchung seiner Wohnung zuzulassen. Dem Vernehmen nach wurden die weitaus weniger umfangreichen Unterlagen, von denen einige noch aus seiner Zeit im Senat stammen, von Mitarbeitern ohne Wissen des Präsidenten umgelagert.

Aber die Geschichte ist Wasser auf die «Stop Joe»-Mühle. Die Anschuldigungen stellen ein Problem für Bidens politisches Markenzeichen von Ehre und Anstand dar. Und das zu Beginn einer intensiveren, möglicherweise kämpferischen Zeit, in der ein prüfender Blick auf einen Präsidenten geworfen wird, der sich um seine Wiederwahl bemüht. Biden würde am Ende einer zweiten Amtszeit 86 Jahre alt werden, und schon jetzt werden selbst in seiner eigenen Partei die Argumente gegen seine Kandidatur immer lauter vorgetragen.»


«The Telegraph»: Nato muss bei Waffenlieferungen zusammenhalten

LONDON: Zur Debatte um die Lieferung von Panzern des Typs Leopard 2 an die Ukraine meint die britische Zeitung «The Telegraph» am Dienstag:

«Deutschlands Außenministerin Annalena Baerbock sagte, dass Berlin der Lieferung von Leopard-2-Panzern durch Polen an die Ukraine «nicht im Wege stehen» werde. Die Frage sei noch nicht gestellt worden und man werde sich nicht dagegen wehren, wenn sie gestellt werde. Dies sorgte für einige Verwirrung, da ihre Äußerungen im Widerspruch zu denen von Bundeskanzler Olaf Scholz standen. Das Kalkül könnte sein, dass Deutschland aus dem Schneider ist, wenn andere europäische Länder ihre eigenen Entscheidungen treffen, anstatt um Erlaubnis zu bitten. (...)

Die deutsche Zurückhaltung ist der Angst vor den unbekannten Folgen dessen geschuldet, was in Moskau als Eskalation empfunden werden könnte. Aber Berlin sollte den Rat aus Washington und von wichtigen europäischen Partnern beherzigen. Zu diesem Zeitpunkt, kurz vor dem ersten Jahrestag der Invasion, ist es von entscheidender Bedeutung, dass die Nato-Länder angesichts der Drohungen aus Moskau bei der Lieferung von Waffen zusammenhalten, die die Ukraine benötigt, um verlorenes Territorium zurückzugewinnen und ihre Freiheit zu bewahren.»


«Pravda»: Während Deutschland zögert, sterben Ukrainer

BRATISLAVA: Zur Diskussion über Panzer-Lieferungen an die Ukraine schreibt am Dienstag die linksliberale slowakische Tageszeitung «Pravda»:

«Das Treffen der Ukraine-Kontaktgruppe am Freitag in Ramstein hat keinen Fortschritt gebracht, soweit es um Waffenlieferungen an Kiew geht. Und das, obwohl die ukrainische Armee die schweren Waffen dringend braucht. Deutschlands Zögern ist kontraproduktiv, denn damit schadet es nicht nur seinem eigenen Image und isoliert es gegenüber den anderen Verbündeten, sondern es sterben am Ende deshalb unnötig Menschen in der Ukraine.

Dabei ist aus Äußerungen mehrerer deutscher Regierungsmitglieder, insbesondere von Außenministerin Annalena Baerbock, ganz offensichtlich, dass es zur Lieferung von Leopard-Panzern ohnehin kommen wird. Warum also zaudert Kanzler Olaf Scholz? Abgesehen vom traditionellen Pazifismus der deutschen Linken, kann auch die Befürchtung ein Grund sein, dass Deutschland mit den Panzerlieferungen die eigene Verteidigungsfähigkeit schwächen würde. So eine Überlegung ist legitim. Aber in einer Situation, in der die Ukraine eigentlich auch für uns kämpft, werden die Panzer viel dringender an der Ostfront benötigt als in den Kasernen der Bundeswehr.»

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