Zeitungen kommentieren das Weltgeschehen am Dienstag

Foto: Adobe Stock/©elis Lasop
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«Berliner Morgenpost» zu Volksentscheid Klima

Es ist ein unwürdiger Eiertanz, den der Senat um den Termin für die von 180.000 wahlberechtigten Berlinerinnen und Berlinern durchgesetzte Volksabstimmung über strengeren Klimaschutz aufführt.

Natürlich wäre es vernünftig gewesen, den Volksentscheid mit den Wiederholungswahlen am 12. Februar 2023 abzuhalten. Das entspräche dem Geist direkter Demokratie. Jetzt wird getrennt abgestimmt, wahrscheinlich am 26. März. Die Grünen zieren sich noch; aber je weiter die Zeit voranschreitet, desto weniger machbar wird ein gemeinsamer Termin, den die SPD nie wollte. Vielleicht ist ein eigener Termin ganz gut. Dann bekommen die konkreten Möglichkeiten für verschärften Klimaschutz mehr Aufmerksamkeit als in einem Wahlkampf ums Rote Rathaus.


«Frankfurter Allgemeine Zeitung» zu Lauterbachs Klinikreform

Wie die Feuerwehr sollen Kliniken dafür Geld bekommen, dass sie bereitstehen und nicht erst aktiv werden, wenn die Sirenen heulen.

Fraglich ist, ob die Abkehr von der Wirtschaftlichkeit nicht zu weit geht. Lauterbach ist stolz darauf, dass sich im Klinikwesen künftig kaum noch Geld verdienen lasse und private Träger möglicherweise aufgäben. Dabei können Wettbewerb und Gewinnstreben Effizienzen heben, Qualitäten verbessern und gutes Personal anlocken, im Ergebnis dem Patienten also sehr dienen. Überzieht man es mit der Vorhaltevergütung, dann hat eine Klinik womöglich kein Interesse daran, Patienten aufzunehmen und gut zu versorgen. Man muss Lauterbachs Reform eine Chance geben, aber wachsam sein, dass sie die Abkehr vom Markt und die Verstaatlichung nicht zu weit treibt.


«Stuttgarter Zeitung» zu Lauterbachs Reformplänen

Es gibt in der Politik kaum ein heißeres Eisen als die sogenannte Krankenhauslandschaft.

Daran wagt sich jetzt Gesundheitsminister Karl Lauterbach heran. Und dafür legt er ein gelungenes Modell vor. Die Teilabkehr von den bisherigen Fallpauschalen ist sinnvoll. Und noch besser wäre es, wenn die Länder endlich den Kliniken die Investitionen bezahlten, die nötig sind. Das tun heute nicht alle und nicht im ausreichenden Maße. Damit ist auch klar, dass Lauterbachs Reformkonzept nur vorankommt, wenn die Länder mitziehen. Bisher hatte sie der Minister absichtlich nicht einbezogen. Dass erst mal Wissenschaftler überlegen, was schiefläuft und was besser werden muss, ist auch völlig in Ordnung. Jetzt allerdings geht es darum, das Konzept zu verwirklichen.


«Münchner Merkur» zu Illerkirchberg

Fassungslos steht das Land vor einer unbegreiflichen Bluttat.

Natürlich wird die AfD den Fall politisch nutzen. Davon zu unterscheiden ist allerdings die ehrliche Erschütterung der Bevölkerung, der sich die Politik und all jene stellen müssen, die darauf beharren, es handle sich um einen Fall wie jeder andere. Jedes Tötungsdelikt ist schrecklich. Aber die Menschen reagieren begreiflicherweise noch emotionaler und verständnisloser, auch enttäuschter, wenn ein junges Leben von einem Flüchtling genommen wird, der selbst bei uns Schutz erbat und Aufnahme fand wie der 27-jährige Eritreer, der 2016 kam und in Illerkirchberg zum Täter wurde. Für die Regierung bleibt es deshalb ein zentraler Auftrag, Integration gelingen zu lassen. Voraussetzung dafür ist die Steuerung und Begrenzung der Migration - schon um zu verhindern, dass vielfach traumatisierte Migranten ohne Betreuung sich selbst überlassen bleiben und so zur Gefahr werden.


«Lidove noviny»: Raketenangriffe auf Ukraine erreichen ihr Ziel nicht

PRAG: Zu den neuen russischen Raketenangriffen auf die Ukraine schreibt die konservative Zeitung «Lidove noviny» aus Tschechien am Dienstag:

«Vielleicht glauben die russischen Strategen, dass ihre Bombardierungen mit Raketen die Ukrainer zu Verhandlungen zwingen. Doch nichts deutet darauf hin. Die Ukrainer scharen sich noch enger um Präsident Wolodymyr Selenskyj, so wie sich die Briten in der Luftschlacht um England hinter Winston Churchill gestellt hatten. (...) Die Russen leben mental immer noch im Zweiten Weltkrieg. Damals mögen Bombardierungen noch eine wichtige oder sogar eine entscheidende Rolle in der Kriegsführung gespielt haben. Die USA haben sich längst umorientiert auf sogenannte Enthauptungsschläge, also gezielte Angriffe zur Tötung oder Isolierung der Führung des Gegners. Die russische Militärplanung ist indes mental und/oder technisch bedingt in der Vergangenheit steckengeblieben.»


«Sydsvenskan»: Immer mehr Iranerinnen ignorieren Kopftuchzwang

MALMÖ: Die liberale schwedische Tageszeitung «Sydsvenskan» (Malmö) kommentiert am Dienstag Berichte über die Auflösung der Sittenpolizei im Iran:

«Fast drei Monate nach ihrem Ausbruch sehen die Proteste anders aus als damals. Immer mehr Frauen ignorieren den Kopftuchzwang, und nur wenige scheinen ein Eingreifen der Sittenpolizei zu fürchten - zumindest nicht in den größeren Städten wie Teheran. Sicher, es gibt auf den Straßen immer noch bewaffnete Sicherheitspolizisten und Milizen, die der iranischen Revolutionsgarde unterstehen. Aber auch das scheint nicht zu fruchten. Und wenn die übliche Panikmache nicht funktioniert - wenn die Menschen die Drohungen einfach ignorieren - was kann ein verzweifeltes Regime dann tun? Zumindest signalisiert dieses Wochenende, dass die Pflicht, das Kopftuch zu tragen, untersucht werden soll und dass die verhasste Sittenpolizei auf dem Rückzug sein könnte.»


«Gazeta Wyborcza»: Das erste Kartell der Ölverbraucher

WARSCHAU: Zu den Öl-Sanktionen der EU und der G7 gegen Russland schreibt die polnische Tageszeitung «Gazeta Wyborcza» am Dienstag:

«Als Putin den Krieg gegen die Ukraine begann, hat er wahrscheinlich nicht damit gerechnet, dass er der Geburtshelfer des ersten Ölverbraucherkartells der Welt werden würde. Seit gestern hat die EU ein Embargo gegen russisches Öl verhängt und Moskau damit den bisher schwersten Schlag bei der Finanzierung des Ukraine-Krieges versetzt. Gleichzeitig hat die EU gemeinsam mit den G7-Ländern und Australien eine Preisobergrenze für russisches Öl eingeführt, das per Tanker in Länder in Asien, Afrika und Südamerika geliefert wird.

Skeptiker werden fragen, ob diese Beschränkungen wirksam durchgesetzt werden können und ob die derzeitige Preisobergrenze für russisches Öl - 60 US-Dollar pro Barrel - für Russland schmerzhaft genug ist. Aber sie übersehen den wichtigsten Punkt: In dem Versuch, die finanziellen Wurzeln von Putins Kriegsmaschinerie zu untergraben, haben die westlichen Länder das erste Ölverbraucherkartell geschaffen. Das heißt, eine Union von Staaten, die sich zusammengeschlossen haben, um die Ölpreise im Interesse der Ölverbraucher zu senken, im Gegensatz zu den bestehenden Kartellen von Ölproduzenten, die versuchen, den Ölpreis in die Höhe zu treiben.»


«Göteborgs-Posten»: Klima ist keine Kulturkriegsfrage

GÖTEBORG: Die liberale schwedische Tageszeitung «Göteborgs-Posten» (Göteborg) meint am Dienstag zur Debatte über die richtigen Maßnahmen im Kampf gegen den Klimawandel:

«Auf Kulturseiten und in Teilen der Politik klingt es oft, als ob das Klima eine politische Wasserscheide sei wie früher die Einwanderung. Auf der einen Seite gibt es diejenigen, die behaupten, die Menschheit werde untergehen, auf der anderen Seite wird entgegnet, dass dies Klimaalarmismus sei. Auf diese Weise erinnert die Klimafrage daran, wie früher die Migrationsfrage debattiert wurde. Schaut man aber auf die Präferenzen der Wähler, dann ist das Klima keineswegs die Wasserscheide, die die Migrationsfrage war. Ein Unterschied ist, dass die verschiedenen Parteien in diesem Bereich seit langem für unterschiedliche politische Richtungen stehen. Alle betrachten die Klimafrage als wichtig, aber die Lösungen unterscheiden sich. Es gibt Nuancen und Alternativen, die es in der Migrationsfrage nicht gab. Diejenigen, die das Klima zum Teil eines Kulturkrieges machen wollen, werden deshalb enttäuscht sein.»


«The Times»: Glaubwürdigkeit des ANC hat weiter gelitten

LONDON: Die britische Zeitung «The Times» meint am Dienstag zu den Vorwürfen gegen Südafrikas Präsidenten Cyril Ramaphosa:

«Selbst wenn er die Anschuldigungen überlebt, was wahrscheinlich ist, bedeutet dies, dass der Glaubwürdigkeit Ramaphosas und des ANC weitere Schläge versetzt wurden. Und das zu einer Zeit, da Südafrika dringend eine saubere und effektive Regierung braucht. (...) Das vergangene Jahrzehnt war für Südafrika eine Zeit von nahezu vollständigen Rückschlägen, wobei das Wachstum in diesem Jahr auf nur noch 1,9 Prozent geschätzt wird. Die Armut hat zugenommen, die Inflation hat ein 13-Jahres-Hoch erreicht und das Pro-Kopf-Einkommen ist um 5,6 Prozent gesunken.

In fast jeder anderen Demokratie würde eine derart düstere Bilanz der Regierungspartei eine rasche Wahlniederlage bescheren. Aber der ANC, der seit dem Ende der Apartheid das Machtmonopol innehat, hat selbst die Vereinnahmung des Staates betrieben und sich dabei alle Hebel der Macht und des Einflusses gesichert. Somit ist es jeder konkurrierenden Partei - insbesondere jenen, die mit der Apartheid-Ära in Verbindung gebracht werden - nahezu unmöglich, genügend Unterstützung aufzubringen, um eine Parlamentswahl zu gewinnen.»


«Libération»: Frankreich braucht ausländische Arbeitskräfte

PARIS: Zum Gesetzesvorhaben zweier französischer Minister, die Einwanderungspolitik für ausländische Arbeitnehmer bestimmter Branchen zu lockern, schreibt die französische Tageszeitung «Libération» am Dienstag:

«(...) Sieben Jahre, nachdem Deutschland beschlossen hat, seine Tore für Hunderttausende von Flüchtlingen zu öffnen (...), versteht Frankreich endlich, dass es ausländische Arbeitskräfte brauchen wird, um die Jobs zu sichern, für die sich keine Freiwilligen finden lassen. Es ist an der Zeit zu verstehen, dass es dem Land an so ziemlich allem mangelt: an Ärzten, Krankenschwestern, Bäckern, Bus- und Zugfahrern, Müllmännern und so weiter. Unsere Dörfer wären vielleicht weniger entvölkert und unsere Krankenhäuser leistungsfähiger, wenn wir die Menschen, die in den vergangenen Jahren an unsere Türen geklopft haben, nicht blockiert oder abgewiesen hätten. (...)»


«de Volkskrant»: Dies ist nicht die Zeit für einen Handelskrieg

AMSTERDAM: Zu den Milliardensubventionen der US-Regierung für einheimische Unternehmen meint die niederländische Zeitung «de Volkskrant» am Dienstag:

«In Brüssel wetteifern Politiker und Unternehmen, wer die Alarmglocken am lautesten läuten lassen kann. Der Moment für harte Ansagen ist gekommen - eine gefährliche Phase in Handelskonflikten, die besser nicht aus dem Ruder laufen sollten. (...) Derweil kündigte die EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen eine «strukturelle» Antwort der Europäischen Union an. Unter anderem sollen Regeln für Staatshilfen gelockert werden, damit die Mitgliedsländer ihre eigene Industrie stärker unterstützen können. Sie will zudem, dass erneut geprüft wird, ob zusätzliche Finanzhilfen der EU erforderlich sind - ein potenzieller Spaltpilz innerhalb der Union.

Glücklicherweise scheint man aber auf beiden Seiten des Atlantiks zu begreifen, dass dies nicht die Zeit für einen Handelskrieg zwischen zwei Mächten ist, die gemeinsam versuchen, die russische Aggression gegen die Ukraine zu stoppen, indem sie ihr beistehen. Von der Leyen zufolge soll die EU auf das US-Gesetz «Inflation Reduction Act» in «angemessener» Weise reagieren, ohne sich «in einen teuren Handelskrieg während eines echten Krieges» zu verlieren. Angesichts der extremen Schwierigkeiten, mit den Europa es zu tun hat, ist es von entscheidender Bedeutung, dass diesen Worten Taten folgen.»


«WSJ»: Klimapolitik des Westens schadet Verbrauchern und Wirtschaft

NEW YORK: Zum Streit zwischen EU und USA angesichts eines Gesetzes der US-Regierung, dia mit milliardenschweren Subventionen die heimische Industrie ankurbeln will, schreibt das «Wall Street Journal»:

«Wollte Präsident (Joe) Biden nicht Donald Trumps zerstörerische Handelskriege gegen Verbündete beenden? Anscheinend nicht. Sein «superaggressiver» Klimaprotektionismus - um es mit den Worten des französischen Präsidenten Emmanuel Macron zu sagen - verärgert Freunde der USA und könnte einen Subventions- und Zollkrieg auslösen. US-Verbündete sind empört über die großzügigen Subventionen des Inflation Reduction Act für im Inland produzierte grüne Technologien.

Während seiner Reise nach Washington in der vergangenen Woche sagte Macron, die US-Subventionen könnten «vielleicht euer Problem lösen, aber ihr werdet mein Problem vergrößern». Tatsächlich sind sie aber ein Problem für alle. (...) Die Klimapolitik des Westens schadet bereits den Verbrauchern und verlangsamt das Wirtschaftswachstum, indem sie Energiepreise steigen lässt und Investitionen verzerrt. Jetzt wird mit einem Handelskrieg gedroht, der noch mehr Schaden anrichten wird. Der neue Klimaprotektionismus wird nicht gut ausgehen.»


«NZZ»: Öl-Sanktionen kein Allheilmittel

ZÜRICH: Die «Neue Zürcher Zeitung» aus der Schweiz kommentiert am Dienstag die Öl-Sanktionen der EU und der G7 gegen Russland:

«Beim Öl ist Europa weniger von Russland abhängig, weil es einfacher als Gas transportiert werden kann und weil es eine Vielzahl an Lieferanten gibt. Dadurch sind Sanktionen für Europa «günstiger». Beim Erdgas hingegen ist der Hebel für Moskau größer als beim Öl, deshalb eignet sich Gas für Russland besser als Energiewaffe. (...) Das größte Risiko für den Ölpreis besteht darin, dass Moskau als Retourkutsche die Exporte drosselt, was die Preise stark nach oben gehen ließe. Anreiz dazu hätte Russland vor allem dann, wenn die Sanktionen wirklich greifen würden.

Für das Embargo und den Preisdeckel sprechen zwei Punkte: Erstens wird der Transport russischen Erdöls verteuert, und der Preisabschlag wird dadurch weiter zementiert. Zweitens wird damit Verhandlungsmasse gegenüber Moskau aufgebaut. Je länger die Sanktionen aber dauern, desto eher tauchen auch Umgehungen auf. Die Maßnahmen bleiben ein Experiment, sie sind sicherlich kein Allheilmittel.»


«El País»: Schlag gegen russisches Erdöl

MADRID: Die spanische Zeitung «El País» kommentiert am Dienstag die neuen Sanktionen gegen russisches Erdöl:

«Westliche Länder haben einen bedeutenden Schritt unternommen, um die Einnahmen zu reduzieren, mit denen der Kreml den Krieg in der Ukraine finanziert. Die Mitglieder der G7, die EU und Australien haben einen Mechanismus aktiviert, um den Höchstpreis für russische Rohölexporte in Drittländer zu begrenzen, der auf 60 Dollar pro Barrel festgelegt wurde. Die Maßnahme strebt ein sehr komplexes Gleichgewicht an: eine Verringerung von Moskaus Einnahmen, ohne die Preise auf dem Weltmarkt in die Höhe zu treiben. Dabei soll die Vormacht westlicher Unternehmen im Seetransport-, Versicherungs- und Finanzierungssektor genutzt werden, um Dritte zu zwingen, das Limit einzuhalten.

Die Zeit wird zeigen, ob das funktioniert, aber insgesamt sieht die Exportpreisobergrenze wie ein Schritt in die richtige Richtung aus. Die bisherigen Sanktionen haben Russland schon erheblichen Schaden zugefügt. Der Kreml eskaliert den Krieg auf immer brutalere Weise und bestraft die Zivilbevölkerung. Demokratien müssen reagieren, und eine Möglichkeit besteht darin, Wladimir Putin den Geldhahn zuzudrehen.»

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