Zeitungen kommentieren das Weltgeschehen am Dienstag

Foto: Adobe Stock/©elis Lasop
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«Frankfurter Allgemeine Zeitung» zu Ferda Ataman

Doch es geht eben immer auch um Symbole.

Der Posten der «Unabhängigen Bundesbeauftragten» ist ein solches Symbol, und der Streit über Ferda Ataman, die am Donnerstag auf Vorschlag des Kabinetts vom Bundestag gewählt werden soll, hat auch symbolische Bedeutung. Wenn man die Stelle nicht als einen weiteren Versorgungsposten ansieht, als Teil des um sich greifenden, eher sinnfreien und demokratisch zweifelhaften Beauftragtenunwesens für alles und jeden, wenn man also konkrete Hoffnungen insbesondere in die zu kürende Person stellt, dann darf man auch Fragen stellen. Aber es gibt doch Wichtigeres, ließen sich Kritiker aus der FDP vernehmen. Zweifellos, aber das gilt fast immer; mit der Begründung kann man kaum noch eine politische Entscheidung ernst nehmen.


«Handelsblatt» zu Lohn-Preis-Spirale

Die Inflation ist nun Lohntreiber.

Und auch wenn sich Ökonomen noch streiten mögen: Die entscheidende Frage für die Wirtschaft ist weniger, ob nach allen Definitionen der Volkswirtschaftslehre wirklich eine Lohn-Preis-Spirale kommt. Die Frage ist: Wie lange geht diese Entwicklung noch weiter? (...) Es ist richtig, die Tarifpartner und insbesondere die Gewerkschaften an ihre Verantwortung in dieser besonderen Situation zu erinnern. Ihr Augenmaß ist ähnlich wichtig wie das der Zentralbanken, damit sich die Inflation nicht wie ein Ölteppich langsam immer weiter über die Wirtschaft legt. Doch wie groß die tarifliche Zurückhaltung sein wird, ist fraglich. (...) Richtig ist: Viele Arbeitnehmer haben in der Krise hart gearbeitet und sich (...) mit Gehaltsforderungen zurückgehalten. Es ist daher verständlich, dass es jetzt Nachholbedarf gibt. Für Unternehmen sind die steigenden Löhne infolge der hohen Inflation neben den explodierenden Energie- und Rohstoffpreisen hingegen eine weitere Hypothek in der aktuellen Krise.


«Frankfurter Rundschau» zu Luganer Erklärung/Wiederaufbau Ukraine

Damit die hehren und richtigen Ziele der Luganer Erklärung für den Wiederaufbau der «freien und demokratischen, korruptions- und CO2-freien» Ukraine auch erreicht werden, ist ein langer Atem, viel Arbeit und noch mehr Kontrolle nötig.

Es ist auch unzweifelhaft richtig, sofort damit zu beginnen. Denn das überfallene Land benötigt sofort Hilfe. Nicht nur, damit sich Ukrainerinnen und Ukrainer vor allem im Osten und Süden gegen den russischen Aggressor wehren können, sondern damit im restlichen Land nicht alles zusammenbricht und es weiter so etwas wie eine Bleibeperspektive gibt. Die Mittel zum Wiederaufbau sollten an Bedingungen geknüpft werden, damit sie auch möglichst allen Menschen in der Ukraine zugutekommen. Schließlich war die Ukraine vor dem russischen Überfall trotz aller Reformanstrengungen im Korruptionsindex von Transparency International auf Platz 122 von 180. Nur wenn der Prozess möglichst transparent ist, werden die Menschen in den Geberstaaten das Projekt unterstützen.


«Münchner Merkur» zu Antidiskriminierungsbeauftragte

Am Donnerstag wählt der Bundestag die neue Antidiskrimierungsbeauftragte des Bundes.

Die Ampel-Kandidatin Ferda Ataman steht für eine spaltende Identitätspolitik, die Menschen in Gruppen einteilt und gegeneinander ausspielt. Sie würdigt Gegner herab und hat mit ihrem gesamten Schaffen bewiesen, dass sie nicht Ausgleich und Differenzierung sucht, sondern Unfrieden und Krawall. Mit Ataman fällt die Ampelregierung, die doch eigentlich mehr Fortschritt wagen wollte, zurück in eine überwunden geglaubte Klassengesellschaft: Wer Menschen anhand ihrer äußeren Merkmale definiert und sorgsam in Migranten und Biodeutsche einteilt, in Schwarze und Weiße, in Muslime und Christen, wobei Opfer- und Täterrolle von vornherein klar zugewiesen sind, befördert eine neue Form von Rassismus. Am Ende liegt darin eine besondere Grausamkeit gerade gegenüber Migranten, die man schützen zu wollen vorgibt. Denn der lärmende Moralismus der Kulturkämpferin Ataman hält sie auf ewig in der Opferrolle gefangen.


«Rzeczpospolita»: Westen sollte ukrainische Häfen mit Gewalt räumen

WARSCHAU: Die polnische Tageszeitung «Rzeczpospolita» kommentiert am Dienstag die vom Krieg in der Ukraine ausgelöste Krise beim Getreideexport:

«Mehr als 20 Millionen Tonnen ukrainisches Getreide füllen immer noch die Hafenspeicher, wo doch die diesjährige Ernte eingelagert werden muss. Sie können nicht aus den von Russland blockierten Häfen transportiert werden. Ohne dieses Getreide werden die ärmsten Länder Afrikas und Asiens von einer Hungersnot überrollt werden. Und wieder einmal werden verzweifelte Menschen nach Europa strömen.

Die Lösung ist klar: Schiffe ins Schwarze Meer bringen, die Häfen gewaltsam entminen, das Getreide exportieren und Russland mit Vergeltung drohen, falls es jemanden aus der Flotte angreift, die den Transport schützt. Der UN-Sicherheitsrat würde diese Aktion nicht genehmigen, da Russland in diesem Gremium sitzt. Aber die UN-Generalversammlung könnte dies tun, so wie sie einst die internationale Verteidigung Südkoreas legalisierte. Und selbst wenn sich die Vereinten Nationen zurückhalten, bleibt der gesunde Menschenverstand. Aber schließlich sagt der gesunde Menschenverstand, dass dies zum Dritten Weltkrieg führen könnte. Aber verstehen wir nicht, dass der Dritte Weltkrieg bereits im Gange ist und von den Ukrainern im Namen des Westens geführt wird?»


«Financial Times»: Unternehmen sollten in der Ukraine investieren

LONDON: Die Londoner «Financial Times» kommentiert am Dienstag den Rückzug ausländischer Unternehmen aus Russland:

«Die westlichen Regierungen sind sich einig im Widerstand gegen Russlands unprovozierten Krieg in der Ukraine, vermeiden aber eine direkte militärische Beteiligung aus Angst vor einer unkontrollierbaren Eskalation. Stattdessen haben sie beschlossen, Moskau mit wirtschaftlichen Mitteln unter Druck zu setzen. Ihre Bevölkerungen werden durch steigende Preise und mögliche Energieknappheit zu Opfern gezwungen.

Für die meisten westlichen Unternehmen - mit Ausnahme derer, die zum Beispiel lebenswichtige Medikamente verkaufen - gibt es zwingende Gründe, sich diesen Bemühungen anzuschließen. Wenn sie ihre russischen Niederlassungen schließen müssen, sollten sie den Mitarbeitern vor Ort die gleichen Bedingungen bieten, als ob sie sich aus rein geschäftlichen Gründen zurückziehen würden. Es gibt auch noch eine andere Möglichkeit zu helfen. Angesichts der Kosten für den Wiederaufbau, die inzwischen auf mehr als 750 Milliarden Dollar geschätzt werden, sollten Unternehmen den Appellen von Präsident Wolodymyr Selenskyj folgen und ihre russischen Investitionen - und mehr noch - in die Ukraine umlenken.»


«La Vanguardia»: Trump zerstört die USA

MADRID: Zur möglichen erneuten Kandidatur von Ex-Präsident Donald Trump in den USA und zu den Anhörungen des Untersuchungsausschusses zum Angriff auf das Kapitol im Januar 2021 schreibt die spanische Zeitung «La Vanguardia» am Dienstag:

«Trump zerstört die USA (...) Das Land lebt am Rande eines Bürgerkriegs zwischen Anhängern und Gegnern des Ex-Präsidenten. Die Situation wird mit der Zeit immer schlimmer und droht zu eskalieren und zu unkontrollierter Gewalt zwischen Vertretern von zwei sehr unterschiedlichen Auffassungen der amerikanischen Gesellschaft zu führen. Der Untersuchungsausschuss, der den Angriff auf das Kapitol am 6. Januar 2021 untersucht, bringt derzeit Licht in Trumps wahre Absichten, durch einen Putsch die Kontrolle über das Land zu übernehmen. Die Enthüllungen ehemaliger Berater bestätigen die Demenz des Mannes, der im Oval Office des Weißen Hauses saß (...)

Vor diesem Hintergrund will der Ex-Präsident möglicherweise wieder kandidieren (...) Klar ist, dass Trumps Unterstützer das Urteil nicht ohne weiteres akzeptieren werden. Sie sind nämlich von ihrer eigenen Paranoia überzeugt. Ihre Reaktion kann sehr gewalttätig sein. Man muss sich nur daran erinnern, was im Kapitol geschah.»


«NZZ»: Habeck hat sich Respekt verdient

ZÜRICH: Zum Vorgehen von Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck angesichts der Folgen des Krieges in der Ukraine heißt es am Dienstag in der «Neuen Zürcher Zeitung»:

«Der deutsche Wirtschaftsminister Robert Habeck macht etwas, was sein Schweizer Amtskollege Guy Parmelin mit fast schon aggressiver Passivität vermeidet: unschöne Dinge beim Namen nennen. Er warnt vor den Folgen eines russischen Gasstopps, warnt vor einem harten Winter, warnt vor Massenarbeitslosigkeit, warnt vor Armut. Habeck warnt, warnt, warnt. Seine unmissverständliche Botschaft: Die Solidarität des Westens mit der Ukraine hat ihren Preis.

Spätestens seit der Pandemie sind die Deutschen ewige Schwarzseher gewöhnt. Doch Habecks Warnungen haben eine andere Qualität als die fürchtet-euch-Predigten von Gesundheitsminister Karl Lauterbach. Mit seiner schonungslosen Ehrlichkeit hat sich der Vizekanzler viel Respekt verdient. Die Menschen sind ihm nicht böse, dass er sie nicht schont. Sie schätzen ihn, weil er ihnen zutraut, mit der Wahrheit umgehen zu können.»


«The Times»: Senkung der Mineralölsteuer wäre der falsche Weg

LONDON: Die Londoner «Times» kommentiert am Dienstag den Anstieg der Benzinpreise infolge des Krieges in der Ukraine:

«Da etwa 40 Prozent der Benzinkosten an der Zapfsäule in die Staatskasse fließen, könnte die Regierung den Preisanstieg natürlich durch eine Senkung der Mineralölsteuer abmildern. Das wäre jedoch aus zwei Gründen der falsche Weg. Erstens ist die Regierung bereits hoch verschuldet, so dass sie bei einer Senkung der Mineralölsteuer das Loch in ihren Finanzen durch Steuererhöhungen oder Ausgabenkürzungen an anderer Stelle stopfen müsste. Beides wäre nicht wünschenswert.

Zweitens hat sich die Regierung verpflichtet, die Kohlendioxidemissionen bis 2050 auf Null zu reduzieren. Um dieses Ziel zu erreichen, muss sie die Autofahrer dazu bewegen, auf Elektrofahrzeuge umzusteigen. Kraftstoffsteuern sind eine Möglichkeit, dies zu erreichen. (...)

Ein Premierminister mit moralischer Autorität hätte eine gute Chance, die Wähler davon zu überzeugen, höhere Kraftstoffkosten als Preis dafür zu akzeptieren, dass sie treue Verbündete der Ukraine sowie anständige Weltbürger sind, die ihren Beitrag zur Eindämmung des Klimawandels leisten. Doch leider ist Boris Johnsons Autorität schwer angeschlagen.»

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