Wat Pho - Der liegende Buddha

Statue symbolisiert den Einzug des Erhabenen ins Nirwana

Wat Pho - Der liegende Buddha

Zu den besonderen Sehenswürdigkeiten, die zu den Perlen im Diadem der thailändischen Hauptstadt gehören, zählt zweifelsohne die Tempelanlage des Wat Pho, unmittelbar südlich des Königspalasts im Zentrum der historischen Altstadt von Bangkok. Die 45 Meter lange und 15 Meter hohe, vollkommen vergoldete Statue aus Ziegeln und Zement eines Liegenden Buddha ist einer der religiösen Mittelpunkte der Stadt und zugleich auch eine der Haupttouristenattraktionen.

Nach der in Thailand üblichen Klassifizierung buddhistischer Tempel ist jener ein "Königlicher Tempel Erster Klasse". Nur ein vom König neu erbauter oder renovierter Tempel, der vielleicht sogar über ein Chedi verfügt, in dem eine buddhistische Reliquie aufbewahrt wird, oder einer, der zumindest zwischen 50 bis 100 Jahre alt ist, darf sich mit dem Attribut "königlich" schmücken. Nicht zuletzt genießen weitere alte Tempel dieses Privileg, vorausgesetzt, sie stehen in der Obhut des Staates oder buddhistischer Organisationen.

Die erste Erwähnung findet der Wat Potharam, wie der Wat Pho bei den Einheimischen genannt wird, bereits in den königlichen Chroniken von Ayutthaya, die Aufzeichnungen der historischen Ereignisse aus dem alten Königreich enthalten. Aus diesem Grund darf davon ausgegangen werden, dass auf dem Gelände bereits im 17. Jahrhundert eine Tempelanlage gestanden hat. Als Rama I. schließlich 1782 seinen Hof nach Bangkok verlegte, restaurierte und erweiterte er in den Jahren 1789 bis 1801 diese Anlage, wie es übrigens auch alle folgenden Könige der Chakri-Dynastie nach ihm taten.

Der Liegende Buddha erreicht das Nirwana

Gemäß der Tradition werden thailändische Buddha-Statuen nur in bestimmten Körperhaltungen dargestellt. Im Wat Pho ist dies die liegende, bei der die Figur gewöhnlich auf der rechten Seite liegt. Der Kopf ist auf die rechte Hand abgestützt, die linke liegt ausgestreckt an der linken Körperhälfte. Beide Füße liegen symmetrisch und parallel. In dieser Lage symbolisiert die liegende Statue den Eingang Buddhas ins Nirwana.

Dabei bezeichnet das Wort Nirwana keineswegs einen Ort. Es ist weder ein Himmel, noch der Zustand einer erstrebenswerten Seligkeit im Jenseits. Nirwana ist kein Neubeginn von etwas in einer anderen Sphäre, sondern vielmehr ein Abschluss, ein Wechsel des Zustands, nachdem alle Vorstellungen und Wunschgebilde gleichsam überwunden und gestillt sind. Was also letztlich kaum mit Worten beschrieben, sondern nur erlebt und erfahren werden kann, ist zumeist Folge intensiver Schulung durch strenge Meditation.

Nach buddhistischer Ansicht ist das Leben mit einer Münze vergleichbar: die eine Seite ist die weltliche, die relative Sicht, die andere Seite, das Nirwana, ist die überweltliche und absolute Sicht. Beide Seiten der Münze sind untrennbar miteinander verbunden. Nirwana wird also erreicht im Loslassen von allen an einer Welt haftenden Bedingungen und bedeutet folglich nicht etwas, das sich erst mit dem Tod einstellt, sondern kann – die entsprechende mentale oder spirituelle Entwicklung vorausgesetzt – schon im Leben erreicht werden.

Diese Art der Lebensphilosophie hat Thailand übrigens auch erfolgreich auf der EXPO 2010 in Shanghai präsentiert. In Halle drei seines Pavillons konnten die Besucher unter dem Motto "Glück durch Harmonie" erfahren, dass trotz technischen Fortschritts und internationaler Lebensart die thailändische Variante für die Zukunft ein Leben in Einfachheit und Genügsamkeit bedeutet. Nur darin, so versuchten es die Ausstellungsmacher zu vermitteln, liege nach den Vorstellungen des Buddhismus der einzig wahre Weg zu dauerhaftem Glück. Eine Philosophie, der man angesichts der gerade erst zurückliegenden Finanzkrise, ausgelöst durch die grenzenlose Gier und menschliche Unersättlichkeit nach materiellen Gütern und Besitztümern, eigentlich nur uneingeschränkt zustimmen kann.

Nirwana: das Freisein von aller Unruhe

Nirwana ist also gleichbedeutend mit innerer Ruhe und besteht im Freisein von aller Unruhe des Geistes, allen Wünschen und Denkvoraussetzungen. Und eben dieses "Freisein von aller Unruhe" wird im Gesichtsausdruck des liegenden Buddha des Wat Pho überdeutlich sichtbar. Die völlig entspannte und eine tiefere Erkenntnis ausstrahlende Physiognomie der Statue mag dem Betrachter ebenso geheimnisvoll und rätselhaft erscheinen, wie es das stille Gesicht des Tut-Ench-Amun tut, der uns aus der Ewigkeit ansieht, oder uns auch im Innersten berührt, wie es das verzauberte Lächeln der Mona Lisa tut.

Die meisten Buddha-Statuen weisen einige ungewöhnliche Merkmale auf. Diese wurden, egal ob universaler Weltherrscher oder Buddha, als Beispiel von übernatürlichen Fähigkeiten angesehen und galten damit als Zeugnis dafür, dass es sich grundsätzlich um außergewöhnliche Menschen handelte. In der indischen Ikonografie werden 32 Hauptmerkmale und 80 Nebenmerkmale unterschieden. Der Legende nach soll der Seher Asita bei der Geburt des kleinen Siddhartha Gautama, dem späteren Begründer des Buddhismus (vermutlich 563 bis 483 v. Chr.), diese 32 Merkmale festgestellt und ihm deshalb eine große Zukunft prophezeit haben:

"Zweiunddreißig, ihr Mönche, sind es der Merkmale eines großen Mannes, mit denen begabt ein solcher nur zwei Bahnen betreten kann, keine dritte. Wenn er im Hause bleibt, wird er König werden, Kaiser, ein gerechter und wahrer Herrscher, ein Sieger bis zur Mark See, der seinem Reiche Sicherheit schafft. ... Und er wird über tausend Söhne haben, tapfer, heldensam, Zerstörer der feindlichen Heere. Dann wird er diese Erde bis zum Ozean hin, ohne Stock und ohne Stahl gerecht obsiegend beherrschen. Wenn er aber aus dem Hause in die Hauslosigkeit zieht, wird er heilig werden, vollkommen auferwacht, der Welt den Schleier hinwegnehmen."Das erste der 32 von Asita festgestellten Merkmale bezog sich übrigens auf die Füße:

"Da hat, ihr Mönche, der große Mann wohlgefestete Füße: dass aber, ihr Mönche, der große Mann wohlgefestete Füße hat, das ist eben an ihm eines der Merkmale eines großen Mannes."

Die Glückssymbole auf den Fußsohlen

Richten wir deshalb ein besonderes Augenmerk auf die Füße des Liegenden Buddha. 108 Symbole sind als Perlmutt-Einlegearbeiten in die Fußsohlen eingearbeitet. Die Symbole des rechten Fußabdrucks finden sich spiegelbildlich in denen des linken wieder. Während der ersten Jahrhunderte nach seinem Tod wurde der Erhabene nie als Person, sondern immer nur als Symbol dargestellt. Wenn auch diese Symbole in fast allen Darstellungen unterschiedlich sind, so ist doch eines allen gemeinsam: in der Mitte befindet sich immer das Chakkra, einstmals das einfache Rad eines Streitwagens, wie es auf alten Skulpturen dargestellt war, das aber später zum Diskus wurde, zur zerstörerischen Waffe des höchsten Hindu-Gottes Vishnu. Diese "...feurige Sonnenscheibe mit tausend Speichen schleuderte dieser dem Bösen und der Ignoranz entgegen, um sie für alle Zeiten zu vernichten". Rund um das Chakkra sind eine Vielfalt von Figuren zu sehen, die zum Teil königliche Insignien darstellen, zum Teil aber auch mythologischen Ursprungs sind. Eigentlich könnte man sagen, dass der Fuß zu einem Verzeichnis von mystischen, mythologischen und kosmologischen Ideen wurde.

Unter den 108 Symbolen befinden sich auch Abbildungen von Elefanten und Kinnari, (männlich: Kinnorn). Dieser schwanenhafte, mystische Vogel hat schon lange die Phantasie der thailändischen Künstler beflügelt. Ein Kinnorn soll der Nachkomme eines Schwans und eines Menschen sein. Entsprechend findet man jene Wesen in der südostasiatischen Mythologie auch als Erscheinungen dargestellt, die halb Frau, halb Vogel sind. Ausgestattet mit dem Kopf, dem Torso und den Armen eines Menschen, zugleich aber mit den Flügeln, dem Schwanz und den Füße von Schwänen, stellen sie in ihrer weiblichen Form das traditionelle Symbol weiblicher Schönheit, Grazie und Vollendung dar.

Elefant, Symbol thailändischer Nation

Der Elefant dagegen verkörpert das Symbol der thailändischen Nation. Elefanten werden in Thailand seit vielen Jahrhunderten verehrt. Berühmt als das stärkste Lasttier, geschätzt für Intelligenz und Gedächtnis, waren die Dickhäuter überaus wichtig und erfolgreich im Kampf. Mit Königen auf ihrem Rücken haben sie oft die Freiheit des Landes gegen eindringende Birmanen verteidigt. Eine thailändische Legende besagt, dass eine Ehe einem Elefanten gleicht: die Vorderbeine, das ist der Mann, der die Richtung vorgibt, die Hinterbeine, das ist die Frau, die der Ehe die Kraft verleiht.

Ein weißer Elefant schmückt auch die Flagge der Royal Thai Navy, und "der höchst erhabene Orden des Weißen Elefanten", 1861 von König Mongkut gestiftet und 1869 unter dessen Nachfolger Chulalongkorn zum damalig höchsten Orden des Landes erhoben, ist immer noch eine der höchsten Auszeichnungen, die der König verleiht.Richtet man als Besucher des Wat Pho seinen Blick nicht nur auf die überdimensionierte Buddha-Statue, sondern auch auf die bunten Wandmalereien, so wird man hier eine weitere Form des thailändischen Ramakien wiederfinden (vergl. dazu: FARANG Ausgabe 18/2010, S. 28 - 29).

Es war Rama III., der im 19. Jahrhundert auf dem Gelände des Wat Pho die erste offene Universität des Landes gründete, in der vor allem Medizin gelehrt wurde. Noch heute wird vor Ort traditionelle Massage nicht nur unterrichtet, sondern auch ausgeübt.

Analog zu den 108 Perlmutt-Einlegearbeiten in den Fußsohlen des Liegenden Buddha sind 108 Almosenschalen um die Statue herum aufgestellt. Dem Vernehmen nach soll es Glück bringen, in jede einzelne dieser Schalen 25 Satang zu werfen. Satang ist die 1897 von König Chulalongkorn eingeführte Unterteilung eines thailändischen Baht in 100 Satang. Die nötige Anzahl der Münzen ist im Wat Pho selbst erhältlich. Neben dem visuellen Eindruck, den man als Tourist von dem riesigen, goldfarbenen Buddha mitnimmt, bleibt einem auch das klappernde Geräusch von Münzen im Ohr, die in die metallenen Schalen geworfen werden.

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