Venezuela greift nach ölreicher Nachbarregion

Die Mitglieder der Bolivarischen Nationalgarde bewachen eine Tankstelle in Caracas. Foto: epa/Miguel Gutierrez
Die Mitglieder der Bolivarischen Nationalgarde bewachen eine Tankstelle in Caracas. Foto: epa/Miguel Gutierrez

CARACAS/GEORGETOWN: Seit langem erhebt Venezuela Anspruch auf das ölreiche Essequibo. Jetzt verschärft die Regierung in dem uralten Konflikt den Ton. Will Machthaber Maduro wirklich zwei Drittel des Nachbarstaats Guyana annektieren - oder nur vor der Wahl die patriotische Karte spielen?

Zumindest auf dem Papier hat sich Venezuela einen großen Teil des Nachbarlandes Guyana schon einverleibt. In allen Schulen, Universitäten und öffentlichen Einrichtungen sollen künftig Landkarten hängen, auf denen die Region Essequibo als Teil des venezolanischen Staatsgebiets eingezeichnet ist. «Essequibo gehört uns», tönt Venezuelas autoritärer Präsident Nicolás Maduro.

Venezuela erhebt bereits seit Langem Anspruch auf das Gebiet, das etwa zwei Drittel von Guyanas Territorium ausmacht. Zuletzt holte sich die Regierung in Caracas über ein umstrittenes Referendum Rückendeckung für ihre Expansionspläne. Bei der nicht bindenden Volksbefragung sprachen sich nach offiziellen Angaben rund 96 Prozent der Teilnehmer dafür aus, auf dem Gebiet des Nachbarlandes einen neuen venezolanischen Bundesstaat namens Guayana Esequiba zu schaffen und der dortigen Bevölkerung die venezolanische Staatsbürgerschaft zu erteilen.

Die Regierung von Guyana weist Venezuelas Griff nach der ölreichen Region entschieden zurück. «Wir werden nicht zulassen, dass unser Territorium verletzt wird und die Entwicklung unseres Landes durch diese Drohung behindert wird», sagt Präsident Irfaan Ali. Er kündigte an, Beschwerde beim Weltsicherheitsrat und dem Internationalen Gerichtshof einzulegen.

Unterdessen schafft Venezuelas Präsident Maduro schon Fakten. Er richtete eine Hohe Kommission zur Verteidigung von «Guayana Esequiba» ein, schuf eine Abteilung des staatlichen Energiekonzerns PDVSA zur Vergabe von Ölförderlizenzen in der Region, forderte die dort aktiven Energiekonzerne zur Einstellung des Betriebs auf und brachte ein Gesetz in die Nationalversammlung ein, um die Beschlüsse des Referendums umzusetzen.

Die derzeitigen Grenzen des Gebiets wurden 1899 in einem Schiedsspruch eines Tribunals in Paris festgelegt, den die USA und Großbritannien veranlasst hatten. Venezuela beruft sich auf ein Abkommen mit dem Vereinigten Königreich von 1966 - wenige Monate bevor die damalige Kolonie Britisch-Guayana unabhängig wurde. Dieses sah eine Verhandlungslösung des Disputs vor. Der Grenzkonflikt verschärfte sich, als 2015 vor der Atlantikküste Essequibos große Ölvorräte gefunden wurden. Guyana erteilte dem US-Ölkonzern Exxon Mobil Förderlizenzen.

Das Öl bescherte Guyana mit seinen gerade einmal rund 800.000 Einwohnern in den vergangenen Jahren einen kräftigen Aufschwung. Einst eines der ärmsten Länder Südamerikas hat es sich zu dem Staat mit dem größten Wirtschaftswachstum weltweit entwickelt. Für das laufende Jahr erwartet der Internationale Währungsfonds (IWF) einen Zuwachs um 38,4 Prozent.

Beobachter gehen davon aus, dass sich Maduro mit der Eskalation des alten Konflikts vor der Präsidentenwahl im kommenden Jahr als flammender Patriot positionieren will. «Das Thema Essequibo scheint perfekt geeignet zu sein, um die öffentliche Aufmerksamkeit von der Wirtschaftskrise abzulenken», schreibt der deutsch-brasilianische Politologe Oliver Stuenkel in der Zeitschrift «Americas Quarterly». «Es schürt nationalistische Gefühle und ein Narrativ der Opferrolle aufgrund jahrhundertelang empfundener Ungerechtigkeit.»

Auch der Lateinamerika-Experte Phil Gunson vom auf Sicherheitsthemen spezialisierten Forschungsinstitut International Crisis Group hält es bislang für unwahrscheinlich, dass die venezolanischen Streitkräfte tatsächlich in Guyana einmarschieren und Essequibo annektieren. «Es geht Maduro vor allem um Innenpolitik und nicht so sehr darum, einen Krieg vom Zaun zu brechen», sagte er im Podcast «Background Briefing».

In jedem Fall sorgt das Säbelrasseln der Venezolaner für Unruhe in der Region. «Was wir hier in Südamerika nicht wollen, ist ein Krieg», sagte der brasilianische Präsident Luiz Inácio Lula da Silva zuletzt beim Gipfeltreffen des Wirtschaftsbündnisses Mercosur. «Wir wollen keinen Krieg, wir wollen keinen Konflikt.»

Doch die Guyaner sind alarmiert. «Wir bereiten uns auch auf das Worst-Case-Szenario vor», sagte Guyanas Präsident Ali in einem Interview des US-Senders CBS. «Wir bereiten uns mit unseren Verbündeten und Freunden vor, um sicherzustellen, dass wir in der Lage sind, das zu verteidigen, was uns gehört, den Essequibo.»

Die USA stellten sich bereits hinter ihren Verbündeten. Außenminister Antony Blinken habe bei einem Telefonat mit Staatschef Ali «die uneingeschränkte Unterstützung der Vereinigten Staaten für die Souveränität Guyanas bekräftigt», teilte das Ministerium mit. Das Südkommando der US-Streitkräfte verlieh den Worten auf seine Weise Nachdruck und ließ Militärflugzeuge über Guyana aufsteigen.

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Ingo Kerp 10.12.23 14:10
Wenn mir der Nachbarsgarten gut gefaellt, lasse ich meine Familie darueber abstimmen, ob ich mir den aneignen soll. So simpel stellt sich der Nicht-Praesident Maduro wohl die Uebernehme eines Teils von Guyana vor. Das mag zwar von seiner desastroesen Politik fuer ein paar Tage ablenken, loest aber kein Problem.