Diskussion über über atomare Nachrüstung

Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg (M.). Foto: Olivier Hoslet
Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg (M.). Foto: Olivier Hoslet

BRÜSSEL (dpa) - In wenigen Wochen läuft ein US-Ultimatum zu russischen Mittelstreckenraketen aus. Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg will lieber nicht darüber spekulieren, worüber dann im Bündnis debattiert werden muss.

Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg schließt eine Diskussion über eine atomare Nachrüstung in Europa nicht mehr aus. Sollte Russland an seinen Marschflugkörpern vom Typ SSC-8 festhalten, bleibe dem Verteidigungsbündnis «nichts anderes übrig, als zu reagieren», sagte der Norweger der Deutschen Presse-Agentur in einem Interview zum Jahreswechsel. Über mögliche Elemente einer Reaktion wolle er allerdings nicht spekulieren, da dies «eine schwierige Situation nur noch schwieriger» machen würde. Grundsätzlich gebe es «viele verschiedene Wege, wie die Nato reagieren könnte».

Stoltenberg betonte, dass er weiter auf den Dialog mit Moskau setze. Es sei aber Russland, das aktuell den INF-Vertrag über den Verzicht auf atomare Mittelstreckenwaffen breche. «Derzeit gibt es keine neuen US-Marschflugkörper in Europa, aber es gibt neue russische Marschflugkörper», sagte er. Die SSC-8 sei mobil einsetzbar, lasse sich mit atomaren Sprengköpfen bestücken und könne europäische Städte erreichen. Wenn Russland nicht wieder vertragstreu werde, habe man «ein großes Problem».

Als möglicher Termin für eine erste Debatte zum Thema Nachrüstung gilt bei der Nato das Verteidigungsministertreffen Mitte Februar. Die USA hatten Moskau Anfang Dezember ein Ultimatum von 60 Tagen gesetzt, um die Zerstörung der SSC-8 zuzusagen. Wenn Russland den Vertrag verletze, ergebe es für die USA keinen Sinn mehr, im Vertrag zu bleiben, erklärte damals US-Außenminister Mike Pompeo. Demnach könnten die USA theoretisch bereits Anfang Februar ihrerseits mit dem Bau neuer atomarer Mittelstreckensysteme beginnen.

Für ein Einlenken Russlands gibt es bislang keinerlei Anzeichen. Russlands Präsident Wladimir Putin weist die Vorwürfe der Vertragsverletzung zurück und unterstellt der US-Regierung, die Vorwürfe nur als Vorwand für ein eigenes Rüstungsprogramm zu nutzen. Er spielt damit darauf an, dass US-Militärs sich bereits seit längerem darüber beklagen, dass der aus der Zeit des Kalten Krieges stammende INF-Vertrag nur Amerikaner und Russen, aber nicht aufstrebende Militärmächte wie China bindet.

Für Europa ist die Entwicklung brisant, weil es nach der Entwicklung neuer US-Waffen aller Voraussicht nach eine Diskussion über ihre Stationierung in Europa geben würde. Nach Auffassung von Militärs ließen sich nämlich nur so langfristig ein strategisches Gleichgewicht und Abschreckung sichern.

In Deutschland werden solche Szenarien höchst kritisch gesehen. «Nukleare Aufrüstung ist ganz sicher die falsche Antwort», sagte jüngst Bundesaußenminister Heiko Maas. Die Nachrüstungslogik stamme aus dem Kalten Krieg und helfe nicht, um die Fragen von heute zu beantworten. «Eine Stationierung neuer Mittelstreckenraketen würde in Deutschland auf breiten Widerstand stoßen», sagte er.

Stoltenberg äußerte dennoch die Hoffnung, dass die Nato im Fall der Fälle zusammenstehen werde. Das Außenministertreffen im Dezember habe aus seiner Sicht gezeigt, dass es den Willen gibt, die Sache gemeinsam im Rahmen der Nato anzugehen, sagte er. Sollte Russland nicht einlenken, müsse man sorgfältig die möglichen Konsequenzen bewerten und die unterschiedlichen Handlungsoptionen analysieren. «Am Ende sollte dann eine gemeinschaftliche Entscheidung der Nato stehen», sagte Stoltenberg.

Mit Blick auf die noch verbleibende Zeit bis zum Auslaufen der US-Frist rief der Norweger zu intensiven Dialogbemühungen auf. «Absolute Priorität ist es jetzt, Russland wieder zur Vertragstreue zu bewegen. Es gibt noch eine Möglichkeit, die wir versuchen müssen zu nutzen, egal ob sie klein oder groß ist», sagte er.

Grundsätzlich sei es wichtig, sich gerade in schwierigen Zeiten zusammenzusetzen und zu reden. «Ich setze ganz stark auf den Dialog mit Russland, weil Russland unser Nachbar ist und Russland unser Nachbar bleiben wird», betonte Stoltenberg.

Der Grünen-Bundestagsabgeordnete Jürgen Trittin forderte die Nato unterdessen auf, Russland konkrete Vorschläge zu machen. «Die Nato-Staaten sorgen sich um Iskander-Raketen in Kaliningrad und neue Marschflugkörper. Russland wiederum sorgt sich um die taktischen Atomwaffen in Büchel und die sogenannte Raketenabwehr in Osteuropa», kommentierte er. Die Nato solle deswegen vorschlagen, auf beides gemeinsam zu verzichten.

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Jurgen Steinhoff 06.01.19 05:35
Das Problem mit Putins Russland ist
dass sich das Regime nach den Grenzen der Sowjetunion zurück sehnt. Wâre Putin, der z.Zt des Mauerfalls in Berlin stationiert war, damals schon an der Macht gewsen, hätte er die DDR militärisch gehalten. Ihm missfiel zutiefst die Entspannungspolitick damals. Heute steht das Problem darin, dass die russische Regierung gerne lügt und vieles abstreitet,.... Es wäre wünschenswert wenn neue, ehrliche Politiker auf beiden Seiten einen Neuanfang machen könnten mit gegenseitigem Vertrauen.
Thomas Sylten 05.01.19 13:13
westliche Gesprächsbereitschaft ??
Einmal mehr scheint mir J.Trittins Vorschlag der vernünftigste zu sein: Es waren nicht die Russen, sondern der Westen, der die Entspannung nach dem Kalten Krieg dazu nutzte, sich militärisch immer näher an Russland ranzurobben. Einige osteuropäische Staaten haben sich durch Nato-Beitritt und bereitwillige Aufnahme von US-Raketenstützpunkten überhaupt erst zu potenziellen Zielen gemacht - keine sehr weise Politik. Dass Putin nun auch lernt und anfängt die einzige Sprache, die der Westen versteht - nämlich die der Stärkedemonstration - zu sprechen, stimmt mich nicht zuversichtlich, kann mich aber auch nicht verwundern..