Namensstreit zwischen Athen und Skopje

Die bestmögliche Lösung

Foto: epa/Georgi Licovski
Foto: epa/Georgi Licovski

ATHEN (dpa) - Warum darf die ehemalige jugoslawische Republik Mazedonien nach Ansicht vieler Griechen nicht Nord-Mazedonien heißen? Der Konflikt hat vorchristliche Wurzeln, ist aber so aktuell wie lange nicht mehr.

Bei einer Reise durch Mazedonien ging noch bis vor kurzem so manchem Griechen die Hutschnur hoch. Da fuhr man über die Autobahn «Alexander der Mazedonier» vorbei am Flughafen «Alexander der Große». Oder erblickte in der Hauptstadt Skopje ein bombastisches Denkmal Alexanders des Großen mit erhobenem Schwert auf einem steigenden Hengst - ausgerechnet jenes griechischen Volkshelden also, der um 330 v. Chr. herum das Zeitalter des Hellenismus begründete.

Autobahn und Airport wurden zwar mittlerweile umbenannt, um bei den Verhandlungen zwischen Athen und Skopje über eine Umbenennung Mazedoniens die Wogen zu glätten. Doch das besänftigte die griechische Volksseele kaum. Mehr als 70 Prozent geben Umfragen zufolge an, gegen den neuen Namen «Nord-Mazedonien» zu sein, den Ministerpräsident Alexis Tsipras und sein mazedonischer Amtskollege Zoran Zaev vergangenes Jahr ausgehandelt haben und dem das Parlament in Skopje bereits zugestimmt hat.

In Deutschland ist die Aufregung für viele nur schwer zu verstehen - nicht zuletzt, weil das Balkanland dort schlicht Mazedonien genannt wird. International aber läuft es unter dem Kürzel FYROM (Former Yugoslav Republic of Macedonia, Ehemalige Jugoslawische Republik Mazedonien), weil Athen sich seit dem Zerfall Jugoslawiens vor knapp 30 Jahren weigert, den Namen Mazedonien anzuerkennen. Erfolgreich blockiert das EU- und Nato-Mitglied Griechenland seither die Annäherung Mazedoniens an beide Blöcke.

In der Tat umfasst das geografische Gebiet Makedonien beides: die ehemalige jugoslawische Republik und die Region Makedonien in Nordgriechenland. Auf das kulturelle Erbe des historischen Makedoniens unter Alexander dem Großen, das sich Historikern zufolge hauptsächlich im heutigen Nordgriechenland erstreckte, wollen die Griechen jedoch nicht verzichten. Und auch das Nachbarland hat sich in der Frage in den vergangenen Jahrzehnten kaum versöhnlich gezeigt.

Neben der Autobahn und dem Flughafen mit Namen des antiken Feldherren nahe Skopje gab es auch mazedonische Schulbücher, die eine Ausweitung des Landes bis einschließlich der griechischen Halbinsel Chalkidiki zeigen. In der ersten mazedonischen Verfassung war zudem die Rede von möglichen Grenzänderungen und den Rechten der Angehörigen des mazedonischen Volkes. Entsprechend fürchten viele Griechen, der Nachbar könne über kurz oder lang Gebietsansprüche stellen.

Nun aber stehen die patriotischen Anliegen beider Länder handfesten wirtschaftlichen und internationalen politischen Interessen gegenüber. Sowohl Nato als auch EU wünschen sich Stabilität auf dem Balkan. Sie würden eine künftige Mitgliedschaft Mazedoniens begrüßen, auch weil Russland dort keinen Einfluss gewinnen soll.

Für Griechenlands Wirtschaft ist Mazedonien ein wichtiger Handelspartner, so wie umgekehrt Mazedonien auf den Hafen der nordgriechischen Stadt Thessaloniki angewiesen ist. Ganz abgesehen davon, dass es zwischen den Bürgern regen Austausch gibt und jedes Jahr viele der künftigen Nord-Mazedonier an griechischen Stränden urlauben.

Die griechische Regierung hat veranlasst, dass der Vertrag zum Namensabkommen an diesem Wochenende allen Zeitungen beiliegt. Und darin können die Griechen Erstaunliches lesen, wie ein politischer Beobachter in Athen sagt: «Der Vertrag ist die sehr gute Lösung eines Problems, bei der es keine Sieger, sondern nur die bestmöglichen Kompromisse geben kann.»

So unterscheidet das Schriftstück explizit zwischen dem politischen Nord-Mazedonien und einem Mazedonien im «historischen Kontext mit kulturellem Erbe». Tsipras betonte vergangene Woche im griechischen Parlament, Skopje habe zugesagt, dass mit dem vertraglichen Begriff «Nationalität» die Staatsbürgerschaft gemeint sei, jedoch nicht die Ethnie der Bürger des Landes definiert werde. Auch Grenzänderungen schließt das Dokument kategorisch aus.

Weil das in den Augen etlicher griechischer Politiker ein guter Kompromiss ist, wird das Abkommen im Parlament kommende Woche vermutlich genehmigt, obwohl gerade erst Tsipras' Koalition mit der rechtspopulistischen Partei Anel darüber zerbrach und Parlamentarier massiv bedroht wurden, damit sie nicht dafür stimmen.

«Was hat Griechenland davon?», fragen aufgebrachte konservative und rechte Politiker in Talkshows. Einen stabileren Nachbarn im Norden, der Konzessionen macht, argumentieren jene, die für das Abkommen sind. Denn letztlich habe Griechenland die gravierndsten Probleme nicht mit Nord-Mazedonien, sondern dem östlichen Nachbarn Türkei.

So jedenfalls argumentiert der ehemalige griechische Außenminister Nikos Kotzias, der den Namensdeal eingefädelt hat und wegen eines Streits darüber im Oktober zurückgetreten war. Er erklärte, das Abkommen habe nicht nur finanzielle, soziale, nationale und geostrategische Vorteile. Es sei es besser für Griechenland, seine diplomatischen Kräfte für wichtigere Fragen zu sparen - unter anderem für das Zypern-Problem und den schwierigen Nachbarn Türkei.

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