Kein Stückchen alt

​Archäologie in Griechenland 

Die Bibliothek des Deutschen Archäologischen Instituts Athen (DAI) beherbergt rund 90.000 Bände aus den vergangenen 150 Jahren. Foto: Nikos Chrisikakis/Deutsches Archäologisches Institut Athen/dpa
Die Bibliothek des Deutschen Archäologischen Instituts Athen (DAI) beherbergt rund 90.000 Bände aus den vergangenen 150 Jahren. Foto: Nikos Chrisikakis/Deutsches Archäologisches Institut Athen/dpa

ATHEN: Seit 150 Jahren entdecken Forscher des Deutschen Archäologischen Instituts Athen immer neue Altertümer. Die Arbeit sei mühsam und aufwendig, aber spannend wie eh und je, sagt Direktorin Katja Sporn.

Sie bedienen sich modernster Technologien, geben Satellitenbilder in Auftrag, digitalisieren gewaltige Bestände und sind stets auf der Suche nach neuen, uralten Schätzen: Seit 150 Jahren forschen Fachleute des Deutschen Archäologischen Instituts Athen (DAI) zur Antike in Griechenland. Am 22. März eröffnet in der griechischen Niederlassung des DAI eine Ausstellung, die das Wirken der Forscher über die vergangenen 150 Jahre beschreibt. Vor allem eines fällt dabei auf: Während die einstigen Archäologen durchaus Ähnlichkeit mit Indiana Jones hatten, wird heute sehr viel umsichtiger vorgegangen.

Wenig Gepäck und nur zwei Beinkleider, dafür pro Tag im Schnitt 22 Drachmen für Ausgaben wie Eisenbahn, Wagen, Reitpferd und Beköstigung - das riet einst der berühmte deutsche Archäologe und Architekt Wilhelm Dörpfeld den meist elitären Reisegruppen, die sich im 19. Jahrhundert in Griechenland auf Altertums- und Schatzsuche machten. Dörpfeld selbst forschte und grub unter anderem im antiken Olympia und in Troja. Von 1887 bis 1912 war er Direktor des DAI Athen. Dort sind seine Aufzeichnungen einzusehen.

Heute leitet die Archäologin Katja Sporn das DAI mit Sitz in einem spätklassizistischen Gebäude in der Athener Phidiasstraße 1. Der Bau selbst atmet Geschichte. Er beherbergt unter anderem eine Bibliothek mit rund 90.000 Büchern und eine Fotothek mit rund 150.000 Bildern aus den vergangenen 150 Jahren.

Das Interesse der Menschen an Archäologie sei groß, sagt Sporn. «Es hat sich nach einem vorübergehenden Knick in den letzten Jahren sogar wieder verstärkt.» Die Zielrichtung jedoch habe sich verändert. «Uns interessieren heute die Zusammenhänge. Wenn wir früher gesagt haben «Oh, den Parthenon-Tempel, wo kann man den in der bautypologischen Entwicklung oder der Skulpturen-Entwicklung einordnen?», dann würde man heute fragen «Was hatte der eigentlich für eine Funktion?»» In welchem Kontext der Tempel erbaut wurde, was für eine politische Bedeutung er hatte und was die Menschen dort machten - das sei das, was heutige Besucher und auch die Archäologen interessiere.

Dabei gehen die Experten längst nicht mehr so vor wie einst. «Früher war das Ziel, möglichst schnell möglichst viele Monumente und bewegliche Denkmäler ans Licht zu befördern», sagt Sporn. «Heute gräbt man langsam und vorsichtig und dokumentiert jeden Schritt akribisch.» Besonders wichtig sei es, auch Bereiche unangetastet zu lassen - damit die Archäologen der Zukunft mit Methoden daran arbeiten können, die bislang noch gar nicht erfunden wurden.

Die griechischen Kollegen schätzen die Zusammenarbeit nicht nur mit dem deutschen, sondern auch anderen ausländischen archäologischen Instituten - 19 gibt es insgesamt in Griechenland, darunter ein amerikanisches, ein französisches und ein britisches. «In seiner 150-jährigen Geschichte hat das DAI seiner Rolle alle Ehre gemacht», sagt Kostas Paschalidis, Präsident des Verbands Griechischer Archäologen (SEA). Zwei Aspekte seien besonders hervorzuheben: «Sie arbeiten höchst innovativ - und sie sind legal.» Die Arbeit des DAI wird stets eng mit dem griechischen Kulturministerium abgestimmt. Zudem seien die Kollegen des DAI mit ihren Niederlassungen in aller Welt bestens vernetzt. «Ihre wissenschaftlichen Erkenntnisse finden weltweit Verbreitung», sagt Paschalidis.

Im Arbeitsalltag der Archäologen ist das DAI nicht wegzudenken. «Die Zahl der Altertümer ist so groß, dass wir diese Arbeit niemals alleine schaffen könnten», sagt die griechische Archäologin Eleni Stylianou. Die ausländischen Kollegen hätten viel Erfahrung und gingen äußerst methodisch vor, lobt sie. «Die Basis der Zusammenarbeit ist ein Geben und Nehmen: Die ausländischen Experten finden hier Altertümer, die es in ihrer Heimat nicht gibt, und wir profitieren von ihrem Know-how, ihrer Arbeit und dem finanziellen Einsatz der Institute.»

Die Archäologen des DAI bringen zahlreiche Wissenschaften ein. Zu den interdisziplinären Teams gehören etwa Geologen, Biologen, Paläobotaniker und -zoologen, Soziologen und natürlich Informatiker. Und sie setzen Technologien ein, von denen ihre Vorgänger nicht einmal träumen konnten - unter anderem Flugzeuge, Drohnen und sogar Satelliten.

So haben die Experten im Rahmen eines Projekts zuletzt ein rund 150 Quadratkilometer großes Gebiet im Flusstal des Kephissos am Gebirge Parnass aus der Luft mit Laser abgetastet. «Aus den Ergebnissen kann man Modelle erstellen - etwa den Bewuchs der Region digital entfernen und so entdecken, wie die Erdoberfläche aussieht», erklärt Katja Sporn. Das Team wurde fündig: Gut 1300 sogenannte Anomalien fanden die Wissenschaftler, zunächst als gerade Linien, die in der Natur nicht vorkommen und deshalb auf Menschengemachtes hinweisen. «Wir haben Dörfer entdeckt, an die sich nicht einmal mehr die Einheimischen erinnerten», sagt Sporn.

Zwar wisse man zunächst nicht, ob die Funde wirklich in die Zeit fallen, mit der die Archäologen des DAI sich befassen - von der minoischen Kultur ab ungefähr 3000 vor Christus bis zur Spätantike rund 500 nach Christus - doch in jedem Fall werden sich die Fundstellen genauer angeschaut.

Aber gibt es wirklich noch so viel zu entdecken? Die Archäologin lacht. «Ja natürlich! In Olympia zum Beispiel suchen wir immer noch nach dem Hippodrom.» Der griechische Reiseschriftsteller Pausanias beschrieb es um 150 nach Christus im Detail, bis heute blieb es unentdeckt. «Dabei ist eine Pferderennbahn ja nun nicht gerade klein.»

Das antike Olympia gehört neben den archäologischen Stätten Kerameikos in Athen, Kalapodi in Mittelgriechenland, dem Heraion auf Samos und dem Kephissos-Tal zu den zentralen Projekten des DAI. Jüngste Forschungen deuten darauf hin, dass es in Olympia sogar einen Hafen gegeben haben könnte. «Das würde unser Bild völlig verändern, denn dann hätte es damals ganz andere Möglichkeiten gegeben, dort anzureisen», sagt Sporn.

Ihre Begeisterung rührt nicht zuletzt daher, dass es «für alles, was wir in der Antike sehen, Parallelen zu heute gibt». Oder umgekehrt: Alles sei schon mal da gewesen - kulturelle Blüten, neue Entwicklungen, Handel, Migration, aber auch Katastrophen wie Überschwemmungen und Erdbeben. Wie die Menschen damals darauf reagierten - das gehöre zu den Kernfragen, die heutige Archäologen beantworten wollten.

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