Nahostkrise: Aktuelles Geschehen am Sonntag

Nahostkrise: Aktuelles Geschehen am Sonntag

Welternährungsprogramm stoppt Hilfsgüterverteilung über Pier vor Gaza

GAZA: Das Welternährungsprogramm WFP stößt auf neue Probleme bei der Ernährungshilfe für die Menschen im Gazastreifen. WFP-Leiterin Cindy McCain spricht von Sicherheitsproblemen.

Das Welternährungsprogramm (WFP) hat die Verteilung von Hilfsgütern für die Menschen im Gazastreifen über eine provisorische Anlegestelle vor dem Küstengebiet vorerst gestoppt. Sie sei um die Sicherheit der Mitarbeiter besorgt, nachdem zwei Lagerhäuser ihrer Organisation am Samstag unter Raketenbeschuss gekommen seien, sagte WFP-Direktorin Cindy McCain dem US-Fernsehsender CBS am Sonntag (Ortszeit). Wie es dazu kommen konnte, wisse sie nicht. Ob sich McCain auf die Vorgänge um die gewaltsame Befreiung von vier Geiseln aus den Händen der islamistischen Hamas durch die israelische Armee im Zentrum des Gazastreifens bezog, war unklar.

Ein Mitarbeiter der Organisation wurde laut McCain verletzt. «Wir ziehen uns also vorläufig zurück, bis klar ist, dass wir (...) uns wieder auf sicherem Boden befinden.» Wo genau sich die Lagerhäuser befinden, sagte sie nicht. Ansonsten liefen die Hilfaktivitäten im restlichen Gazastreifen aber weiter, betonte sie. Die israelische Armee wisse, wo in dem Küstengebiet das WFP-Team präsent sei.

McCain war nach der Hilfsgüterverteilung über ein vom US-Militär errichtetes Pier im Meer vor Gaza gefragt worden. Das für den Nahen Osten zuständige US-Regionalkommando (Centcom) hatte noch am Samstagabend erklärt, über den Pier kämen wieder Hilfslieferungen. Die Anlegestelle war zuvor wieder repariert worden, nachdem sie Ende Mai nur wenige Tage nach Fertigstellung bei rauem Wellengang schweren Schaden genommen hatte. Am Freitag stellte das Pentagon in Aussicht, dass bald wieder der Betrieb aufgenommen werden könne.


Streit um Zukunft Gazas: Minister Gantz verlässt Israels Regierung

TEL AVIV: Wegen Meinungsverschiedenheiten über die Zukunft des Gazastreifens verlässt Minister Benny Gantz die in Israel nach dem Terrorangriff der islamistischen Hamas vom 7.

Oktober gebildete Notstandsregierung. Gantz verkündete den Schritt am Sonntagabend vor Journalisten.


Versagen am 7. Oktober: Kommandeur der Gaza-Division erklärt Rücktritt

TEL AVIV/GAZA: Der Kommandeur der Gaza-Division der israelischen Armee hat wegen Versagens am 7. Oktober, dem Tag des Hamas-Massakers in Israel, seinen Rücktritt erklärt. Brigadegeneral Avi Rosenfeld veröffentlichte am Sonntag ein entsprechendes Schreiben. «Am 7. Oktober bin ich an der Aufgabe meines Lebens, das Gaza-Grenzgebiet zu schützen, gescheitert», schrieb Rosenfeld in dem Brief. Er werde daher als Kommandeur zurücktreten und die Armee verlassen. Der Schritt soll aber erst in Kraft treten, wenn ein Nachfolger gefunden wird.

Im April hatte bereits der Chef des Militärgeheimdienstes, Aharon Chaliva, seinen Rücktritt erklärt. Auch Israels Verteidigungsminister Joav Galant und der Chef des Inlandsgeheimdienstes, Ronen Bar, hatten Verantwortung dafür eingeräumt, dass der blutige Terrorangriff der islamistischen Terrororganisation Hamas mit mehr als 1200 Toten passieren konnte. Ministerpräsident Benjamin Netanjahu hat dagegen noch keine persönliche Verantwortung übernommen.


Danny Danon soll erneut Israels UN-Botschafter werden - löst Erdan ab

TEL AVIV: Danny Danon, ranghohes Mitglied in der rechtskonservativen Likud-Partei des Ministerpräsidenten Benjamin Netanjahu, soll zum zweiten Mal Israels UN-Botschafter werden. Dies entschieden Netanjahu und Außenminister Israel Katz, wie Netanjahus Büro am Sonntag mitteilte. Die Ernennung des 53-Jährigen muss noch von der Regierung gebilligt werden.

Danon soll den gegenwärtigen UN-Botschafter Gilad Erdan (ebenfalls 53) ablösen. Dieser war wiederum 2020 Danons Nachfolger auf dem Posten gewesen. Erdan hatte immer wieder mit dramatischen Auftritten für Aufmerksamkeit gesorgt. Im Oktober steckte er sich etwa vor dem Weltsicherheitsrat einen gelben Davidstern mit den Worten «Never Again» («Nie wieder») ans Revers. Dies erinnerte an Sterne, die die Nazis im Dritten Reich Juden als Kennzeichen aufgezwungen hatten.

«Wir werden den Stern tragen, bis Sie die Gräueltaten der Hamas verurteilen und Sie die sofortige Freilassung unserer Geiseln fordern», sagte er damals mit Blick auf das Massaker der islamistischen Terrororganisation Hamas im israelischen Grenzgebiet, bei dem mehr als 1200 Menschen getötet und mehr als 250 verschleppt worden waren.

Im vergangenen Monat schredderte Erdan vor dem Rednerpult in einem symbolischen Akt Zettel, auf denen «Charta der Vereinten Nationen» stand. Damit protestierte er gegen eine Resolution der Vollversammlung der Vereinten Nationen, die die Rolle der Palästinenser innerhalb des größten UN-Gremiums deutlich stärkt. Die mit überwältigender Mehrheit angenommene Resolution in New York räumt dem Beobachterstaat Palästina eine deutlich erweiterte Teilnahme an den Sitzungen der Vollversammlung ein, gibt ihm aber kein reguläres Stimmrecht.


US-Militär: Gaza-Pier nicht bei Befreiung der Geiseln genutzt

WASHINGTON: Das US-Militär dementiert Gerüchte in den sozialen Medien, wonach israelische Spezialkräfte bei der Befreiung von vier Geiseln die provisorische Anlegestelle vor der Küste des Gazastreifens genutzt haben sollen. «Der humanitäre Pier, einschließlich seiner Ausrüstung, seines Personals und seiner Mittel, wurde bei der Operation zur Rettung der Geiseln in Gaza nicht eingesetzt», teilte das für den Nahen Osten zuständige US-Regionalkommando (Centcom) am Samstagabend mit. Zuvor war online ein Video kursiert, auf dem offensichtlich zu sehen ist, wie ein Helikopter des israelischen Militärs nahe dem Pier vom Strand abhebt.

Den US-Angaben zufolge wurde ein Bereich südlich der Anlage von den Israelis genutzt, um die Geiseln nach Israel zurückzubringen. «Alle gegenteiligen Behauptungen sind falsch», hieß es in der Mitteilung. Der Pier sei einzig zu dem Zweck errichtet worden, «dringend benötigte lebensrettende Hilfe nach Gaza zu bringen». Auch das israelische Militär wies Vorwürfe zurück, die Truppen seien getarnt in humanitären Hilfsfahrzeugen oder über den US-Pier in das Gebiet eingedrungen.


Sechs Kandidaten für Irans Präsidentschaftswahl zugelassen

TEHERAN: Im Iran hat der mächtige Wächterrat eine große Mehrheit der Kandidaten von der Präsidentschaftswahl ausgeschlossen. Damit gehen am 28. Juni insgesamt sechs Kandidaten ins Rennen, wie ein Sprecher der Wahlbehörde am Sonntag im Staatsfernsehen verkündete. Das Nachsehen hatten wie in der Vergangenheit vor allem gemäßigte Kandidaten. Insgesamt 80 Iranerinnen und Iraner hatten sich für die Wahl beworben.

Die Neuwahl folgt auf den Tod von Präsident Ebrahim Raisi, der am 19. Mai bei einem Hubschrauberabsturz ums Leben gekommen war. Im Iran ist der Präsident anders als in vielen anderen Ländern nicht das Staatsoberhaupt, sondern Regierungschef. Die eigentliche Macht konzentriert sich auf den Religionsführer Ajatollah Ali Chamenei. Der 85-Jährige übt auch entscheidenden Einfluss auf den Wächterrat aus. Als Folge können Wahlberechtigte nur aus einem Kreis systemtreuer Kandidaten wählen.

Dem sogenannten Wächterrat gehören zwölf islamische Geistliche und Juristen an, die jeweils zur Hälfte vom Parlament gewählt und von Religionsführer Chamenei ernannt werden. Der Rat entscheidet über die Verfassungskonformität von Gesetzen und auch über die Qualifikation von Kandidaten bei den Wahlen. Wegen seiner herausragenden Rolle im politischen System wurde der Rat in der Vergangenheit als undemokratisches Gremium kritisiert. Der 97 Jahre alte Ajatollah Ahmad Dschannati ist Vorsitzender des Rats.


Hamas-Gesundheitsbehörde: Zahl der Toten in Nuseirat auf 274 gestiegen

GAZA/TEL AVIV: Bei einem israelischen Militäreinsatz zur Befreiung von Geiseln im Gazastreifen sind nach Angaben der von der Hamas kontrollierten Gesundheitsbehörde mindestens 274 Menschen getötet worden. Die Behörde teilte am Sonntag weiter mit, dass bei dem Vorstoß in das Flüchtlingsviertel Nuseirat außerdem knapp 700 Menschen verletzt wurden.

Damit seien seit Kriegsbeginn vor acht Monaten insgesamt mehr als 37.000 Palästinenser im Gazastreifen getötet und rund weitere 84.500 verletzt worden, hieß es. Die Angaben, die nicht zwischen Kämpfern und Zivilisten unterscheiden, lassen sich derzeit nicht unabhängig überprüfen. Die Palästinenser werfen Israel ein Massaker an Zivilisten vor.

Israelische Spezialeinheiten hatten am Samstag in Nuseirat vier Geiseln aus zwei Gebäuden befreit. Sie waren während des Hamas-Massakers im israelischen Grenzgebiet am 7. Oktober von einem Musikfestival verschleppt worden. Nach israelischen Informationen werden weiterhin 120 Geiseln in dem Küstenstreifen festgehalten. Es wird befürchtet, dass viele davon nicht mehr am Leben sind.

Nach Armeeangaben kam das Rettungsteam während des Einsatzes in Nuseirat unter heftigen Beschuss und lieferte sich auch in den Gassen des dicht besiedelten Viertels Feuergefechte mit zahlreichen bewaffneten Palästinensern.


Türkei verurteilt Geisel-Einsatz in Gaza als «barbarischen Angriff»

ISTANBUL: Die Türkei hat den Einsatz zur Befreiung von Geiseln im Gazastreifen als «barbarischen Angriff» verurteilt und Israel Kriegsverbrechen vorgeworfen. «Mit diesem jüngsten barbarischen Angriff hat Israel der Liste der Kriegsverbrechen ein weiteres hinzugefügt», erklärte das Außenministerium in Ankara am Sonntag, ohne die Geiselbefreiung zu erwähnen.

Israels Militär hatte am Samstag im Zentrum des Gazastreifens vier aus Israel entführte Menschen aus einer acht Monate langen Geiselhaft befreit. Nach Angaben einer Behörde der islamistischen Hamas wurden 210 Palästinenser getötet. In Nuseirat seien zudem rund 400 Menschen verletzt worden. Die Angaben ließen sich zunächst nicht unabhängig überprüfen.

Die von der Hamas kontrollierte Gesundheitsbehörde sowie medizinische Kreise im Gazastreifen hatten zuvor von 55 Toten gesprochen. Israels Armee-Sprecher Daniel Hagari wiederum sprach von weniger als 100 Todesopfern.

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