Malis Regierung verlangt Abzug von UN-Friedensmission Minusma

Soldaten aus Mali nehmen an einer Zeremonie anlässlich des 60. Jahrestages der Unabhängigkeit Malis in Bamako teil. Foto: epa/H.diakite
Soldaten aus Mali nehmen an einer Zeremonie anlässlich des 60. Jahrestages der Unabhängigkeit Malis in Bamako teil. Foto: epa/H.diakite

NEW YORK/BAMAKO: Mehr als 10.000 UN-Friedenssoldaten sollen den von Islamisten heimgesuchten Krisenstaat in Westafrika stabilisieren. Die Junta sieht sich dagegen bei ihrem von Russland unterstützten harten Kurs gegen die Terroristen gegängelt. Nun kommt es zum offenen Bruch.

Die Militärregierung des westafrikanischen Krisenstaats Mali fordert den sofortigen Abzug der seit einem Jahrzehnt im Land stationierten UN-Friedensmission Minusma. Außenminister Abdoulaye Diop beschuldigte die Blauhelme der Vereinten Nationen, darunter auch Hunderte Bundeswehr-Soldaten, «Teil des Problems» geworden zu sein, anstatt ausreichend auf die Sicherheitslage reagiert zu haben. «Vor diesem Hintergrund fordert die malische Regierung den unverzüglichen Rückzug von Minusma. Die Regierung ist jedoch bereit, diesbezüglich mit den Vereinten Nationen zusammenzuarbeiten», sagte Diop im UN-Sicherheitsrat am Freitag.

Malis Übergangsregierung unter Oberst Assimi Goïta bekräftigte am späten Freitagabend ihre «strategische» Entscheidung, den Abzug der Minusma zu fordern. Es sei «unmöglich, den Frieden zu wahren in einer Situation, in der es keinen Frieden zu wahren gibt», teilte sie mit. Sie warf der UN-Mission vor, das Mandat zur Unterstützung der malischen Autoritäten ins Gegenteil verkehrt zu haben.

Die Ankündigung der Militärjunta kam kurz vor einem lang erwarteten Verfassungsreferendum in Mali an diesem Sonntag. Die 23 Millionen Bürger Malis sollen mehr als zwei Jahre nach dem letzten Militärputsch über eine neue Verfassung abstimmen, was als erster Schritt hin zu Präsidentschaftswahlen bis kommendem März gilt. Die Übergangsregierung wirbt offensiv für die Annahme des Entwurfs, der unter anderem dem Präsidenten mehr Macht verleiht.

Die UN-Mission zur Stabilisierung des Landes ist seit 2013 in Mali aktiv, nachdem islamistische Terroristen in Folge des Zusammenbruchs des angrenzenden Libyen und einer Rebellion der nomadischen Tuareg 2012 den Norden des Landes am Rande der Sahara überrannt hatten. Eine Militärintervention der früheren Kolonialmacht Frankreich drängte die teils mit den Terrormilizen IS und Al-Kaida verbündeten Islamisten nur vorübergehend zurück. Die Terrorgruppen breiten sich seitdem im Norden und Zentrum Malis und in seinen Nachbarstaaten aus.

Das Militär übernahm 2020 und 2021 in zwei Putschen die Macht in dem Sahelstaat mit rund 23 Millionen Einwohnern und wandte sich Russland zu, von dem es sich robustere Hilfe gegen die Islamisten versprach. Während die Militärjunta nur von Ausbildern spricht, sind Schätzungen zufolge bis zu 2000 russische Wagner-Söldner im Land aktiv.

Frankreich beendete daraufhin seinen Militäreinsatz. Deutschland will seine Soldatinnen und Soldaten zum 31. Mai 2024 abziehen. Der Bundestag hatte Ende Mai das Mandat letztmalig verlängert. Derzeit sind knapp 1100 Bundeswehrsoldaten in Mali. Die Bundeswehr wurde zuletzt immer wieder eingeschränkt. So verweigerte Bamako etwa Fluggenehmigungen für die von den Deutschen im UN-Auftrag betriebene Aufklärungsdrohne Heron.

Die Vereinten Nationen sind für den Betrieb einer Friedensmission auf das Einverständnis des Landes angewiesen. Das Mandat der Minusma hätte vom UN-Sicherheitsrat bis zum 30. Juni um ein weiteres Jahr verlängert werden müssen. Der Missionsleiter und Sonderbeauftragte des UN-Generalsekretärs, El-Ghassim Wane, sagte im Sicherheitsrat, dass die Minusma alles daran gesetzt haben, ihr Mandat trotz der «vielfältigen Einschränkungen, denen sie ausgesetzt ist, darunter auch Einschränkungen der Bewegungsfreiheit» bestmöglich umzusetzen.

«Die Beziehungen zwischen Mali und Minusma haben sich seit der Ankunft der Russen verschlechtert. Mali will nicht, dass die Minusma Menschenrechtsverletzungen der Armee und der Russen untersucht. Der Bericht zum Massaker in Moura hat das Tischtuch endgültig zerrissen», sagte der Regionalbüroleiter der Konrad-Adenauer-Stiftung, Ulf Laessing. Die UN erhoben im Mai schwere Vorwürfe. Im Bericht war von mehr als 500 Toten, Hinrichtungen und Dutzenden Vergewaltigungen bei einem Einsatz der malischen Armee gegen Islamisten im März 2022 in dem Dorf in der Region Mopti die Rede. Zeugen schilderten demnach, dass auch «bewaffnete weiße Männer» vor Ort gewesen seien.

Malis Außenminister wies «die voreiligen Schlussfolgerungen des voreingenommenen Berichts» am Freitag erneut zurück. «Wir sehen in diesem Bericht eine echte Entschlossenheit einiger Staaten, unsere gemeinsame Organisation zu instrumentalisieren, um Mali für seine souveränen Entscheidungen zu schaden oder gar zu bestrafen», sagte Diop. Die Junta hatte sich bereits im Mai scharf gewehrt und erklärt, Zivilisten aus Moura seien dabei nicht ums Leben gekommen.

Die Sicherheitslage vor allem im Zentrum des Landes hat sich seit dem Kurswechsel der Regierung nicht verbessert. Experten beobachten, dass härteres Vorgehen den Islamisten mehr Zulauf verschafft. Im Rahmen der UN-Mission sind in Mali früheren Angaben zufolge noch rund 12.000 Soldaten eingesetzt. Die Deutschen sind hauptsächlich nahe der Stadt Gao im Nordosten des Landes im Einsatz, wo sich auch Flüchtlingscamps mit Zehntausenden Menschen befinden. Mali gilt als gefährlichste UN-Friedensmission. Seit 2013 starben rund 170 Blauhelme.

KAS-Experte Laessing sagte: «Der Abzug würde die Sicherheitslage nochmal verschlechtern. Die Minusma baut auch Schulen, rüstet Polizeistationen aus - sie ersetzt den Staat, der in der Fläche nicht präsent ist. Tausende würden über Nacht arbeitslos, die sich mangels Alternativen Banditen oder Dschihadisten anschließen würden.» Minusma sorge in Städten für Sicherheit, in die etwa Binnenflüchtlinge zögen um den Terrormilizen zu entkommen. «Die würden dann weiter nach Niger und auf die Libyen-Route fliehen.»

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Thomas Knopf 18.06.23 12:25
Selbstbestimmung
Hartmuthl Wirth:.. denke einerseits auch so, aber gerade in D. haben wir ja "hautnah" mitbekommen, wie sich das eigene Volk 1943-45 aber sowas von gegen seine eigene Regierung erhoben hat. Und den Wandel ohne Einmischung vollzog.
Um nur ein Beispiel von vielen zu nennen.
Viele der Konflikte in Afrika haben ja immer noch mit der Kolonialzeit zu tun, und seien es nur durch die "mit dem Lineal" gezogene Grenzen.
Von der Ausbeutung von Ressourcen über jahrhunderte ganz zu schweigen.
So wie die US in vielen Teilen der Welt quasi "ihre" Ordnung schaffte, hat auch Frankreich in seinen ehemaligen Kolonien dafür gesorgt, das allzuviel Unabhängigkeit verhindert wurde.
Es gab genug charismatische, demok. gewählte Reg. Chefs die dann aber, oft mit Hilfe des Westens, eliminiert und durch einen korrupten Diktator ersetzt wurde.
Es liegt also nicht unbedingt an der fehlenden Intelligenz, wie ein anderer hier schrieb, sondern eher an den Intrigen aus dem Ausland.
Das jetzt auch aus "humanitären" Gründen eingegriffen wird, liegt wohl auch daran, weitere Bootspeople/Mittelmeer zu verhindern. Wir sind aber wohl einer Meinung : der kl. Mann/die kleine Frau, welche tägl. um ihr Überleben ringen, sind, wie so oft die Leidenden. Das "eigentliche" Problem, sind zuviele junge, perspektivlose Männer, siehe Wagner oder islam. Kämpfer. Youth Bulb, wie es Prof. Gunnar Heinsohn schrieb.
Hartmut Wirth 17.06.23 17:20
Mali und Wagner
Wenn die politisch Verantwortlichen nur von Wagner Unterstützung haben wollen: Blauhelme raus aus Mali. Und keine Flüchtlinge in Europa aufnehmen!! Eine Änderung der politischen Verhältnisse kann nur vom malischen Volke ausgehen. Einmischung von Außen bringt immer Unruhe und Gewalt.
Stefan Meinke 17.06.23 14:50
Traurig
Mali ist eines der Länder, welche sich aufgrund der korrupten Regierung schon längst an die Wagnergruppe verkauft hat. Eine generell sehr schlechte Entwicklung in Afrika.
Eigentlich müsste man denen das Selbstbestimmungsrecht aufgrund fehlender Intelligenz entziehen.
Ingo Kerp 17.06.23 14:50
Es dürfte klar sein, was man unter einem "robusten" Vorgehen der teilweise aus dem Knast geholten Moerder der Wagner-Truppe zu verstehen hat.