Lufthansa verzichtet auf „Damen und Herren“

Foto: Orlando Bellini/Fotolia.com
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Welche Themen bestimmen den Diskurs in Deutschland in den Wochen vor der Bundestagswahl 2021? Wie auch vor den Bundestagswahlen 2013 und 2017 fällt auf, Unwesentliches rückt ins Zentrum der Betrachtung, wirklich Wichtiges fällt entweder ganz unter den Tisch oder wird bestenfalls am Rande erwähnt. Aber: Es wird zumindest etwas unterhaltsamer! Hat man sich vor einigen Jahren noch mit Autobahnmaut gelangweilt, stehen aktuell Gender und menstruierende Männer im Fokus.

Nicht nur für alte weiße Männer wird es zunehmend schwierig, dem skurrilen Geschehen überhaupt noch zu folgen. Die öffentliche Meinung hat mit der veröffentlichten Meinung besonders der öffentlich-rechtlichen Medien nicht mehr viel zu tun. Auch in Österreich kämpft der ORF zunehmend mit rückläufigen Einschaltquoten. Nachvollziehbar, denn Natur- und Tierfilme mögen nach wie vor attraktiv sein, im politischen Bereich ist die einseitige Berichterstattung zwischenzeitlich aber kaum noch zu ertragen.

Menstruierende Männer neues Polittikum

Kurz vor der Wahl wird schwerpunktmäßig über persönliche Schwächen der Kandidaten berichtet. Inhalte? Fehlanzeige. Wenn die SPD zu Wehners Zeiten beherzt für die Verbesserung der Arbeitsbedingungen gekämpft hat, höhere Löhne und Renten gefordert hat, so beschäftigen sich SPD-Parteitage aktuell publikumswirksam mit menstruierenden Männern und kämpfen für mehr Mülleimer auf Männerklos. Das Problem dabei: Der normale Mensch schüttelt den Kopf und verliert die Verbindung. Ähnlich verhält es sich im ebenfalls SPD geführten Außenministerium. Dort ist man neuerdings ebenfalls „woke“ unterwegs und auch der Minister bekennt sich persönlich in Interviews zur neuesten Mode aus den USA. Auch im Mitarbeitermagazin des Auswärtigen Amtes wird gefordert, dass die Behörde „woke“ werden soll. Viele Menschen verstehen gar nicht, was gemeint ist. Man spricht vom „Zu blass und männlich“-Phänomen, das nun mit „woke“ und Quoten bekämpft werden soll. Laut Berliner Zeitung heißt es in dem Beitrag weiter, dass zunächst Menschen mit Migrationshintergrund, Frauen und Ostdeutsche eingestellt werden sollen. Planwirtschaftlicher geht es kaum. Defacto geraten die Interessen der Mehrheitsgesellschaft aus dem Fokus. Zeit sich zu wehren!

Personendaten statt Demokratie

Neben der vergleichsweise harmlosen Idee der Lufthansa, die Anrede „Damen und Herren“ abzuschaffen, wird es in der „Smart City Charta“, einem Papier des SPD geführten Ministeriums für Umwelt und Naturschutz, deutlich ernster. Dort denkt man offen in englischer Sprache über die „Post-Voting Society“ nach, also über eine Gesellschaft nach dem Zeitalter von Wahlen. Genau ist dort zu lesen:

„Da wir genau wissen, was Leute tun und möchten, gibt es weniger Bedarf an Wahlen, Mehrheitsfindungen oder Abstimmungen. Verhaltensbezogene Daten können Demokratie als das gesellschaftliche Feedbacksystem ersetzen.“

Ein Alptraum und verfassungswidrig, denn noch geht alle Macht vom Volke aus. Diese Ansätze müssen im Keim erstickt werden.

Politik konzentriert sich auf Belangloses

Während sich Deutschland mit Nebensächlichkeiten beschäftigt, wachsen global die Bedrohungen für den Frieden und die Freiheit. Vor der Krim kreuzen britische und niederländische Kriegsschiffe, Russland sieht sich mit dem Atom-U-Boot „Prinz Wladimir“ in der Ostsee Anfang Juli Fehmarn aus der Nähe an. In den USA steigt die Kriminalität sprunghaft wie seit Jahrzehnten nicht, die dortige politische Entwicklung lässt weitere Spaltung erwarten. Besserung ist nicht in Sicht. China setzt unbeirrt seinen Weg nach seinen eigenen Regeln fort, sammelt überall auf der Welt u.a. auch Gen-Daten von ungeborenen Kindern und Schwangeren. Dies ist eine willkürliche Auswahl an internationalen aktuellen Themen, die einen interessieren könnten, national könnte man beispielsweise die Pläne des CDU-Kanzlerkandidaten hinterfragen: Wie soll sein „Modernisierungsjahrzehnt“ genau aussehen? Wie geht klimaneutrale Industrie? Wer kauft grünen Wassersoff und zu welchem Preis? Will der Staat derartige Projekte subventionieren?

Die Welt wird sich in den nächsten Jahren und Jahrzehnten trotz aller Herausforderungen positiv entwickeln. Wenn Europa seinen Wohlstand halten will, muss es sich wieder den wesentlichen Themen widmen. Zum Schluss zurück zur Lufthansa: Wenn schon die Lufthansa auf „Damen und Herren“ verzichtet, wie wäre es, wenn die Damen und Herren mal vorläufig auf die Lufthansa verzichten würden?


Über den Autor

Christian Rasp ist Rechtsanwalt und seit 1992 in Thailand, Hong Kong und China tätig. Er leitet ein spezialisiertes Consulting Haus und ist seit 2016 als Chairman einer der ältesten digitalen Marketingagenturen in Südostasien tätig. Feedback zum Gastbeitrag per E-Mail erwünscht!

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