K.-o-Tropfen

K.-o-Tropfen

Wie blöde müssen eigentlich Touristen sein, die zum ersten Mal nach Thailand kommen, ein Hotelzimmer buchen und sich aufmachen in die nächstbeste Bar, wobei sie auf dem Weg dorthin zwei wunderschönen Mädchen begegnen, die sie verliebt anlächeln, und die sich dann von ihnen einladen lassen, mit ihnen auf einen Drink aufs Zimmer zu kommen?

Aus vielen mir bekannten Fällen habe ich mir einen ausgesucht, der mir symptomatisch erscheint. Dieser Tourist heißt Harry Münster, ist 66 Jahre alt, kommt aus Lübeck, war Päda­goge und ist seit vier Jahren Witwer. Seit vier Jahren hat ihn schon keine schöne Frau mehr angelächelt. Und jetzt gleich zwei. Das kann ein Urlaub werden! Im Hotel bestellt er eine Flasche Sekt aufs Zimmer. „Zum Wohl“! – Sawasdee kha“! Er bestellt eine zweite Flasche. Die Frauen sind lieb und nett zu ihm. Wer weiß, was sich daraus noch entwickeln kann? Er entschuldigt sich, muss kurz mal aufs Klo. Als er zurückkommt, sind die Gläser wieder gefüllt. „Wie heißt ihr eigentlich?“, kann er gerade noch fragen, während er einen Schluck nimmt, der weder anders riecht oder schmeckt als zuvor. Dann wird ihm schwarz vor Augen, er sinkt im Sessel zurück und wird ohnmächtig. Die beiden schönen Damen, die in Wirklichkeit keine Damen sind, sondern Ladyboys, beginnen sogleich das Gepäck von Harry zu durchsuchen, finden ein iPhone, eine Uhr, Schmuck und Geld in beträchtlicher Höhe. Dann verlassen sie in aller Ruhe das Hotel. Als er am anderen Morgen erwacht, kann er sich zuerst an nichts mehr erinnern. Was war da? Ach ja, die zwei schönen jungen Frauen. Aber was ist da geschehen? Dann bemerkt er, dass sein Gepäck völlig durcheinander ist, dass Wertsachen, sogar sein Reisepass verschwunden sind. Er ruft nach dem Hotel-Direktor, der sofort begreift, was hier geschehen ist, und der die Polizei herbeiruft. Die Kameras, die überall im Hotel angebracht sind, zeigen die Diebinnen ganz klar und deutlich. Einer der Polizisten erinnert sich sogar an sie. „Die waren schon mehrmals bei uns auf dem Revier. Das sind Kathoeys, Ladyboys.“ Sie wurden wenige Tage später verhaftet. Der Farang bekam einen Teil seiner Habe zurück, das Geld blieb allerdings zum größten Teil verschwunden. Die beiden Gangster wurden zu einigen Jahren Gefängnis verurteilt. Harry Münster beendete seinen Urlaub vorzeitig.

Soweit der erste Teil dieser Story. Hier beginnt der zweite Teil:

Harry Münster lernt in Lübeck in einem Thai-Restaurant eine sehr gut aussehende Thai mit Namen Nok kennen. Er erzählt ihr sein Abenteuer, für das er in Thailand teuer bezahlt hat. Sie scheint darüber zutiefst traurig zu sein. „Das ist ganz untypisch für Thailand“, sagt sie. „Wir freuen uns über jeden Gast, der zu uns kommt. Ich finde es sehr beschämend. Was kann ich nur tun, damit du Thailand mit anderen Augen siehst?“ Harry Münster fühlt sich verstanden. Er geht öfters in dieses Thai-Restaurant, und so langsam wächst eine Freundschaft zwischen ihm und der Kellnerin Nok. Eines Tages sagt sie zu ihm: „Nächsten Monat habe ich Urlaub und fliege nach Thailand zu meiner Familie. Was hältst du davon, wenn du mich begleiten würdest?“ Soll ich mir das wirklich noch mal antun? fragt er sich. Aber nach einigen Tagen sagt er zu. Mit Thai-Air, Holzklasse, fliegen sie zusammen nach Bangkok, und von da aus geht es per Bus nach Buriram, wo die Familie von Nok wohnt. Er wird freundlich aufgenommen, und als er die ganze Familie in ein teures Restaurant zum Essen einlädt, wird er gefeiert wie ein Star. Aber warum ist die Familie so groß? Sie füllt fast das ganze Restaurant. Okay, er versteht, dass die Thais in Großfamilien leben und wohl so viele Kinder haben, die sie später, wenn sie selbst alt sind, ja auch ernähren sollen. Die Rechnung war exorbitant hoch. Aber Harry akzeptierte den Preis, zumal er im Haus der Familie von Nok kostenlos wohnen durfte. Nach einer Woche kam Nok zu ihm und weinte. „Was ist denn los, liebe Nok?“, fragte er sie. „Mein Bruder liegt im Krankenhaus und braucht eine neue Niere“, schluchzte sie. „Er wird wohl sterben, denn wir haben nicht das Geld dafür.“ Er fragte nach den Kosten. Ja, sie waren hoch. Auch für seine Verhältnisse. Aber zum einen hatte er sich inzwischen in Nok verliebt und zum anderen war er ein Mensch, der anderen gerne hilft. Die veranschlagte Rechnung belief sich auf eine halbe Million Baht. Er willigte ein und zahlte diesen Betrag, ohne den Bruder, der in Bangkok lebte, je gesehen zu haben. Er war schließlich auch einverstanden, dass auf dem Nebengrundstück, welches die Familie erworben hatte, ein neues Haus für ihn und Nok gebaut wurde. Ja, er würde hier noch einmal ein neues Leben beginnen mit einer neuen, jungen und sehr hübschen Frau. Er fühlte sich wie im Paradies. Nok war zu seiner Geliebten geworden. Beide dachten nicht mehr daran, nach Deutschland zurückzukehren. Seine Pension wurde ja pünktlich auf sein neues Konto in Thailand überwiesen. Als alle Papiere klar waren er sein Non-Immigrant-Visum bekommen hatte, begann der Hausbau. Die Pläne wurden immer wieder verändert, immer wieder verschönert, ja, es wurde fast ein Palast. Als Harry seine Kontoauszüge prüfte, wurde ihm bewusst, dass er an die Grenze seiner Leistungsfähigkeit gelangt war, er war sogar schon weit im Minus. „Liebe Nok, ich habe kein Geld mehr“, gestand er ihr eines Abends. „Ja, und jetzt?“ Sie sah ihn an wie einen Bettler. „Ich weiß auch nicht“, entgegnete er. „Das Haus ist auf meinen Namen eingetragen“, sagte sie. „Jetzt hänge ich mit den Schulden daran.“ Kurzes Fazit: Harry Münster lebt heute wieder in Lübeck, in einer Ein-Zimmer-Wohnung. Manchmal träumt er noch von Thailand, aber meistens sind es Alpträume.

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Jürgen Franke 28.01.19 11:00
Viele Männer aus der ganzen Welt
leisten so ihren finanziellen Beitrag, damit es einigen Familien in Thailand etwas besser geht. Einige Männer erfahren noch etwas in ihrem Leben, was sie längst vergessen haben. Lassen wir ihnen das Vergnügen, denn einige Männer heute, wollen es sich nicht vorstellen, dass es für sie böse endet. Übrigens Herr Krüger: Gratulation zum Bundesverdienstkreuz.
Norbert Kurt Leupi 27.01.19 21:15
K.-o.-Tropfen / Herr Klaus Maier
Ihr Comment , Herr Maier veranlasst mich , " Ihnen Beifall zu spenden " !