KOMM, WIR RETTEN DIE WELT

KOMM, WIR RETTEN DIE WELT

Einmal wöchentlich treffen wir uns im Winzerkeller. Und spätestens nach zwei Gläsern Wein ist es soweit: „Komm, wir retten die Welt“. Wir glauben sogar daran, dass wir es können. Wir, das sind Christian, Bernd, Wolfgang und ich. Bernd fängt an, und ich finde seine Argumente absolut überzeugend. Er sagt: „Es gibt weltweit Vereinbarungen, die von allen Ländern eingehalten werden. Warum gibt es keinen weltumspannenden Vertrag gegen einen Krieg? Wer dann einen Krieg beginnt, hätte die gesamte Welt gegen sich. Das würde doch bedeuten:

Friede auf Erden.“

Wir bestellen jeder noch ein Glas Wein, und dann ist Wolfgang dran: „Eines der größten Probleme unserer Welt ist der Müll, vor allem Plastik. Es muss gesetzlich geregelt werden, dass jährlich 10 Prozent weniger davon produziert und gleichzeitig recycelt wird. Jeder, der seinen Abfall irgendwo in der Landschaft oder im Meer entsorgt muss bestraft werden.“ Wir alle stimmen ihm zu. Genau so sollte es sein. Das würde der Menschheit und den Tieren, die an unseren Plastikhinterlassenschaften zugrunde gehen, zum Überleben verhelfen.

Christian hat bisher ruhig zugehört. Jetzt meldet er sich zu Wort: „Alles gut und schön,“ sagt er, „aber das allein rettet unser Klima nicht. Wir müssen zu 100 Prozent umsteuern. Sonst geht die Welt zum Teufel. Stopp für den Abbau fossiler Brennstoffe, weg mit den Autoabgasen, weg mit den CO2-Giften, die durch Flugzeuge, Luxusliner und Waldbrände ins All gepustet werden und unsere Atmosphäre zerstören. Alle Emissionen müssen radikal reduziert werden. Jeder von uns verdreckt die Umwelt. Wir müssen viel aufmerksamer werden mit allem, was wir tun.“

Wer wollte seinen Gedanken nicht zustimmen? Wenn da nicht das große ABER wäre. Die Freunde schauen mich erwartungsvoll an. Was kann ich zum Thema beitragen? Ich lasse mir Zeit, nehme erst noch einen Schluck. „Ich fürchte, der Mensch ist nicht für den Frieden strukturiert. Der Kampf ums Überleben ist tief in uns verwurzelt. Jeder denkt an sich, und wer ihm dabei ins Gehege kommt, der wird mit allen Mitteln bekämpft.“

In diesem Augenblick ist uns sehr bewusst, wo das größte Problem steckt: Es ist der Mensch, der für alles Unheil die Verantwortung trägt. Kann dieser Mensch sich verändern? Kann er verändert werden? Will er das überhaupt? Überall auf der Welt gibt es einsichtige Menschen, die alles versuchen, um nachhaltig zu leben, die friedvoll bereit sind, anderen zu helfen. Trotzdem rückt unser wunderschöner Planet immer näher an den Abgrund. Die Politiker reisen von einem Gipfel zum anderen und versichern, alles zu unternehmen, um unser Klima zu retten. Viele halten das für Greenwashing, denn auf den einmal erreichten Status wollen diese angeblichen Umweltschützer trotzdem nicht verzichten. Vielleicht sollten wir uns nicht zu sehr auf sie verlassen, sondern das Heft selbst in die Hand nehmen. Jeder kann etwas zur Rettung der Welt tun. Es gilt, das Bewusstsein dafür zu wecken, denn heute entscheidet sich unsere Zukunft.

Nach dem nächsten süffigen Chardonnay halten wir die Welt an und lauschen einer Schnulze aus der altmodischen Musiktruhe, in die jemand eine Münze gesteckt hat. Bernd Clüver singt „Das Lied der Hoffnung“.

Danach ist es still. Die Welt dreht sich wieder, und wir stellen ernüchtert fest, dass sie sich nicht verändert hat. Wir verabschieden uns. Bis nächste Woche. Dann werden wir einen neuen Anlauf nehmen. Irgendwann muss es doch klappen mit der Rettung der Welt.

Oder sind wir nur naive Traumtänzer?

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