In seinen Sprichwörtern drückt sich der Volksmund eines Landes aus. Es heißt auch: „Volkes Mund tut Wahrheit kund.“ Naja, da tun sich doch einige Fragen auf. Mein Rat: Jedes Sprichwort vor Gebrauch schütteln.
Zum Beispiel: „Einmal ist keinmal.“ Bullshit! Jede kriminelle Karriere beginnt mit dem ersten Mal. Und was ist von dem Satz zu halten: „Der Zweck heiligt die Mittel“? Jeder Krieg, jede Lüge, jeder Überfall lässt sich damit begründen oder entschuldigen.
Unsinnig ist auch das oft gebrauchte Sprichwort: „Das Denken soll man den Pferden überlassen, denn die haben den größeren Kopf.“ Das könnte wohl einigen Herrschaften gefallen, weil es ihren Manipulationen Tor und Tür öffnet. Für noch gefährlicher halte ich den Spruch: „Der Klügere gibt nach.“ Warum? Damit die Dummen an die Macht kommen? Einer bestimmten Sorte von Politikern käme das sicher sehr gelegen. Aber der Welt täte das nicht gut. Dummheit braucht Widerspruch – und Bildung. Auch wenn eine andere Lebensweisheit behauptet: „Gegen Götter kämpfen selbst Götter vergeblich.“ Fatalistischer ausgedrückt heißt das: „Was Hänschen nicht lernt, lernt Hans nimmermehr.“ Stimmt nur teilweise, denn manche „Spätzünder“ haben es zu Höchstleistungen gebracht, und aus manchen Hänschen ist ein Professor Doktor X geworden nach dem Motto: „Er kam spät, aber er kam“ oder „Die Letzten werden die Ersten sein.“
Andererseits gibt es Aussprüche, denen ich mit Freude zustimme, zum Beispiel dem oft zitierten Satz von Martin Luther: „Aus einem verzagten Arsch fährt kein fröhlicher Furz.“ Richtig ist sicher auch die Volksweisheit: „Wer gegen den Wind pisst, bekommt nasse Hosen.“ Aber wer nicht gegen den Strom schwimmt, der kommt nie an die Quelle, und wer sich immer in der Mitte hält, bleibt Mittelmaß.
Weintrinker halten sich gerne an die Behauptung: „In vino veritas.“ Tatsache ist, dass übermäßiger Weingenuss die Lippen für manche Geheimnisse öffnet, die besser im Verborgenen geblieben wären. Kein Widerspruch meinerseits auch gegen den Satz: „Im Becher ersaufen mehr Leute als im Bach.“ Trotzdem, ich kenne mehr alte Weinbrüder als alte Ärzte.
Geradezu albern erscheint mir der Ausspruch: „Wem Gott ein Amt gibt, dem gibt er auch Verstand.“ Haben die Menschen jemals an diesen Unsinn geglaubt?
Dem Bibel-Zitat: „Auge um Auge, Zahn um Zahn“ hat schon Jesus im Neuen Testament widersprochen und dafür die Forderung aufgestellt: „Liebe deinen Nächsten wie dich selbst.“ Dabei ist doch jedem das Hemd näher als die Hose.
Manche Leute haben für sich diesen zynischen Satz verinnerlicht: „Dumm, der gibt, dümmer, der nicht nimmt.“ Gewiss, Egoismus hat immer Konjunktur, und der gegenteilige Leitspruch: „Geben ist seliger denn nehmen“, richtet sich wohl an Idealisten, die nach der Devise leben: „Geteilte Freude ist doppelte Freude.“ Ob Bertolt Brecht an seinen Ausspruch: „Erst kommt das Fressen, dann die Moral“, geglaubt hat, wage ich zu bezweifeln, denn der Fress-Sack pennt erstmal, und die Moral lässt auf sich warten. Aber: „Die Hoffnung stirbt zuletzt.“
Korruption scheint es auch schon immer gegeben zu haben. Darauf verweist der Spruch: „Geschmierte halten sich oft für Gesalbte,“ und vertrauen darauf: „Der Teufel scheißt immer auf den größten Haufen.“
„Jeder ist seines Glückes Schmied.“ Zu diesem Zitat fällt mir nur die Frage ein, warum dieser Beruf ausgestorben ist. Der Wartesaal zum großen Glück ist überfüllt. Deshalb halte ich es mehr mit der Weisheit: „Glück hat auf die Dauer nur der Tüchtige.“ Andere zerdeppern stattdessen ihr Porzellan, weil sie glauben: „Scherben bringen Glück.“ Der lateinische Kirchenvater und Gelehrte Hieronymus konstatierte schon im 5./6. Jahrhundert: „Irren ist menschlich.“ Kaum jemand kennt seinen Zusatz: „Aber in seinem Irrtum zu verharren ist teuflisch.“ Und damit komme ich zu meinem Schluss-Satz: „Alles verstehen heißt alles verzeihen“.
Man muss nur daran glauben.