Flüchtlingslager Moria fast vollständig abgebrannt

ATHEN: Seit Jahren kritisieren Hilfsorganisationen, Politiker und Inselbewohner die Lage im Flüchtlingslager Moria auf der griechischen Insel Lesbos. Nun ist das Lager vom Feuer zerstört - und 12.000 Migranten über Nacht obdachlos.

Das Flüchtlingslager Moria auf der griechischen Insel Lesbos ist durch einen Großbrand in der Nacht zum Mittwoch nahezu vollständig zerstört worden. Verletzt wurde nach vorläufigen Angaben niemand. Die griechische Regierung geht von Brandstiftung aus. Moria gilt mit derzeit etwa 12.600 Bewohnern als das größte Flüchtlingslager Europas - diese Menschen sind nun obdachlos. An den dortigen Zuständen gibt es seit Jahren massive Kritik.

Das griechische Staatsfernsehen, das mit einer Sondererlaubnis aus dem Lager berichten durfte, zeigte Bilder von verkohlten Containerwohnungen und verbrannten Zelten. Der Großbrand nahm in der Nacht durch verschiedene kleinere Brandherde und starken Wind seinen Lauf. Die Behörden begannen noch in der Nacht, Menschen aus dem Lager zu bringen.

Im Namen der Europäischen Union versprach Innenkommissarin Ylva Johansson versprach schnelle Hilfe. Sie sei in Kontakt mit den lokalen Behörden, schrieb die schwedische Politikerin auf Twitter. Dabei habe sie zugestimmt, den unverzüglichen Transfer und die Unterbringung der verbleibenden 400 unbegleiteten Kinder und Jugendlichen aufs Festland zu finanzieren. «Die Sicherheit und der Schutz aller Menschen in Moria hat Priorität.»

Der innenpolitische Sprecher der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Mathias Middelberg, sprach sich gegen eine rein deutsche Hilfsaktion aus. «Die neueste Entwicklung auf Lesbos macht deutlich, wie dringend eine europäische Antwort auf die Flüchtlingsentwicklung ist», sagte der CDU-Politiker der Deutschen Presse-Agentur. Alleingänge wären nicht hilfreich, weil sie den Eindruck erweckten, Deutschland werde die Flüchtlinge allein aufnehmen.

Die Flüchtlingsorganisation Pro Asyl machte Bundesregierung und EU für den Brand direkt verantwortlich. «Die Katastrophe von Moria ist eine Folge der skandalösen und menschenverachtenden deutschen und europäischen Politik», sagte Geschäftsführer Günter Burkhardt am Mittwoch in Berlin. In dem Lager seien Tausende Menschen «psychisch zermürbt» worden. Anstatt für faire Asylverfahren zu sorgen hätten alle EU-Staaten bis zur jetzigen Katastrophe zugeschaut.

Dem Großbrand vorangegangen waren Unruhen unter den Migranten, weil das Lager nach einem ersten Corona-Fall unter Quarantäne gestellt worden war. Am Dienstag wurde bekannt, dass die Zahl der Infizierten bei 35 liege. Manche Migranten hätten daraufhin das Lager verlassen wollen, um sich nicht mit dem Virus anzustecken, berichtete die halbstaatliche griechische Nachrichtenagentur ANA-MPA. Einige Infizierte und ihre Kontaktpersonen, die isoliert werden sollten, hätten sich hingegen geweigert, das Lager zu verlassen und in Isolation gebracht zu werden.

Nach Ausbruch des Feuers hätten Lagerbewohner die Feuerwehrleute mit Steinen beworfen und versucht, sie an den Löscharbeiten zu hindern, berichtete der Einsatzleiter im Fernsehen. Sondereinheiten der Bereitschaftspolizei waren im Einsatz - Athen hat nun weitere Einheiten vom Festland auf die Insel geschickt. Videos in sozialen Netzwerken zeigten herumirrende, verängstigte Menschen und auch solche, die «Bye bye, Moria!» sangen.

Spannungen habe es in Moria immer gegeben, wegen der Corona-Problematik sei die Situation nun regelrecht explodiert, sagte der Bürgermeister der Gemeinde Mytilinis, Stratos Kytelis, dem griechischen Staatssender ERT. Man wisse nicht, wo die Menschen nun untergebracht werden sollten, Tausende seien obdachlos. Auch für die Einheimischen sei die Situation eine enorme Belastung.


Mitsotakis kritisiert «Haltung einiger Migranten»

ATHEN: Der Großbrand in und um das Migrantenlager von Moria hat nach Ansicht des griechischen Regierungschefs Kyriakos Mitsotakis gezeigt, dass es so auf Lesbos nicht weitergehen kann. Griechenland brauche die Hilfe der anderen EU-Staaten. «Es ist ein Thema der öffentlichen Gesundheit, des Humanismus, aber auch der nationalen Sicherheit», sagte der griechische Regierungschef am Mittwochmittag in einer Erklärung im Staatsfernsehen (ERT).

Mitsotakis kritisierte die «Haltung einiger Migranten», die allen Anzeichen nach Feuer gelegt und die Feuerwehr anschließend daran gehindert hätten, den Großbrand zu löschen. «Es kann keine Ausreden geben für gewalttätige Reaktionen aufgrund von Gesundheitskontrollen», sagte er mit Blick auf die Corona-Fälle und entsprechende Tests in dem Camp.

Im Lager Moria wurde vergangene Woche der erste Corona-Fall festgestellt, Stand Dienstag gab es 35 bekannte Infizierte. Athen hatte am Mittwoch mitgeteilt, die Randale und die Brände seien ausgebrochen, weil Migranten gegen die Quarantäne von infizierten Lagerbewohnern und gegen die zweiwöchige Abriegelung des Lagers wegen der Corona-Fälle protestiert hätten.

Der griechischen Feuerwehr zufolge sind weite Teile des Camps durch das Feuer zerstört worden. Todesfälle hat es nach Regierungsangaben nicht gegeben, auch über mögliche Verletzte ist bisher nichts bekannt.

Überzeugen Sie sich von unserem Online-Abo:
Die Druckausgabe als voll farbiges PDF-Magazin weltweit herunterladen, alle Artikel vollständig lesen, im Archiv stöbern und tagesaktuelle Nachrichten per E-Mail erhalten.
Pflichtfelder
Rene Amiguet 09.09.20 15:52
Europäisches Chaos
Mit der Solidarität funktioniert es sehr gut wenn in Brüssel die Milliarden verteilt werden für das auffangen der Covid 19 Pandemie Problematik. Wenn es aber um die Flüchtlings Probleme geht dann werden insbesondere die Länder am Mittelmeer im vollständig mit ihren Problemen im Stich gelassen. Es ist sehr wohl verständlich wenn Ungarn die Grenzen dicht macht für Flüchtlinge! Nehmen war schon immer seliger denn geben.
Ingo Kerp 09.09.20 12:52
Jetzt wird sicherlich "Mutti" aktiv werden und es schaffen. Ein Teil der Migranten/Wirtschaftsflüchlinge, die die griech. Feuerwehr attackiert haben, wird bestimmt in DE landen.