EU-Gericht entscheidet über Klagen von Russen gegen EU-Sanktionen

Foto: epa/Yuri Kochetkov
Foto: epa/Yuri Kochetkov

LUXEMBURG: Seit mehr als einem Jahr verhängt die EU Sanktionen wegen des russischen Angriffskriegs. Die Klagen dagegen häufen sich - und sie haben Experten zufolge keine schlechten Chancen. Nun stehen weitere Urteile an.

Das Gericht der EU entscheidet an diesem Mittwoch (9.30 Uhr) in Luxemburg, ob die Sanktionen der Europäischen Union gegen mehrere Russinnen und Russen rechtmäßig gewesen sind. Darunter sind auch die Oligarchen und Milliardäre Gennadi Timtschenko und Dmitri Pumpjanski.

Derzeit sind 60 Klagen vor dem Gericht der EU anhängig. «Es würde mich nicht wundern, wenn überraschend viele dieser Klagen Erfolg hätten», sagte der Experte für Sanktionsrecht, Viktor Winkler. «Die Sanktionen sind teilweise handwerklich erschreckend schlecht gemacht.» Michael O'Kane von der britischen Kanzlei Peters & Peters kritisiert, dass sich der Rat der EU bei der Beurteilung zu oft auf Quellen verlasse, die voreingenommen oder nicht glaubwürdig seien. Gleichzeitig fehle es an Möglichkeiten, Fehler oder Unverhältnismäßigkeiten außergerichtlich zu klären.

Ein prominentes Urteil war bereits im Frühjahr gefallen - und stellte eine deutliche Niederlage für die EU dar. Die Mutter des inzwischen verstorbenen Chefs der russischen Privatarmee Wagner, Violetta Prigoschina, hätte nicht sanktioniert werden dürfen, entschieden die Richter damals. Ein Verwandtschaftsverhältnis reiche nicht aus, um Strafmaßnahmen gegen sie zu verhängen.

Seit dem russischen Angriff auf die Ukraine im Februar 2022 haben die 27 EU-Staaten elf Sanktionspakete auf den Weg gebracht. Dazu gehören neben Wirtschafts- und Finanzsanktionen auch Strafmaßnahmen gegen rund 1800 Einzelpersonen und Organisationen. Betroffen sind außer der russischen Staatsführung auch hochrangige Militärangehörige und Geschäftsleute.

«Sanktionen sind der tiefste Grundrechtseingriff überhaupt, rechtlich sogar noch schärfer als die Haftstrafe», sagte Winkler. Denn wenn jemand zu einer Gefängnisstrafe verurteilt werde, gebe es davor ein strafrechtliches Verfahren mit all den Anforderungen des Gesetzes. Das falle bei Sanktionen weg. «Deswegen gibt es dafür besonders hohe Hürden - die wichtigste von Ihnen: Keine Sanktionen für vergangenes Tun, nur für aktuelles Handeln», sagte Winkler. Sanktionen dürfen rechtlich also eigentlich nur eine Gefahrenabwehr sein, etwa: Man sanktioniert jemanden, damit er in der Zukunft nicht weiter den Krieg fördert. Hier liegt Winkler zufolge auch ein Problem: «Viele der aktuellen Sanktionen beinhalten aber nur Vergangenes und keine auf Tatsachen erfolgte Prognose.»

Nun wird über die Klagen von sechs Männern und Frauen entschieden. Ihnen wird von der EU vorgeworfen, politische Maßnahmen zu unterstützen, die die territoriale Unversehrtheit der Ukraine untergraben. Sie seien in Bereichen der Wirtschaft tätig, die Russland als wichtige Einnahmenquelle dienten. Dagegen wehren sie sich nun vor dem Gericht der EU.

In jedem der 60 anhängigen Fälle stehe das Gericht unter einem enormen politischen Druck, sagte Winkler. «Die Richter wissen, dass ihre Entscheidung unter Umständen Wasser auf den Mühlen der Kreml-Propaganda sein wird.»

Überzeugen Sie sich von unserem Online-Abo:
Die Druckausgabe als voll farbiges PDF-Magazin weltweit herunterladen, alle Artikel vollständig lesen, im Archiv stöbern und tagesaktuelle Nachrichten per E-Mail erhalten.
Pflichtfelder

Es sind keine Kommentare zum Artikel vorhanden, bitte schreiben Sie doch den ersten Kommentar.