Ein Todesurteil, das Thailands Rechtherstellt

Der Morgen des Weihnachtstages vor dem Provinzgericht Koh Samui: Kameras in Stellung, alles fieberte dem Urteil entgegen – dieses fiel schnell und erspart Thailands Justiz vorerst eine nationale Demütigung.
Der Morgen des Weihnachtstages vor dem Provinzgericht Koh Samui: Kameras in Stellung, alles fieberte dem Urteil entgegen – dieses fiel schnell und erspart Thailands Justiz vorerst eine nationale Demütigung.

KOH SAMUI: Zwei Todesurteile wegen des Doppelmordes an den britischen Rucksacktouristen Hannah Witheridge (23) und David Miller (24) auf Koh Tao, erleichterte Eltern des ermordeten Urlaubers David Miller im Gerichtssaal von Koh Samui und ein Nervenzusammenbruch der Mutter des Verurteilten Zaw Lin (22). Was ist heute Vormittag, am Weihnachtstag 2015, passiert? Auf welchen Gründen basiert diese Höchststrafe eines thailändischen Gerichtes? Ein Erklärungsversuch.

Die grauenvollen wie umstrittenen Details der Mordermittlungen am Strand von Sairee auf Koh Tao – zumindest soweit bekannt geworden – haben in dieser Urteilsfindung kaum eine Würdigung erfahren. In der 55 Minuten verlesenen Begründung der Richter, dem Vorsitzenden dieses Verfahrens und seiner jungen Beisitzerin, spielte vor allem eines eine Rolle: der positive DNA-Abgleich und die angebliche Übereinstimmung mit Spermaspuren im Mordopfer Hannah Witheridge und DNA-Proben der Angeklagten Burmesen.

Obwohl die Verteidigung und Thailands führende Gerichtsmedizinerin Dr. Pornthip Rojanasunand die DNA-Entnahmen und auch die Dokumentation der gesamten Morduntersuchung als ‚unprofessionell und nicht dem forensischen Standard entsprechend‘ bezeichnet hatten, glaubte die Strafkammer der Beweisführung der Staatsanwaltschaft und dem von ihr beauftragten Polizeilichen Forensischen Institut Bangkok. Der Richter ging soweit, die Zweifel an der Ermittlung als ‚ nicht wirklich überzeugend‘ abzuweisen.

Ein zusätzliches belastendes Indiz sei das am Strand gefundene Mobiltelefon des Mordopfers David Miller gewesen. Dieses soll der Beschuldigte Wai Phyo in der Tatnacht im Sand entdeckt und mitgenommen haben. Weil das Telefon für ihn nicht verwertbar war, habe er es hinter der Wohnhütte weggeworfen, sagte der Angeklagte Nummer 2 vor Wochen aus.

Diese beiden Indizien – sollte man sie Beweise nennen? – reichten für das Provinzgericht, um zwei junge Männer wegen gemeinschaftlichen Doppelmordes und der Vergewaltigung von Hannah Witheridge zu verurteilen. „Dafür sieht Thailands Gesetz die Todesstrafe vor“, sagte der Vorsitzende Richter in seiner Abschlusserklärung.

Sehr überraschend hat der professionelle und publikumswirksame Auftritt des siebenköpfigen Verteidigerteams aus Bangkok weniger Eindruck vor Gericht hinterlassen als bei den westlichen Beobachtern dieses Verfahrens. Kein Satz dazu in der Urteilsbegründung, den man der Argumentation der Verteidigung hätte zuschreiben können. Folter zur Erzwingung eines Geständnisses? „Nicht ausreichend begründet“, so das Gericht. Schwerwiegende Ermittlungsfehler bei der Tatort- und Spurensicherung nach dem Mord? – Irrelevant für die Urteilsfindung.

Kurios anmutende Randerscheinungen der Verhandlungstage vermitteln hierzu einen Hauch des streng nationalistischen Justizsystems. Die Wahrung der Höflichkeit gegenüber dem Gericht ist den ausländischen Prozessbeobachtern und den Journalisten stringent verordnet worden, man könnte sagen ‚gebetsmühlenartig‘. Auch heute Vormittag wies eine Gerichtsdolmetscherin zweimal ausführlich auf Thai und kurz in gebrochenem Englisch darauf hin: Keine Beine oder Arme verschränken, während des Verfahrens nicht flüstern, nicht gähnen, keine schriftlichen Notizen machen und keine elektronischen Geräte mit sich führen.

Das schienen durchaus nachvollziehbare Regeln zu sein, wäre da nicht die kleine Diskrepanz, die Gleiche zu Ungleicheren gemacht hätte. Der leitende Staatsanwalt kam heute ohne ein Wort des Bedauerns eine halbe Stunde zu spät zur Urteilsverkündung. Ein hochrangiger Polizeioffizier hatte im September bei seinem Zeugenauftritt sein Mobilphone und sein Ipad dabei, das seine Mitarbeiterin ungehindert nutzte. Dafür wurden unartige Prozessbeobachter von den kettenhündig anmutenden Polizeiwächtern der Angeklagten scharf verwarnt, wenn sie auf den Sitzbänken der thailändischen Gerichtsetikette Schande zufügten.

Auch heute war Disziplin eine Tugend. Eine Stunde dauerte das Verlesen des Urteils. Die Zuhörer und Prozessbeteiligten mussten diese Zeit stehend verbringen, und man merkte trotz der physischen Anstrengung einigen die Verwunderung an über die Ähnlichkeit der richterlichen Begründung mit der Klageschrift der Staatsanwaltschaft.

Als Epilog stand eine schock-ähnliche ‚Rührt Euch Erleichterung‘ an. Wie nach dem Ende eines anstrengenden Militärappells strömten die Journalisten um 10.25 Uhr aus dem Saal 6 des Provinzgerichtes. Nur wenige bekamen mit, dass die Mutter von Zaw Lin zusammenbrach, laut schrie und weinte. Dafür konnten die Eltern und der Bruder des ermordeten David Miller am Ende eines nervenaufreibenden Prozesses erklären, wie erleichtert sie seien, dass der Gerechtigkeit Genüge getan wurde.

Der juristische Schlussakt des Doppelmordfalles von Koh Tao war dieser Weihnachtstag nicht. „Die Verteidigung wird in Berufung gehen und alle rechtlichen Mittel ausschöpfen“, kündigten Rechtsanwalt Nakhon Chomphuchat und der britische Menschenrechtler Andy Hall Minuten nach dem Schuldspruch an.

Sie werden sich neu motivieren müssen und eine Menge davon auf ihre Mandanten übertragen. Zaw Lin und Wai Phyo wirkten apathisch und verloren, als sie aus dem Gerichtssaal geführt wurden. Die Ketten klirrten und ihre Augen starrten ins Leere. Es schien fast so, als wollten sie vor allem den Blicken ihrer Mütter ausweichen.

Das Urteil und die Todesstrafe fielen wie Schläge mit einem Schmiedehammer. Die richterliche Begründung schien dazu den Amboss nationaler Rechtfertigung zu bilden. Ein Verbrechen auf thailändischem Boden, aufgeklärt von thailändischen Polizisten und prozessreif geschmiedet von thailändischen Anklagevertretern: Obwohl beide Opfer Briten sind und die verurteilten Angeklagten Burmesen, ließ dieser denkwürdige Gerichtstag keine Zweifel offen, wer in diesem Land seine hoheitlich-souveränen Rechte durchsetzt.

Quelle: Fotos: Sam Gruber

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Jack N.Kurt Leupi 22.12.16 18:13
Todesurteil nach Thai- Recht/ Herr Jo Me
Da hat die Mehrheit der Menschheit,die das Urteil als Schock empfand, in aller Welt Glück gehabt, hätte nämlich der Richter Ihren Kommentar gelesen, wären die Hinrichtungen wahrscheinlich noch am selben Tag auf dem Dorfplatz von Nathon ausgeführt worden und niemand hätte sich gewagt über Thailand zu "Maulen" ! Auf solche tapferen Patrioten haben wir schon lange gewartet!Kopf hoch-statt Kopf ab !
Jack N.Kurt Leupi 22.12.16 18:13
Schuldig oder unschuldig/ Herr Hardy Kromarek
Ob schuldig oder unschuldig, kann ich nicht beantworten und auch nicht beurteilen,lieber Hardy! Aber der Satz in Deinem Beitrag unten :"Was mich immer wieder wundert, sind Kritiker, die allgemein Thailand nicht mögen, aber welch ein Wunder, hier leben oder leben müssen ?"Dazu habe ich Dir folgende Antwort : Thailand hat was magisches oder mystisches, aber ich weiss es bis heute noch nicht,was es ist. Aber wenn ich es weiss, ist ja die Magie weg und ich auch ! Drum gehe ich meinen eigenen Weg, dann kann ich von niemandem überholt werden! "Gute Reise ins neue Jahr" !
Jürgen Franke 06.02.16 23:59
Danke Sam Gruber,
für Deinen ausführlichen Bericht, der uns mal einen tiefen Eindruck in die Gerichtsbarkeit Thailands gegeben hat. Ich kann Deine schrecklich Schilderung nicht kommentieren. Nach der nächsten Instanz, die offensichtlich nicht anders ausgehen wird, wie der heute Tag, hat möglicherweise lediglich der Ministerpräsident die Möglichkeit, am Urteil etwas zu ändern. Die rechtliche Handhabe hätte er.
Jürgen Franke 06.02.16 23:57
Der Gedanke,
dass der Mörder, der die beiden Engländer, die sich hier erst kennengelernt haben, umgebracht hat, noch frei ist, lässt einem keine Ruhe.
Jürgen Franke 06.02.16 23:51
Laßt uns die
Diskussion über das Urteil beenden. Warten wir einmal die Revision ab. In Deutschland gab es auch einige Urteile, die ziemlich fragwürdig waren. Interessant war für mich die Schilderung, wie diszipliniert es einem Gerichtssaal zugehen kann.
Hardy Kromarek Thanathorn 06.02.16 23:50
Rechtsstaat Thailand!
Wenn man in Deutschland einen Verkehrsunfall hat oder sonstigen Ärger mit der Polizei, nimmt man sich einen Rechtsanwalt und geht dann vor Gericht! Was die Polizei sagt ist völlig unerheblich, das Gericht-Gutachter usw. entscheiden dann! Genauso ist das hier in Thailand! Wenn man dieses nicht so tut, ist man selber schuld und braucht sich auch nicht beschweren, wenn man dann zahlen muss und zu gutem Schluss noch nicht einmal weiss, für was!? Da hilft dann auch keine Gallenoperation! Ich habe mein Recht in Deutschland in vielen Prozessen in über 30 Jahren durch gesetzt, bis hin zum BGH! Darunter waren als Verlierer, Banken, Versicherungen, Krankenkassen-Rente, Verkehrsunfälle und sonstige Rechtssachen. Wenn Ich auf dem Standpunkt geblieben wäre, was die Polizei sagt, dann gute Nacht! Völlig unerheblich! In Thailand kommen Sie genauso zu Ihrem Recht, egal ob thailändischer Staatsbürger oder Ausländer wie in Deutschland! Bloß wenn man nur meckert, alles besser weiss wie die anderen und dann noch zu geizig ist, sich fachliche Hilfe wie Rechtsanwälte-Notare usw. ) zu holen, ist man selber schuld und nicht das Land Thailand! Kritik ja, aber sachlich! Zu kritisieren gibt es in jedem Land der Erde was, besonders auch in Europa! Wenn man so schwachsinnige Kommentare lesen tut, wie zb. "Ausländer haben in Thailand keine Rechte-Thai Frauen sind nicht gut-alles ist ja so schlecht in Thailand " usw. usw. dann muß man sich doch wirklich fragen, was suchen denn diese ganzen Intiligenzbolzen hier in diesem Land eigentlich?!
Jürgen Franke 28.12.15 12:45
Im Umkehrschluß
bedeutet das, dass die Moerder der beiden Engländer, die sich in Thailand gefunden und liebgewonnen haben, noch frei herumlaufen. Sofern die jetzt zum Tode Verurteilten unschuldig sind,
Hardy Kromarek Thanathorn 28.12.15 10:08
Schuldig oder nicht schuldig / Jack N. Kurt Leupi
Mein lieber Jack, das Dich der Satz an die unsachlichen-hirnlosen so genannten Intillegenzbolzen - Kritikern wundert von mir " Was mich immer wieder wundert, sind Kritiker, die allgemein Thailand nicht mögen, aber welch ein Wunder, hier leben oder leben müssen! " Ich mag keine Menschen, die meinen wie schlau Sie sind, sich nicht fachlich beraten lassen in allen Lebenslagen, die meinen im Internet steht alles und sich daraus zu Superschlaubergern dann machen, geizig sind, ständig meckern, Querulanten, und in dem Land auf der Welt wo Sie leben alles ja so schlecht und ungerecht ist! Wenn es mir in einem Land wo Ich lebe nicht gefällt, dann ziehe Ich dahin wo es mir gefällt! Das sind alles Menschen, die mit Ihrem eigenen Leben nicht zu frieden sind und suchen nur Ärger, weil Sie genug Dreck unter Ihrer eigenen Kehrmatte haben und sich von diesem dann ablenken wollen! Blödheit muss bestraft werden! Dein Beitrag Schuldig oder unschuldig kannst Du nicht beantworten, das ist vollkommen richtig und kann auch als faire Ansicht-Kritik so stehen! Das ist sachlich! Thailand ist ein wunderschönes Land mit sehr netten höflichen zuvorkommenden Menschen und ein Rechtstaat! Meine Mutter mit 80 Jahren und Ich fühlen uns hier sehr wohl! Wenn man sich nicht in Deutschland wehren tut gegen Ungerechtigkeiten, dann ist man dort auch auf verlorenen Posten! Man muß sich nur wissen wie man sich wehren tut und wenn man dazu nicht geistig-geizig in der Lage ist, braucht man auch keine blöden Kommentare da zu zuschreiben! In diesem Sinne wünsche Ich Dir einen guten Rutsch ins neue Jahr, Glück, Gesundheit und Erfolg!
Hardy Kromarek Thanathorn 25.12.15 19:37
Schuldig!
Bereits am 24. Dezember 2015 12.30 Uhr habe Ich von dem Urteil erfahren und es war für mich überhaupt keine Überraschung! Das Urteil ist klar! Schuldig! Die Täter haben unabhängig von einander ein Geständniss in vollem Umfange ab gegeben! Die DNA von beiden Tätern wurde im Körper der ermordeten Frau sicher gestellt! Die Beweisführung hier ist eindeutig! Das die Verteidigung alle Register zieht um die Verurteilung Ihrer Mandaten zu verhindern ist auch klar und legitim! Selbst der sogenannte Starverteidiger hat bei einem Haftprüfungstermin seinen Mandaten damals geraten, nach erdrückender Beweislage sich schuldig zu bekennen um einen Strafprozess Deal mit Gericht und Staatsanwaltschaft aus zu handeln, was absolut legitim und üblich ist auch so in Deutschland! Aber das wollten ja nicht die Straftäter! Es ist völlig absurd hier der thailändischen Justiz und Polizei zu unterstellen, das es hier nicht mit reellen Dingen-schlampigen Ermittlungsabeiten usw.usw. zu tun gehabt zu haben! Die so genannte Star-Gutachterin, die die Verteidigung präsentiert hat kann zu diesem Fall überhaupt nichts aussagen, da Sie in keinster Weise in den Ermittlungen involviert war! Was die Verteidigung vor gebracht hat, sind nur haltlose Vorwürfe, Vermutungen und Schutzbehauptungen, die in keinster Weise bewiesen worden sind!
Was mich immer wieder wundert, sind Kritiker die all gemein Thailand nicht mögen, aber welch ein Wunder hier leben, oder leben müssen!? Diese Straftäter - Mörder würden auch in Deutschland nach der Beweislage verurteilt werden zu der Höchststrafe " Lebenslang "! Dieses Urteil wird auch in den nächsten Instanzen absolut 100% stand halten, außer der Verteidigung würde es gelingen wirkliche Beweise zu finden und zu repräsentieren, die das Gegenteil der Anklage und Verurteilung der Mörder zu wieder legen! Was aber nach realistischer Vorgehensweise zu 99,9% ausgeschlossen werden kann! Alles andere ist nur heisse Luft und nichts dahinter! Es lebe der Rechtsstaat Thailand!
Sitting Bull 24.12.15 21:11
Fest steht fuer mich......
das die Ermittlungen nicht umfangreich und zudem offensichtlich schlampig gefuehrt wurden. Porthips Statement spricht da eine deutliche Sprache. Zweifel am Tathergang sind durchaus angebracht. Zweifel scheinen in Thailand nicht ausreichend fuer einen Freispruch. Nicht das ich etwa die 2 fuer unschuldig halten koennte bzw. muesste. Aber Zweifel bleiben durchaus. Meine Meinung dazu. Was von Revisionen und Berufungen hier zu halten ist, habe ich bereits dagelegt. Aber meine bescheidene Meinung ist eh voellig irrelevant.
Frohes Fest euch Allen.
hans tobel 24.12.15 15:48
Todesurteil
Die"Morduntersuchung unprofessionell und nicht dem forensischen Standard entsprechend".
Also Thailändisch sozusagen.