Madeira steht nach Bustragödie unter Schock

​«Ein Schrei aus Stille»

Foto: epa/Homem Gouveia
Foto: epa/Homem Gouveia

FUNCHAL (dpa) - Was ein farbenfroher Osterurlaub unter südlicher Sonne werden sollte, ist für fast drei Dutzend Urlauber auf Madeira zum tödlichen Verhängnis geworden. Mit voller Wucht überschlägt sich ihr Reisebus.

Es sollte ein fröhlich-beschwingter Ausflug nach Funchal werden, der Hauptstadt der malerischen «Blumeninsel» Madeira. In einem Restaurant erwartete die Urlauber ein typisch madeirisches Dinner mit kulinarischen Spezialitäten der Region. Vom schmucken Hotel Quinta Splendida im Örtchen Caniço brach die Gruppe am frühen Abend mit einem Reisebus in das wenige Kilometer entfernte Lokal auf. Aber schon kurze Zeit später endete die Fahrt in einer Tragödie: In einer abfallenden Linkskurve kam das voll besetzte Fahrzeug plötzlich von der Straße ab, durchbrach ein Geländer, überschlug sich und stürzte etwa acht Meter in die Tiefe.

Die furchtbare Bilanz: 29 Menschen - davon vermutlich die meisten aus Deutschland - verlieren kurz vor Ostern ihr Leben. Fast genausoviele sind verletzt, einige sehr schwer. Die Touristen hätten die Reise bei einem deutschen Reiseveranstalter gebucht, es habe sich aber nicht um eine feste Gruppe gehandelt, sondern um Urlauber aus ganz Deutschland, sagte eine Mitarbeiterin des Hotels.

Madeira ist noch ruhig in diesen Tagen, es ist Vorsaison. Aber es grünt und blüht bereits an allen Ecken - nicht umsonst begeistern sich vor allem Botanik-Fans für das farbenprächtige Kleinod. Wegen des subtropischen Klimas herrschen das ganze Jahr über angenehme Temperaturen, die kältegeplagte Deutsche in Richtung des milden Wanderparadieses ziehen lassen. Neben der Algarve gilt Madeira als die beliebteste Urlaubsregion Portugals. Schon Kaiserin Elisabeth von Österreich, besser bekannt als Sissi, wusste die klimatischen Vorzüge zu schätzen und weilte hier 1860 zur Lungen-Kur.

Zwei Tage vor Karfreitag aber gibt es auf Madeira Regenschauer, viel Wind und Temperaturen unter 20 Grad. An diesem typischen Apriltag schlägt für mehr als fünf Dutzend Urlauber das Schicksal zu. Ihr Bus kommt nach der Katastrophe erst in dem Moment auf der Seite liegend zum Stillstand, als er auf das rote Ziegeldach eines Wohnhauses prallt, das zu dieser Zeit glücklicherweise unbewohnt ist. 28 Menschen sterben, 28 weitere sind verletzt. Eine Frau erliegt kurze Zeit später ihren Verletzungen. Der Fahrer und der Reiseleiter - beide aus Portugal - überleben, müssen aber ebenfalls im Krankenhaus behandelt werden.

Augenzeugen des Unfalls stehen minutenlang wie betäubt über der Böschung. Es sei eine «ohrenbetäubende Stille» eingetreten, «ein Schrei aus Stille, wie in einem Schockzustand», sagte Rita Castro, die das Geschehen nach eigenen Angaben aus der Nähe beobachtet hatte, im portugiesischen Fernsehen. Der Fahrer habe zuvor mit allen Mitteln versucht, den Unfall noch zu verhindern und den Reisebus zum Stehen zu bringen, was ihm aber nicht gelungen sei.

Eine andere Augenzeugin erzählt der Deutschen Presse-Agentur, der Bus sei «relativ langsam» unterwegs gewesen, dann habe es einen lauten Knall gegeben. «Innerhalb von zehn Minuten waren Krankenwagen vor Ort», sagt die Frau und fügt tief betroffen hinzu: «Man kann nichts tun, man kann nur weinen».

Mit Dutzenden Einsatzwagen rücken sie an. Die Unglücksstelle wird weiträumig abgeriegelt. Verletzte werden geborgen und in Sicherheit gebracht, die Toten mit Tüchern bedeckt. «Es wurden sofort Menschen auf der Insel gesucht, die Deutsch sprechen. Obwohl die Ärzte und Schwestern sich rührend um die Verletzten bemühen und kümmern, ist es aber immer wichtig, doch die Muttersprache zu hören und ein paar Worte der Aufmerksamkeit zu bekommen», sagte Ilse Everlien Berardo, Pfarrerin der Deutschsprachigen Evangelischen Kirche auf Madeira, in der RTL-Sendung «Guten Morgen Deutschland» am Donnerstag.

«Eine verletzte Dame sagte, ich glaube, ich habe meinen Lebenspartner verloren. Auch sie ist natürlich in einem Schockzustand», betonte Berardo, die sich voll des Lobes für die Sensibilität der Einsatzkräfte zeigte.

Caniço am Tag danach. Polizisten sichern Spuren am Unfallort. Sie sammeln und suchen Ausweise der Passagiere. Denn noch immer ist nicht klar, ob es sich bei allen Opfern um Deutsche handelt. Andere Sicherheitskräfte kehren Scherben zusammen oder versuchen eine mitgerissene Stromleitung wieder aufzurichten. Menschen stehen in der Nähe, viele haben Tränen in den Augen.

Der Unglücksbus ist nicht mehr zu sehen, er wurde bereits geborgen. Zurück bleibt das eingestürzte Dach des getroffenen Wohnhauses. An einer Wand unter dem klaffenden Loch ist ein Kreuz zu erkennen. Der Bewohner war zum Unfallzeitpunkt bei Verwandten - ein Glücksfall für den Mann, den einzigen, der die Tragödie unversehrt überlebt hat.

Der Busunfall in Madeira reiht sich in eine ganze Serie schwerer Busunglücke ein, eine Auswahl:

März 2019: Bei einer Beerdigung in Vietnam rast ein Bus in eine Trauergemeinde - und sieben Teilnehmer des Leichenzuges sterben. Der Busfahrer macht dichten Nebel für das Unglück verantwortlich.

Januar 2019: Ein doppelstöckiger Stadtbus rammt in Kanadas Hauptstadt Ottawa eine überdachte Haltestelle. Zwei Fahrgäste im Bus und ein an der Haltestelle Wartender werden tödlich verletzt.

November 2018: Sechs Spieler einer Fußballjugendmannschaft und der Fahrer kommen bei einem Busunglück in Peru ums Leben. Der Bus stürzte im peruanischen Amazonasgebiet in einen 90 Meter tiefen Abgrund.

April 2018: Bei einem Busunglück mit chinesischen Touristen in Nordkorea kommen 36 Menschen ums Leben.

April 2018: Auf einem Highway in Kanada verunglückt ein Junioren-Eishockeyteam. Ein Sattelschlepper stößt mit dem Mannschaftsbus zusammen, 15 Menschen sterben.

Oktober 2017: Bei einem Busunfall an der südlichen Mittelmeerküste der Türkei sterben drei Reisende aus Deutschland. Ihr Urlaub hatte gerade erst begonnen.

März 2015: Beim Frontalzusammenstoß eines Lastwagens mit einem Bus im ostafrikanischen Tansania sterben 42 Menschen.

Juli 2014: Elf Menschen sterben, als auf der A4 bei Dresden ein Reisebus aus Polen auf einen ukrainischen Bus auffährt.

Mai 2014: Ein Feuer in einem Bus in Kolumbien kostet mindestens 33 Kinder das Leben. Der Fahrer hatte Benzin nachgefüllt.

Juli 2013: In Italien stürzt ein Bus bei Neapel in eine Schlucht, 38 Insassen sterben.

Juni 2013: In Montenegro stürzt ein Bus mit Urlaubern aus Rumänien nördlich von Podgorica in eine Schlucht. 19 Menschen werden getötet.

November 2012: Ein Zug erfasst an einem Bahnübergang in Ägypten einen Bus und reißt 50 Kinder in den Tod. Auch zwei Erwachsene sterben.

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Jürgen Franke 19.04.19 14:15
Ein fürchterlicher Unfall eines
Omnibusses, den eventuell eine Leitplanke in dieser Kurve verhindert hätte. Hoffentlich sorgt der angereiste Außenminister Maas, dass die Überlebende nach Deutschland geflogen werden. Die deutschen Busunternehmer haben auf die Sicherheitssysteme in ihren Bussen hingewiesen und deutlich gemacht, dass es in deutschen Bussen Pflicht ist, sich anzuschnallen.