Ein Jahr nach Präsidentenmord

Weder Anklagen noch Wahlen

Beisetzung des ermordeten Präsidenten von Haiti Jovenel Moise. Foto: epa/Orlando Barria
Beisetzung des ermordeten Präsidenten von Haiti Jovenel Moise. Foto: epa/Orlando Barria

PORT-AU-PRINCE: Ein Jahr nach der Ermordung des haitianischen Präsidenten Jovenel Moïse ist bisher weder der Kriminalfall aufgeklärt noch ein Nachfolger gewählt worden. Das Büro der Witwe Martine Moïse - die bei dem Attentat verletzt worden war - teilte mit, dass ihre Familie «unter keinen Umständen» an den vom Staat organisierten Gedenkveranstaltungen zum Jahrestag am Donnerstag teilnehmen werde. Zur Erklärung wurde auf Ermittlungen zu einer möglichen Tatbeteiligung von Interims-Premierminister Ariel Henry verwiesen.

Jovenel Moïse war in der Nacht zum 7. Juli 2021 in seiner Residenz in der Hauptstadt Port-au-Prince mit zwölf Schüssen getötet worden. Nach Ermittlungen der Behörden in Haiti und den USA führten rund 20 kolumbianische Söldner im Auftrag mehrerer Hintermänner die Tat aus. Die US-Ermittler gehen davon aus, dass der Plan ursprünglich lautete, Moïse zu entführen. Wirklich geklärt sind die Hintergründe noch immer nicht.

Mehr als 40 Verdächtige wurden in Haiti festgenommen, darunter 18 Kolumbianer und der Chef von Moïses Palastwache. Angeklagt wurde dort bislang allerdings niemand. In der US-Stadt Miami stehen drei Männer - darunter ein haitianischer Ex-Senator - wegen Verschwörung zum Mord oder zur Entführung außerhalb der USA im Fall Moïse vor Gericht.

Den Ermittlern zufolge telefonierte Ariel Henry wenige Stunden nach dem Attentat mit einem Hauptverdächtigen, einem noch immer gesuchten Ex-Mitarbeiter des Justizministeriums. Henry gab an, sich daran nicht zu erinnern. Als Staatsanwalt Bed-Ford Claude im September eine Anklage gegen ihn wegen mutmaßlicher Verwicklung in den Mord vorbereitete, entließ Henry sowohl ihn als auch Justizminister Rockfeller Vincent. Moïse hatte kurz vor seinem Tod Henry zum Premierminister und damit Regierungschef ernannt. Inzwischen ist der bereits fünfte Richter mit dem Fall befasst - seine Vorgänger traten zurück.

Haiti ist das ärmste Land Amerikas und leidet unter lähmender Bandengewalt. Seit Anfang 2020 hat der Karibikstaat kein beschlussfähiges Parlament mehr. Für September geplante Präsidenten- und Parlamentswahlen wurden auf unbestimmte Zeit verschoben.

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