Ich saß allein in meinem bevorzugten Fischrestaurant am Anfang der Thepprasit-Road, hatte gerade meine beliebte Fischsuppe bestellt, als zwei fremde Männer an meinen Tisch traten.
„He, Sie sind doch der Idiot, der sich mit seinen Scheiß- geschichten im FARANG so wichtigmacht – oder?“ Ich schaute mir die Typen an: Zwei deutsche, dickbäuchige Glatzköpfe, von oben bis unten tätowiert. „Was wollen sie von mir?“, fragte ich sie. Sie glotzten mich etwas blöde an. „Wenn Sie weiterhin solchen Mist schreiben, dann werden Sie schon sehen, was Sie davon haben.“ – „Arschloch“, ergänzte der andere Typ. Dann gingen sie, nicht ohne mir noch den Stinkefinger zu zeigen. Sie hatten mir keine Angst eingejagt. Ich bin es gewohnt, neben gelegentlichen Komplimenten auch verbalen Angriffen ausgesetzt zu sein. In diesem Land leben Menschen aus aller Welt mit den unterschiedlichsten Meinungen. Dass ich mit meinen Kolumnen nicht nur auf Zustimmung stoßen würde, das war mir immer klar. Allerdings nicht der Ton dieser Auseinandersetzung. Höflichkeit oder Respekt scheinen nicht mehr auf der Tagesordnung zu stehen. Im Schatten des Internets lassen viele Leute alle Hemmungen fallen. Jeder, der in der Öffentlichkeit steht, wird auf eine Weise beschimpft, die vor einigen Jahren noch ausreichte für eine Gefängnisstrafe wegen Beleidigung. Inzwischen scheint das normal zu sein.
Jeder kann sagen oder schreiben was er will, und jeder muss sich dem aussetzen, was diese Schwachköpfe in die Welt blasen. Aber das ist ja erst der Anfang. Am Ende stehen Morddrohungen, was dazu führt, dass die auf diese Weise Terrorisierten rund um die Uhr beschützt werden müssen. Das kostet dem Staat und den Steuerzahlern ein Vermögen, und das nur, weil einige Bekloppte solche Mails abgeschickt oder telefonisch angekündigt haben. Inzwischen gehören Zwischenfälle dieser Art zum Alltag. Man begibt sich zum Flughafen: Abgesperrt wegen einer Bombendrohung. Man steigt ins Flugzeug: „Bitte verlassen Sie die Maschine. Es gibt eine Terrorwarnung.“ Das Leben hat sich verändert. Überall auf der Welt. Sicher lebt kein Mensch mehr, nicht einmal in der eigenen Wohnung. Und wer sich auf Reisen begibt, weiß nicht ob er heil nach Hause kommt. Was steckt hinter diesen Terrorattacken? Häufig geht es um Rache.
Wenn beispielsweise ein Iraker von einem westlichen Feind getötet wird, dann schwört die gesamte Großfamilie ihren Angehörigen zu rächen. Wenn die Amerikaner einen iranischen General per Drohne umbringen, haben sie mindestens ein halbes Land gegen sich. Heute heißt es nicht mehr „Auge um Auge“ sondern „Zahn um Zähne“. Millionen Menschen warten heute darauf, dass ihre getöteten Familienmitglieder gerächt werden, und Tausende sind auf dem Weg, diese Rache zu vollziehen. Es gibt keinen Weg, diese Rachefeldzüge zu stoppen. Und das bedeutet, dass kein Mensch auf der Welt sich noch sicher fühlen kann. Gehen Sie noch ins Stadion ohne klammheimliche Furcht, dass dort eine Bombe hochgehen könnte? Wagen Sie sich noch ins Konzert, ohne zu befürchten, dass mitten unter dem Publikum einer sitzt, der jeden Augenblick seinen Sprenggürtel zündet? Mag sein, dass wir uns an diesen Terror gewöhnt haben, weil er weit genug von uns entfernt erfolgte. Aber wenn in unserer Nähe eine Granate hochgeht oder sich einer für einen Märtyrer hält und er deshalb mit seinem Auto in eine Menschenmenge rast, dann verändert sich sofort unser Leben. Wir leben fortan in Angst und gehen nur noch aus dem Haus, wenn es unabwendbar ist.
Wie soll das enden? Wer hat die Macht, diese Welt zu befrieden? Alle Organisationen, die zu diesem Zweck gegründet wurden, haben es bisher nicht geschafft, weil inzwischen auch die Gier eine Rolle spielt. Das Nachbarland hat reichlich Erdöl, das wir gerne hätten oder ein Land verfügt über andere Erdschätze. Die Gier ist fast immer der Grund für Kriege. Natürlich habe auch ich keine Ahnung, wie all diese Auseinandersetzungen beendet werden könnten. Ich sehe nur, wenn zwei Länder sich geeinigt haben, dann entstehen an einem anderen Ende der Welt wieder neue Kriege. Ich fürchte, dass es auf dieser Welt keinen Frieden geben kann. Ich fürchte sogar, dass diese Welt sich selbst zerstören wird.
Und damit bin ich mit vielen Wissenschaftlern einer Meinung. Die Menschen gehen miteinander um wie mit Schrott. Was ist aus Höflichkeit, Mitleid und Hilfsbereitschaft geworden? Wer sich an solche Tugenden hält, wird doch meist belächelt. Es geht anscheinend nur noch darum, sich selbst zu bereichern. Wer sich um andere kümmert ist ein Illusionist. Okay, ich kann damit leben. Aber ob unsere Nachgeborenen mit dieser Einsicht noch überleben, wage ich in Zweifel zu ziehen. Die Menschen haben Angst vor Wölfen, Schlangen oder Tigern. Dabei hätten sie viel mehr Grund Ihresgleichen zu fürchten. Wahrscheinlich müssen sich erst alle gegenseitig umgebracht haben, bis unsere Erde wieder erblühen und zu einem friedlichen Garten Eden werden kann.