Der Brexit und die EU

 Foto: Orlando Bellini / Fotolia.com
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Am 23.06.2016 haben die EU-Gegner im Vereinten Königreich per Referendum mit vier Prozentpunkten Vorsprung den Austritt Großbritanniens aus der EU erzwungen. Ob diese Entscheidung richtig oder falsch war, wird die Zukunft zeigen. Der letzte Alleingang der Briten, ihre Währung zu behalten und sich nicht der Eurozone anzuschließen, war aus heutiger Sicht jedenfalls keine schlechte Entscheidung. Ein Sieg der Demokratie und ein Weckruf für andere Mitgliedstaaten der EU war das Referendum allemal.

Das Führungspersonal der Union wirkt aktuell – wie auch so oft in der Vergangenheit – uneinig und planlos. Während Kommissionspräsident Juncker für ein „Weiter So“ plädiert und damit einmal mehr unterstreicht, wie ungeeignet er für dieses hohe Amt ist, schlägt EU-Parlamentspräsident Schulz den Umbau der EU Kommission zu einer echten europäischen Regierung vor. Wahrscheinlich ist die Zeit dafür noch nicht reif, aber die Gelegenheit ist günstig, klare Ziele zu setzen, die den Bürgern die Vorteile Europas vor Augen führen, sobald sie – zumindest teilweise – erreicht werden. Anfangen könnte man beim europäischen Grenzschutz und einer europäischen Asylpolitik oder etwa mit überzeugenden Maßnahmen im Bankenbereich um die Dauerkrise des Sektors in Europa zu beenden oder dem Aufbau des digitalen Binnenmarktes. Aufgaben gibt es genug. Kommt man umgekehrt zu dem Schluss, dass die Zeit für eine europäische Regierung noch nicht reif ist, geht die Welt auch nicht unter. Auch das Konzept eines Europas der Vaterländer kann funktionieren, wenn nur klar definiert ist, was man will.

EU hält sich nicht an die eigenen Regeln

Ermutigend war die Analyse der Brexit-Ursachen der deutschen Kanzlerin, die in bemerkenswerter Kürze feststellte, dass sich die EU nicht an die eigenen Regeln halte (keine Vergemeinschaftung von Staatsschulden in der EU; Begrenzung der Neuverschuldung, etc.). Dies dürfte in der Tat der Punkt sein, der die Union am meisten Glaubwürdigkeit kostet.

Wie schwer sich die EU mit einer klaren Linie tut, zeigt die jüngste Entscheidung, die Mitgliedsstaaten nun doch über das Handelsabkommen mit Kanada (Ceta) abstimmen zu lassen. Unmittelbar nach dem Brexit teilte Juncker mit, es handele sich um ein reines Handelsabkommen, für das ausschließlich seine Behörde zuständig sei. Weshalb knickt er nun ein, wenn er sich seiner Sache sicher ist? Linkspopulisten wie Sigmar Gabriel nannten sein Verhalten öffentlich „unglaublich töricht“ und haben wahrscheinlich mit Blick auf das Wahljahr 2017, in dem das Thema unangenehm für die SPD werden könnte, zum Umschwung beigetragen. Der EU haben sie damit einen Bärendienst erwiesen, denn sobald die Brüsseler Institutionen dem Abkommen zugestimmt haben, wird es höchstwahrscheinlich vorläufig in Kraft gesetzt werden und damit ein weiteres Mal den Anschein erwecken, dass die EU macht, was sie will. Wahrscheinlich setzt man insgeheim sogar auf eine Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs, der noch in diesem Jahr über ein Handelsabkommen mit Singapur entscheiden wird. Im Rahmen dieser Entscheidung werden auch grundsätzliche Ausführungen zur Ratifizierung solcher Abkommen erwartet. Diese taktischen Spielchen sind allerdings Gift für das Vertrauen der Bürger in die Legitimation der EU.

Ein weiteres Beispiel für schwache Politik sind Europas Banken. Während die Finanzkrise 2008 in den USA mit einem Gewinn für die Steuerzahler überwunden wurde, hat man sich in Europa nicht an das Thema herangetraut. Aktueller Krisenherd: Italien. In Europa hat man zugesehen, wie italienische Regierungen Reformen von Jahr zu Jahr verschoben haben und auch jetzt darf man gespannt sein, ob die Abwicklungsrichtlinie der EU für marode Banken auch angewendet wird. Wenn die EU es schafft, die harte Anwendung der Abwicklungsrichtlinie zu erzwingen und die Gläubiger der Forderungen anstelle der Steuerzahler für die Ausfälle aufkommen, wird das Vertrauen in die EU wachsen.

Zusammenfassend dürfte die Union gut beraten sein, die Zeichen der Zeit zu erkennen und eindeutige Fehlentwicklungen der letzten fünfzehn Jahre nunmehr rasch und beherzt zu korrigieren. Ein „Weiter so“ ist die schlechteste Alternative.


Über den Autor

Christian Rasp ist Rechtsanwalt und seit 1992 in Thailand, Hongkong und China tätig. Er leitet ein spezialisiertes Consulting-Haus, lebt und arbeitet in Hua Hin, Bangkok und Hongkong. Die Kolumne Nachgefragt“ beschäftigt sich vorwiegend mit aktuellen ökonomischen Fragestellungen, die es verdienen, etwas genauer unter die Lupe genommen zu werden.

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Mike Dong 04.08.16 22:24
Was hat die IT von American Express damit zu tun ?
Jürgen Franke 04.08.16 22:24
In Amerika funktioniert das, was
auch in Deutschland klappt, nämlich, unter den Bundesländern, ein Länderfinanzausgleich. Dieses System war aber für Europa nicht vorgesehen und wurde vertraglich ausgeschlossen. Kein Land sollte nämlich für die Schulden eines anderen Landes aufkommen müssen. Doch kein Land hielt sich an die Verträge und alle haben sofort die Euros zu günstigen Zinsen aufgenommen und über ihre Verhältnisse gelebt. Besonders Griechenland, Spanien und Italien, aber auch Frankreich. Rettungsschirme mussten in aller Eile gebastelt und Geld gedruckt werden, um die Länder (sprich die Banken) vor der Pleite zu retten. Vor dieser Situation, haben viele Professoren den Kohl gewarnt. Biedenkopf hat als Ministerpräsident des Freistaates Sachsen seinerzeit als einziges Bundesland auch dagegen gestimmt. Die starken "Nordländer" werden jetzt aber in Zukunft nicht mehr bereit sein, die Schulden der "Südländer" zu tragen. Es ist nur noch eine Frage der Zeit, wann das Gebilde EU zusammenbricht..
Jürgen Franke 04.08.16 16:08
Den beiden Männern an der Spitze der EU
wird es sicherlich nur schwer gelingen, die EU aus der Krise zu führen. Juncker hat als Ministerpräsident und gleichzeitig Finanzminister sein Land zu einem Steueroase machen können. Und dem Buchhändler aus Würselen und jetzt trockene Alkoholiker traue ich nicht zu, dass er über die Fähigkeiten verfügt, die jetzt erforderlich sind, um die Karre aus dem Dreck zu ziehen. Wären die Fähigkeiten der Herren anders, hätten die Britten nicht so einen Unsinn abgestimmt. (den sie dann schnell widerrufen wollten) Hinzu kam, die Angst vor noch mehr Zuwanderung. Hier trägt leider Frau Merkel eine gewisse Mitschuld an dem Brexit.
Jürgen Franke 04.08.16 11:16
Es ist sicherlich
sehr interessant, einmal nachzulesen, wie viel Kriege es in Nordamerika gegeben hat, bis es zu den vereinigten Staaten kam. Aber das sollte nun in Europa nicht wiederholt werden. Das größte Problem in Europa besteht daran, dass sich die Politiker sehr weit von ihrem Volk entfernt haben und somit die Probleme nicht zur Kenntnis nehmen. In der Schweiz sieht es in dieser Beziehung etwas besser aus.
Jürgen Franke 03.08.16 22:47
Wieder eine gute Kolumne, Herr RA Rasp,
Ich gehe jedoch davon aus, dass der Bexit Weckruf in Brüssel verhallt, aber im nächsten Jahr werden einige europäische Staaten, dem englischen Beispiel folgen. Die Franzosen werden, so ist zu vermuten, wenn die entsprechende Mehrheit vorhanden ist, auch die EU verlassen. Auch die Italiener werden folgen. Es wurden zu viele Fehler gemacht. Und insbesondere die Südländer habe sich nicht an die Verträge gehalten und über ihre Verhältnisse gelebt.