THAILAND: Immer mehr Senioren verbringen ihren Lebensabend in Thailand. Doch was ist, wenn der Körper nicht mehr so will wie man selbst? In den ländlichen Weiten des thailändischen Nordostens hat die Redaktion eine Seniorenresidenz besucht, in der gesunde und an Demenz erkrankte Rentner in der Gemeinschaft zusammenleben.
Mitten in der ländlichen Einöde des thailändischen Nordostens, knapp 90 Kilometer von der Provinzhauptstadt Buriram entfernt, haben sich Hans-Jörg und Lanee Jäger ihren Traum erfüllt. Am Rande des kleinen Dorfes Na Phaeng, zwischen Reisfeldern und auf den Wiesen dösenden Buckelrindern, eröffnete das schweizerisch-thailändische Ehepaar im Jahr 2011 eine Residenz für deutschsprachige Senioren. DER FARANG besuchte Hans-Jörg und Lanee, um zu erfahren, wie in ihrer Residenz gesunde und Alzheimergäste ihren Lebensabend im Isaan verbringen.
Idyllisch an einem künstlichen See gelegen, leben in der Residenz derzeit neun Langzeitgäste im Alter zwischen 72 und 89 Jahren in 13 Bungalows. „Herzlich willkommen“, werden wir von dem Schweizer Erbauer begrüßt. 10 lange Jahre hatte Hans-Jörg geplant, um das Projekt aus dem Boden zu stampfen. Den Stein ins Rollen brachte seine Mutter. Auf einem gemeinsamen Urlaub in Thailand fragte er sie, ob sie sich vorstellen könnte, in dem Dorf seiner Frau zu leben. Sie bejahte die Frage, jedoch mit dem Vorbehalt, in einer deutschsprachigen Gemeinschaft leben zu wollen, in der man sich gesellig zum Jassen (Skat) trifft, aber auch die Tür hinter sich schließen kann, wenn man einfach mal seine Ruhe haben will. Die Idee zur Seniorenresidenz in den Tropen war geboren.
Ursprünglich ausschließlich für deutschsprachige Rentner mit normalen Alterserscheinungen konzipiert, feilten Hans-Jörg und Lanee weiter an ihrem Konzept und bauten vor einem Jahr ihre Demenzabteilung aus, als sie realisierten, dass das psychiatrische Syndrom auch in Thailand immer mehr zum Thema wird. „Demenz wird nicht nur für viele ältere Menschen in der Heimat zum Problem, wenn es darum geht, ihnen einen würdevollen Lebensabend zu ermöglichen, sondern auch für alternde deutschsprachige Thailand-Residenten“, verdeutlicht Hans-Jörg.
Als Beispiel benennt er den Fall eines 88-jährigen Gastes, der 23 Jahre auf Phuket gelebt hatte und vor zwei Jahren an Demenz erkrankte. Als die Betreuung des Mannes nicht mehr privat erbracht werden konnte, suchte man im Hinblick auf seine geringe Rente nach einer verträglichen Lösung. In Zusammenarbeit mit dem Schweizer Konsulat wurde man auf Lanee’s Residenz aufmerksam, wo er seit Sommer vergangenen Jahres lebt. Auch durch zwei weitere Gäste, die geistig fit und gesund in die Residenz kamen, doch im Laufe der Jahre in die Altersdemenz abrutschten, wurde das Betreiberehepaar verstärkt mit dem Thema konfrontiert.
Bewegung statt Beruhigungsmittel
Demente Gästen, die eine 24-Stunden-Betreuung benötigen, steht in Lanee’s Residenz ein eigenes Team von je drei Betreuerinnen zur Verfügung. Dabei handelt es sich immer um dieselben Personen. „Das Team ist als Bezugsperson unserer Gäste zu verstehen“, verdeutlicht Hans-Jörg. „Das ermöglicht uns, Psychopharmaka durch Bewegung, gemeinschaftlichen Kontakt und Freizeitangebote zu ersetzen.“ So werden regelmäßig buddhistische Tempel und ein Historiendorf oder auch die Provinzhauptstadt Buriram besucht.
Ein wichtiges Thema ist die ärztliche Versorgung. Schließlich liegt die Residenz fernab jeder Großstadt. „Nur drei Kilometer von uns entfernt befindet sich das Kreiskrankenhaus, das sich für normale Krankheiten und die Erstversorgung anbietet“, informiert Hans-Jörg. „Da wir mit dem Spital einen sehr engen Kontakt pflegen, kommen die Ärzte und Schwestern auch direkt zu uns, zum Beispiel, wenn ein Gast nicht transportfähig ist. Zudem ist die Anlage so konzipiert, dass vor jedem Bungalow ein Krankenwagen vorfahren kann.“ Für ernstere Beschwerden werden die Krankenhäuser in Khon Kaen oder Buriram aufgesucht.
Das Besondere an Lanee‘s Residenz ist, dass hier nicht nur Demenzkranke leben, sondern auch ganz normale, gesunde Senioren. Auf die Frage, wie den Betreibern der Spagat gelingt, den unterschiedlichen Ansprüchen gerecht zu werden, antwortet Hans-Jörg: „Wir versuchen, immer alles gemeinsam zu unternehmen und sperren unsere Demenzgäste nicht weg. Wir essen zum Beispiel alle zusammen an einem großen Tisch. Meine Frau und ich sind fest davon überzeugt, dass man die Krankheit ansatzweise aufschieben kann, wenn jeder einzelne jeden Tag gefordert wird. Das geht natürlich nur, wenn alle mitmachen und sich gegenseitig behilflich sind."
Beim Rundgang durch das weitläufige Resort, das der Schweizer komplett in Eigenregie erbaut hat, ist sein hoher Qualitätsanspruch unübersehbar. Egal ob Strom, Wasser, Internet, Swimmingpool oder Küche, Hans-Jörg hat alles persönlich überprüft. Gewohnt wird in 64 Quadratmeter großen, behindertengerechten Bungalows mit je drei Zimmern, einer Küche und einem Bad sowie einer großen Terrasse mit Seeblick. Für Angehörige oder Feriengäste, steht ein Hotel mit sechs großzügig bemessenen Zimmern zur Verfügung.
Schicksale, wie sie das Leben schreibt
Die Bewohnerschaft ist so vielfältig wie das Leben selbst: Da ist zum Beispiel Hildegard, 74, die von ihrem Mann wegen einer jungen Thai sitzengelassen wurde oder Irma, die aufgrund ihrer Demenz rund um die Uhr von ihrem persönlichen Pflegeteam betreut wird. Richi, 74, trennte sich von seiner Lebenspartnerin. Da er aber hinsichtlich seines Alters nicht mehr alleine leben wollte, kam er in die Residenz. Hier kann er auch sein heißgeliebtes Hobby, das Schreinern von Möbeln, wieder richtig ausleben. So baute der handwerklich begabte Rentner seine ganze Schreinerei bei Hans-Jörg und Lanee auf, in der er jeden Morgen anzutreffen ist. Für die anderen Gäste übernimmt er kleine Reparaturen und stellt Kleinmöbel her. Trotz persönlicher Schicksale strahlen alle Gäste eine auffallend tiefe Zufriedenheit aus, was auch in der Ruhe und Naturidylle der Residenz begründet sein mag.
Lauter geht es hingegen beim gemeinsamen Abendessen zu, bei dem natürlich genauso wenig ein Glas guter Wein fehlen darf wie deftige Schweizer Küche. Lanee tischt heute Berner Röschti auf. Das überrascht kaum, hat die 47-jährige gelernte Sportlehrerin doch 20 Jahre in der Schweiz als Krankenschwester und Laborantin gearbeitet. In ihrer Residenz agiert sie hingegen als Managerin, Personalchefin, Köchin, Behördengängerin, Betreuerin und Kummerkasten. Sie organisiert Medikamente, Visa, Druckerpatronen oder sonstige Wünsche und backt deutsches Brot.
Probewohnen als Voraussetzung
Da das Zusammenleben mit Demenzkranken und das ruhige Dorfleben nicht jedermanns Sache sind, bieten Hans-Jörg und Lanee das sogenannte Probewohnen an: „Wir verlangen, dass jeder Gast bei uns erst einmal ein paar Wochen lebt, um herauszufinden, ob das auch tatsächlich das Leben ist, dass er sich vorgestellt hat und er „thaikompatibel“ ist. Andererseits möchten wir mit unseren Langzeitgästen schauen, ob der neue Gast auch tatsächlich zu uns passt. Schließlich ist es die Gruppendynamik, die jeden Tag auf ein Neues gepflegt werden muss.“
Doch für wen ist die Residenz geeignet und für wen eher nicht? Hans-Jörg erklärt: „Für Stadtmenschen sind wir natürlich der falsche Ort. Meistens ist bei uns bereits ab 21 Uhr Ruhe und die Gäste schauen Fernsehen in ihren Bungalows oder gehen schlafen. Man darf das hier nicht mit Urlaub verwechseln. Unsere Gäste leben hier und gestalten dementsprechend ihren Tag."
Das oftmals hervorgebrachte Argument, dass seine Gäste von ihren Angehörigen nach Thailand „abgeschoben“ wurden, mag er so nicht stehen lassen: „Das mag für Außenstehende vielleicht so aussehen. Doch wissen Sie, was die Angehörigen bei der Pflege eines Demenzkranken alles übernehmen und erleiden müssen? Die psychische Belastung nimmt derart zu, dass meistens erst kurz vor dem Zusammenbruch gehandelt wird.“
Als Beispiel verweist er auf ein Ehepaar aus Hua Hin. Die Frau erlitt Altersdemenz, ihr Mann pflegte sie und hat die Residenz erst kurz vor seinem eigenen Zusammenbruch aufgesucht. „Er brauchte fast zwei Jahre, um sich zu erholen und sagt heute, dass er schon viel früher hätte kommen sollen. Doch er hatte Angst vor den Meinungen seines Umfeldes und seiner Familie. Vorurteile sind immer schnell zur Hand, bei der Hilfe hingegen hapert es. Heute kommt er seine Frau einmal im Monat besuchen und kümmert sich sehr liebevoll um sie. Vorher war er verbittert und konnte überhaupt keine Liebe mehr zeigen."
Langzeitmiete statt Kauf
Wie auch in der Heimat, sind natürlich auch in Thailand die Pflegekosten ein wichtiges Thema. „Unser Konzept ist, dass wir nichts verkaufen, sondern die Bungalows ausschließlich auf Langzeit vermieten. Denn warum sollte man im hohen Alter noch etwas kaufen und dadurch sein Geld blockieren?“, erläutert Hans-Jörg.
Der Mietpreis beträgt 37.000 Baht pro Monat und umfasst Vollpension, Bettwäsche, Reinigung und sogar eine wöchentliche Massage. Benötigt ein Gast Betreuung oder Pflege, werden pro acht Stunden 12.000 Baht pro Monat berechnet. Bei einer 24-Stunden-Betreuung kommt man also auf zusätzliche 36.000 Baht pro Monat. Die Kündigungsfrist beträgt einen Monat, bei Pflegepatienten hingegen drei Monate. „Schließlich haben wir eine soziale Verpflichtung gegenüber unseren Angestellten“, so Hans-Jörg.
Lanee’s Residenz99 Moo 6 Na Phang a Na Pho 31230 Buriram, Thailand Tel.: +66 (0)86-256.2627 (Hans-Jörg), Tel.:+66 (0)92-954.5493 (Lanee) E-Mail: hj@lanee.ch |