Baerbock fordert mehr internationale Hilfe für Sudan-Flüchtlinge

Die deutsche Außenministerin Annalena Baerbock gestikuliert während einer Dialogsitzung im Außenministerium in Berlin. Foto: EPA-EFE/Clemens Bilan
Die deutsche Außenministerin Annalena Baerbock gestikuliert während einer Dialogsitzung im Außenministerium in Berlin. Foto: EPA-EFE/Clemens Bilan

JUBA/GOROM: Der blutige Konflikt im Sudan ist angesichts der Kriege in Gaza und der Ukraine aus dem Blick geraten. Dabei gibt es dort die weltweit größte Flüchtlingskrise. Vor allem Frauen und Kinder leiden.

Außenministerin Annalena Baerbock hat zu mehr Hilfe vor allem für die notleidenden Frauen und Kinder unter den Flüchtlingen im Südsudan aufgerufen. «Ich appelliere insbesondere auch an die Staaten hier in der Region, an die Golfstaaten, auch bei diesem humanitären Leid nicht wegzuschauen, sondern die Unterstützung für Frauen und Kinder hier massiv hochzufahren», sagte die Grünen-Politikerin am Freitag in der Flüchtlingssiedlung Gorom nahe der südsudanesischen Hauptstadt Juba. Der Krieg im Sudan sei «vor allen Dingen auch ein Krieg gegen Frauen», ergänzte sie.

Sexualisierte Gewalt und Vergewaltigungen würden «systematisch als Kriegswaffe eingesetzt», kritisierte die Bundesaußenministerin. Die Frauen, mit denen sie in Gorom gesprochen habe, hätten «Schlimmstes durchlitten, mussten ansehen, wie ihre Töchter vor ihren Augen vergewaltigt worden sind, haben ihre Kinder auf der Flucht verloren». Täglich kämen 1500 Flüchtlinge aus dem Sudan nach Südsudan in Flüchtlingscamps, die schon vorher überfüllt gewesen seien. Zentral sei etwa mehr Unterstützung im medizinischen und im Bildungsbereich.

Baerbock eröffnet Frauenhaus

In der vom UN-Flüchtlingshilfswerk UNHCR betreuten Flüchtlingssiedlung Gorom wurde die Bundesaußenministerin von dutzenden Frauen und Kindern begeistert empfangen. Baerbock eröffnete ein neues Frauenhaus und durchtrennte dazu ein Schleifenband in der UN-Farbe blau. In dem Haus haben unter anderem neu aus dem Sudan angekommene Frauen die Gelegenheit, bei Teestunden Erfahrungen auszutauschen. Südsudan ist das südliche Nachbarland des Sudans.

In dem für 2000 Menschen eingerichteten Lager Gorom lebten derzeit etwa 12.000 Menschen, die Wasser, Lebensmittel und medizinische Versorgung bräuchten, sagte Baerbock. Deutschland sei zweitgrößter Geber bei der humanitären Hilfe.

Ministerin: Kriegs-Generale im Sudan an Verhandlungstisch

Die Ministerin rief den sudanesischen de-Facto-Machthaber Abdel Fattah al-Burhan und dessen früheren Stellvertreter Mohamed Hamdan Daglo zu einer Lösung am Verhandlungstisch auf. Seit Beginn des Konflikts Mitte April sind nach UN-Angaben 7,6 Millionen Menschen innerhalb des Sudans und über die Landesgrenzen geflohen. Es sei damit die größte Flüchtlingskrise der Welt.

Baerbock im Hauptquartier der Unmiss-Blauhelmmission

Beim Besuch der UN-Blauhelmmission im Südsudan, Unmiss, ließ sich Baerbock vom stellvertretenden Leiter der militärischen Beobachtungsmission, dem deutschen Oberst Hans Peter Dorfmüller, und anderen deutschen Soldaten über die Lage informieren. Dorfmüller ist dienstältester Offizier des deutschen Unmiss-Teils. Derzeit sind 14 Bundeswehrangehörige bei dem UN-Einsatz dabei, der vor allem Flüchtlinge im Südsudan schützen soll.

Dorfmüller sagte, problematisch sei etwa die Verdichtung der Zahl der Flüchtlinge aus dem Sudan im Norden des Südsudans. Die Spendenbereitschaft drohe im laufenden Jahr um 40 bis 50 Prozent zurückzugehen. «Das wird ein Problem für die Lebensmittelversorgung geben», sagte ein deutscher Offizier. Man sei ständig dabei, Lebensmittelkonvois und -lager zu schützen. Ein besonders großes Problem seien Gruppenvergewaltigungen von Frauen - «Gefahren-Hotspots» seien dabei etwa das Wasser- oder Brennholzholen.

Unter den deutschen Militärbeobachtern sind mehrere weibliche Bundeswehrsoldaten. Auf die Frage von Baerbock, warum sie sich für den UN-Einsatz gemeldet habe, machte eine Soldatin im Range eines Hauptmannes deutlich, Frauen würden dringend bei dem Einsatz gebraucht, um Zugang zu weiblichen Flüchtlingen zu bekommen. Sie wolle bei ihrem Einsatz «mit gutem Beispiel vorangehen».

Unmiss ist die derzeit größte UN-Friedensmission weltweit. Sie besteht aktuell aus rund 13.000 Blauhelm-Soldaten aus 73 Ländern, etwa 1500 Polizisten und ungefähr 2600 Zivilisten. Sie soll insbesondere für den Schutz von zurückkehrenden Flüchtlingen sorgen. Derzeit sind 14 deutsche Soldaten beteiligt.

Verstärkte Kämpfe im Sudan

Während Baerbock bei ihrer mehrtägigen Ostafrikareise neuen Schwung in Verhandlungen für ein Ende des blutigen Konflikts im Sudan bringen wollte, haben sich dort die Kämpfe erneut intensiviert. Vor allem im Bundesstaat West Kordofan an der Grenze zum Nachbarstaat Südsudan gab es Konfrontationen von Regierungstruppen und Milizen.

Baerbock in Kenia - Abstecher nach Jordanien

Am Vorabend hatte Baerbock nach einem Treffen mit dem kenianischen Präsidenten William Ruto in dessen Landsitz Sagana gesagt, im Sudan «legen sich seit Jahrzehnten multiple Krisen übereinander und werden verschärft durch die Klimakrise». Unter anderem müsse die internationale Vermittlung stärker als bisher koordiniert werden. Um zu verhindern, dass ein Zerfall des Sudans die ganze Region ins Chaos stürze, müsse auch die militärische Unterstützung der Konfliktparteien von außen unterbunden werden.

Auf dem Rückweg nach Deutschland wollte Baerbock an diesem Samstag im Zusammenhang mit den Vermittlungsbemühungen im Gaza-Krieg kurzfristig einen Abstecher nach Jordanien machen.

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