Ich gebe zu: Ich verstehe sie nicht, obwohl ich schon seit 30 Jahren in Thailand lebe.
Warum darf ich tagsüber keinen Wein, kein Bier einkaufen? Wegen der Schulkinder? Die sind doch nicht blöde. Die besorgen sich rechtzeitig, was sie haben wollen. Und sie bekommen es ja auch in fast jeder Klitsche. Warum darf ich als Farang an einem buddhistischen Feiertag oder an einem Wahltag in einem vornehmen Restaurant kein Gläschen Wein zum Essen zu mir nehmen?
Warum muss ich am Mittwoch in der Sonne braten, dem Hautkrebs ausgesetzt? Weil am Mittwoch der Strand gereinigt wird? Könnte das nicht auch täglich vor der Eröffnung geschehen? Warum darf man hier bei jeder Tages- und Nachtzeit mit hochgetunten Motorrädern die ganze Stadt tyrannisieren oder Partys feiern mit einer Lautstärke, die im weiten Umkreis alle Menschen vom Schlaf abhält? Dass deshalb zahlreiche Besucher flüchten und viele offene Restaurants in der Nachbarschaft leer stehen – na und?
Warum gelten Gesetze nur an bestimmten Tagen? Zum Beispiel, wenn am Montag alle Motorradfahrer angehalten und zur Kasse gebeten werden, die keinen Helm aufhaben, am nächsten Tag aber nur in Autos nach Drogen gefahndet wird, während die unbehelmten Motoradfahrer unbeanstandet vorbeiknattern dürfen? Oder an einem anderen Tag wird nur nach alkoholisierten Autofahrern gesucht. Alle anderen haben freie Fahrt. Mein Rat: Halten Sie sich als Autofahrer zurück, denn die Kontrollen haben massiv zugenommen. Aber wenn das Maß schon überschritten ist, sollten Sie bis Mitternacht warten mit der Heimfahrt. Schließlich wollen auch Polizisten mal Feierabend haben. Verständlich – oder?
Für Ausländer sind die Gesetze dieses Landes sowieso nicht verständlich, denn meistens werden sie – was auch immer passiert ist – zu ihrem Nachteil ausgelegt, und zweitens werden im Zweifelsfall Gesetze hervorgekramt, die vor zig Jahren mal verabschiedet wurden, aber niemals angewendet worden sind. Sollten Sie zu nahe am Strand gebaut haben? Verkaufen Sie das Objekt an einen Thai. Der erhält die Genehmigung, die Sie nie bekämen. Warum? Woher soll ich das wissen? Ich bin doch kein Thai. Aber ich weiß, dass jeder Ausländer, der kein Visum hat, mit etwas Geld innerhalb von zwei Stunden sich eines beschaffen kann. Die Werbungen dafür stehen in jeder Zeitschrift.
Wer sich als Thai für auserkoren hält, der hat auch das Recht, die Farangs auszunehmen. Und das tut er natürlich auch mit allen Tricks und Mitteln. Hilfsmittel Nummer eins ist dabei das Lächeln. Das haut fast jeden neuen Thailand-Besucher um. Noch wichtiger ist vielleicht der Sex, denn wenn der passt, dann kommt der Sugar-Daddy vielleicht schon bald wieder, um die ganze Familie zu sanieren. „Klar“, hörte ich vor einigen Tagen eine Thai sagen, „Farangs sind für uns Gold“. Eigentlich wollte sie Geld sagen. Dass es nur ein Verständigungsproblem war, stellte sich schon bald danach heraus, denn sie war für beides offen.
Die Thais gehen mit allen Anordnungen, Gesetzen und Schikanen sehr pragmatisch um. Sie wissen, wer wann und wo kontrolliert. Für sie ist das Ganze ein Spiel, das sie konterkarieren. Es sind vorwiegend die Farangs, die all diesen Fallen erliegen. Und obendrein mit schlechtem Gewissen. Thais haben von klein auf gelernt, wie das Spiel vom Nehmen und Geben läuft: Heute zahle ich, morgen hole ich es mir woanders zurück. Im Übrigen kann ich machen was ich will, solange ich dafür bezahle. Schließlich haben viele Unternehmer – vor allem im Nachtgewerbe – einen Polizisten auf ihrer Gehaltsliste, der dafür zuständig ist, dass jede Kontrolle vorher angesagt wird, und der im Streitfall dafür sorgt, dass alles einvernehmlich, d.h. zu Gunsten des Wirtes oder wer auch immer involviert ist, gelöst wird.
Ich verstehe. Das erspart viel Bürokratie und ist nichts anderes als Korruption. Aber wer könnte sie jemals abschaffen, nachdem sie sich im Lebenskörper dieses Landes so fest eingenistet hat? Die Thais haben sich mit den Umständen arrangiert, und wissen, wie sie damit umzugehen haben. Sie spielen in heimlichen privaten Casinos, und wenn an einem Buddha-Tag Alkoholverbot gilt, wird der Wein oder das Bier eben in großen Tassen serviert oder in Flaschen, die in Zeitungspapier eingewickelt werden.
Zur Not helfen die Geister, die in jedem Thai-Haus, unter jeder Türschwelle, in jedem Baum und jedem Garten wohnen. Wer sich täglich um sie kümmert, wer das Geisterhäuschen täglich mit frischen Speisen, Getränken und Räucherstäbchen versorgt, der muss sich als Thai keine Sorgen machen. Die kann er getrost den Geistern überlassen. Farangs hingegen sollten immer genügend Geld (gut gesichert) mit sich führen. Zum einen, weil sie bei allen nationalen Sehenswürdigkeiten doppelt so viel zahlen wie die Thais, zum anderen, weil man sich damit auch jeden weiteren Ärger vom Hals halten kann. Und denken sie immer daran: Von seinem bescheidenen Gehalt kann weder ein Lehrer noch ein einfacher Polizist seine Familie ernähren. Ob allerdings Gehaltserhöhungen am gewöhnten Verhalten etwas ändern würde, wage ich zu bezweifeln. Denn wer ein kleines Auto besitzt, der will ein großes haben, und wer eine Hütte besitzt, der strebt nach einer Villa, und wer nicht mehr weiß, wohin mit seinem Geld, der findet irgendwo auf der Welt ein diskretes Plätzchen, wo es sich in aller Ruhe vermehren kann.