Achtung! Lesen gefährdet die Dummheit

Achtung! Lesen gefährdet die Dummheit

Von Charlie Chaplin stammt das Zitat: „Ein Tag ohne Lächeln ist ein verlorener Tag.“

So sehr ich diesem Satz zustimme, meine Devise lautet: „Ein Tag ohne lesen ist ein verlorener Tag.“

Ich konnte schon lesen, als ich eingeschult wurde. Bücher haben mein Leben geprägt. Bis heute erinnere ich mich an das erste Buch, das ich las. Es hieß „Der Zigeunerfriedel“. Der Autor war Friedrich Kipp. Es war ein rassistisches Buch über einen von Zigeunern geraubten kleinen Jungen. Mit diesem Jungen habe ich mich identifiziert, mit ihm gehofft und geweint, bis er endlich zu seiner leiblichen Familie zurückfand. Ich habe dieses Buch mehrmals verschlungen. Ein Rassist bin ich trotzdem nicht geworden.

Jedes Buch hat eine Seele und führt den Leser in ein fremdes Leben oder ins Reich der Träume. Ich kenne Menschen, die haben nach der Schulzeit nie wieder ein Buch in die Hand genommen außer dem Telefonbuch. Diese Leute ahnen nicht was ihnen entgeht: Ein ganzes Universum, das niemals durch das Fernsehen ersetzt werden kann. Selbst Buchverfilmungen sind nur wie Wasser statt Wein.

Wer „Der kleine Prinz“ von Antoine de Saint-Exupery gelesen hat wird diese nur scheinbar für Kinder geschriebene Geschichte sein Leben lang nicht vergessen. Letzte Woche las ich „Lichtspiel“ von Daniel Kehlmann, ein Roman über den Filmregisseur G.W. Pabst. Jetzt ist „Der Schatten des Windes“ von Carlos Ruiz Zafon dran, der mich in den Friedhof der vergessenen Bücher führt und mich von der ersten Seite an fesselt, obwohl er schon im Jahr 2005 im Suhrkamp-Verlag erschienen ist.

Und wenn ich selbst tagsüber an einem neuen Buch arbeite, komme ich doch nicht umhin, abends noch ein paar Stunden zu lesen. Sobald mir ein Buchtitel wieder einfällt, ein Buch, das ich schon vor Jahren gelesen habe, dann wird die ganze Geschichte in mir wieder lebendig: „Nachtzug nach Lissabon“ von Pascal Mercier, „Der Zauberberg“ von Thomas Mann oder all die Romane von Hermann Hesse, die ich in jungen Jahren aufgesaugt habe wie ein Ertrinkender den Sauerstoff.

Ich denke an meinen Freund Philipp, ein Literaturfan par excellence. Als er nach dem Verlust seines Augenlichts durch einen Unfall die Blindenschrift erlernt hatte, blühte er auf wie verdorrtes Gras nach dem Regen. Glücklicherweise sind viele Bücher in diesem Format erhältlich. Notfalls kann man sich natürlich auch mit Hörbüchern versorgen. Mir würde dabei die Haptik fehlen. Das Umblättern Seite für Seite gehört für mich zum Lesen, weil jede neue Seite neue Überraschungen verspricht.

Ich vermute, dass die großen Schriftsteller der Welt diese weitaus stärker verändert haben als die Politiker. Beweisen lässt sich diese Annahme nicht, weil wir über die Auswirkungen von Literatur auf die Leser und deren dadurch bedingte Handlungen nur selten etwas erfahren. Aber gelegentlich hört man von einer Heldentat, wobei der Täter sich auf das Vorbild aus einem Buch beruft.

Ein Homme de lettres kann kein böser Mensch sein, eher ein Idealist, ein Träumer, vielleicht ein Fantast, aber ich bin mir sicher, er wird zu denen gehören, die sich vor der Not anderer Menschen nicht verschließen. Er hilft und gibt, so wie jedes gute Buch nur gibt und niemals fordert.

Friedrich II., der König von Preußen hinterließ diese Worte: „Bücher sind kein geringer Teil des Glücks. Die Literatur wird meine letzte Leidenschaft sein.“

Ein weiteres Zitat, dessen Urheber mir nicht bekannt ist, lautet: „Ein Leben ohne Bücher ist wie eine Kindheit ohne Märchen, ist wie eine Jugend ohne Liebe, ist wie ein Alter ohne Frieden.“

Dem habe ich nichts hinzuzufügen.

Überzeugen Sie sich von unserem Online-Abo:
Die Druckausgabe als voll farbiges PDF-Magazin weltweit herunterladen, alle Artikel vollständig lesen, im Archiv stöbern und tagesaktuelle Nachrichten per E-Mail erhalten.