Memento Mori

Memento Mori

So wie die Thais den Wan-Sart-Tag feiern, wird in Deutschland und in vielen anderen Ländern am 26. November der Totensonntag begangen, der alljährliche Gedenktag für die Verstorbenen.

Seit einer Verordnung des preußischen Königs Friedrich Wilhelm III. aus dem Jahr 1816 wird dieser Tag immer am letzten Sonntag des evangelischen Kirchenjahres gefeiert. Er wird auch als Ewigkeitssonntag bezeichnet.

Ich weiß, viele Menschen wollen mit diesem Thema nichts zu tun haben. Aber der Tod gehört nun einmal zum Leben dazu wie die Geburt. Wer sich diesem Thema verschließt, der versteckt sich nur vor sich selbst und vor seiner eigenen Sterblichkeit.

Memento Mori – gedenke, dass du sterblich bist. Sich mit dieser Tatsache vertraut zu machen, sich damit abzufinden, bedeutet, die Angst vor dem Tod zu verlieren und frei zu werden für das Leben. Nicht-Christen, denen Hölle und Fegefeuer fremd sind, die auch das Prinzip der Sünde ablehnen, brauchen den Tod nicht zu fürchten, denn solange sie leben, ist er nicht da und sobald er da ist, sind sie nicht mehr da (Den letzten Halbsatz habe ich bei Ferdinand von Schirach abgeschrieben, den er wiederum bei Epikur gefunden hatte).

Ich habe mich schon seit vielen Jahren dafür entschieden, habe mein Testament notariell beglaubigen lassen, meinen Grabplatz ausgesucht und die Trauerfeier in allen Einzelheiten geregelt. Damit ist diese Sache für mich erledigt. Ich kann mich ganz der Lebensfreude hingeben, jede Stunde genießen und muss auf nichts warten, was irgendwann sowieso kommt. Ich nenne das Freiheit und bedauere alle, die sich diesem friedlichen Zugang zu sich selbst verweigern.

Dabei ist die Angst davor völlig überflüssig, es sei denn, man verbindet damit ein qualvolles Dahinsiechen. Das kann ich selbstverständlich nachvollziehen. Aber da niemand im Voraus die Umstände seines Todes kennt, ist es müßig, da­rüber nachzudenken. Man kann dieser Tatsache auch mit einem Witz begegnen: Als Johannes Heesters 106 Jahre alt wurde, sah er einen schwarzen Wagen vor seinem Haus anhalten und soll zu seiner wesentlich jüngeren Frau zugerufen haben: „Simone, Besuch für dich.“

Wer in diesen düsteren Herbsttagen seiner verstorbenen Angehörigen gedenkt, kann darin auch Trost finden: Hurra, wir leben noch! Schenkt ein den Wein und lasst uns fröhlich sein.

Mit dieser Lebensphilosophie bin ich alt geworden und offen geblieben für alle Annehmlichkeiten, die sich mir täglich bieten. Gründe zum Feiern gibt es genug: Heinz begeht bei bester Gesundheit seinen 79. Geburtstag, Peter hat seine verlorenen Papiere zurückbekommen, Erwin wurde als geheilt aus der Klinik entlassen und ich fliege wieder einmal in meine Wahlheimat zu meinen Freunden in Pattaya.

Der berühmte schwedische Dichter und Liedermacher Carl-Michael Bellmann hat vor über 200 Jahren diesen Text geschrieben, den Hannes Wader und Reinhard Mey in Deutschland bekanntgemacht haben:

„So trolln wir uns ganz fromm und sacht
von Weingelag' und Freudenschmaus,
wenn uns der Tod sagt „Gute Nacht,
dein Freudenglas rinnt aus.“

Wer heut' noch frech den Schnabel wetzt
und glaubt, ein großer Herr zu sein,
pass auf, der Schreiner hobelt jetzt
und grad' an deinem Schrein.

Scheint das Grab dir tief
und dumpf sein Druck,
ala mod', so nimm noch einen Schluck,
und noch einen hinterher,
gleich noch zwei oder drei,
dann stirbst du sorgenfrei.“

Überzeugen Sie sich von unserem Online-Abo:
Die Druckausgabe als voll farbiges PDF-Magazin weltweit herunterladen, alle Artikel vollständig lesen, im Archiv stöbern und tagesaktuelle Nachrichten per E-Mail erhalten.