Shambala oder Shangrila?

Shambala oder Shangrila?

Shambala im Himalaya gilt als das Land der vollkommenen Reinheit, aus dem die geheimsten Belehrungen des Buddhismus stammen. Es liegt unterhalb des  vermuteten mystischen Berges Meru, dem Sitz der Himmlischen, dem Zentrum der Welt für alle gläubigen Buddhisten.

Der englische Schriftsteller James Hilton nannte dieses Land in seinem Roman „Der verlorene Horizont“ Shangrila, ein Symbol für das irdische Paradies. Von hier aus fand der Buddhismus, der seinen Ursprung in Indien hatte, durch den Yogi und Magier Padmasambhava im 8. Jahrhundert den Weg nach Tibet und später auch nach Thailand.

Die Thais wissen: Der Weg ist das Ziel, nicht die Ankunft. Sie spenden so viel sie können, um im nächsten Leben eine bessere Existenz zu haben, Tham-bun, um nicht ins Tierreich zurückzufallen. Ihre Welt ist voller Geister, guter und böser Wesen, die es täglich zu beruhigen gilt, damit sie vor Unheil bewahrt bleiben. Schon die Babys bekommen einen Spitznamen, der im Grunde ein Schutzname ist, um die bösen Geister zu verwirren.

Für Farangs ist es nicht einfach, sich in dieser, ihnen oftmals kurios erscheinenden Kultur zurechtzufinden. Sie kennen die wenigsten der zu beachtenden Vorschriften und verletzen sie auch permanent. Aber die Thais sind tolerant und verstehen, dass diese Übertretungen ohne Absicht erfolgen. Wenn Touris­ten jedoch auf Buddha-Figuren steigen, um sich fotografieren zu lassen, dann kennen sie kein Pardon: Eine Schändung ihres Glaubens lassen sie nicht zu. Die Bestrafung für dieses Sakrileg kann zu hohen Geldstrafen, zur Haft oder zur Ausweisung aus dem Land führen.

Mich hat das Verhalten mancher Farangs oft gestört. Ob sie sich nackt an den Strand legen oder ob sie mit verschwitzten T-Shirts und kurzen Hosen in Restaurants einmarschieren, ich empfand es immer als höchst unangebracht. Die Parole dieser Leute, die ich mir immer wieder anhören musste, lautete: Im Urlaub kann ich machen, was ich will. Keine Kinderstube gehabt oder nur rücksichtslos?

Bis auf wenige Ausnahmen habe ich Thais in den vielen Jahren, die ich hier gelebt habe, immer als höfliche und respektvolle Menschen wahrgenommen. Ihre Freundlichkeit und ihr Lächeln – das dem Selbstschutz dient – gab mir stets das Gefühl, hier willkommen zu sein. Und so wurde Thailand für mich zur Wahlheimat, wo ich ich die schönsten Jahre meines Lebens verbracht habe. Und immer noch lerne ich Dinge hinzu, die ich vorher nie beachtet habe. Ob es sich um das Juwel der Lotusblüte handelt („Om man padme hum“) oder um den Zauber und Wert von Amuletten, ob über die unzerstörbare Loyalität der Familie oder die Lebensphilosophie der Thais (Sanuk, Sabai, Suay) – tiefere Einblicke in ihr Leben betrachte ich für mich als Bereicherung.

Auch die Bedeutung des Wais, sein Stellenwert in der sozialen Hierarchie ist vielen Ausländern ein Buch mit sieben Siegeln. Entweder halten sie Ihre Hände bis zur Nase hoch oder nur in Brusthöhe. Für Thais, die mit dem Wai ihren Respekt ausdrücken, ist das von klein auf ein selbstverständliches Ritual.

Von den Schwierigkeiten, die im Zusammenleben von Thais und Farangs unweigerlich entstehen, kann auch Callolo ein Lied singen. Seit über zehn Jahren erträgt er die Launen seiner Herzallerliebsten und ist ihr immer noch in Liebe verbunden. Sie kann mit Geld nicht umgehen und gibt für Kosmetika ein Vermögen aus. Ihre Entschuldigung lautet: „Das mache ich doch alles nur für Dich, Callolo.“

Gut, wenn man sich hier ein dickes Fell zulegt. Dadurch wird Thailand zwar nicht zum Shangrila, aber es bleibt doch das Sehnsuchtsland für viele Millionen Menschen aus aller Welt.

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