Die Zündhölzer

übersetzt von Dr. Christian Velder

Eine Weile ist es her, da lebte in einem Dorf in der Einöde ein Mann, der noch nie in einer Stadt gewesen war. Gehört hatte er, dass dort alles anders war, aber was und wie, das wusste er nicht.

Eines Tages hatte einer seiner Nachbarn in der Stadt zu tun und lud ihn ein mitzukommen, denn er wollte allerlei nützliche Dinge einkaufen, die es auf dem Lande nicht gab. Der Mann war einverstanden, und so machten sie sich auf die Reise.

Als sie in der Stadt den Markt besuchten, sah der Mann dort viele sonderbare Dinge, die er noch nie gesehen hatte. Nachdenklich blieb er an den Auslagen stehen und konnte sich nicht satt sehen an all dem Neuen, das es dort gab. Immer wieder musste der Freund ihn auffordern, weiterzugehen und mitzukommen. Während sein Freund seine Einkäufe erledigte, entdeckte der Mann an einem der Stände eine Anzahl kleiner, rechteckiger Schachteln, auf deren Oberseite eine Kanone abgebildet war. Das kam ihm sonderbar vor. Wissen wollte er, was für eine Bewandtnis es mit diesen Schachteln hatte. Er fragte also den Verkäufer:

“Was sind das für Kästchen Sie tragen alle ein so hübsches Bildchen auf ihrem Rücken.”

Der Ladeninhaber antwortete:

“Das sind Schachteln mit Hölzchen zum Feueranzünden. Willst du davon welche haben”

Der Mann nickte. Er erkundigte sich:

“Was kostet denn so eine Schachtel”

Der Kaufmann lächelte und sprach:

“Zwei Satang, zwei Pfennige – wie viele Schachteln willst du denn haben”

Der Mann suchte die Münzen in seiner Hosentasche zusammen und sagte dann:

“Ich kaufe gleich zwei.

Der Händler gab ihm die Schachteln und fügte hinzu:

“Zündhölzer der Marke mit der Kanone sind die besten. Sie lassen sich leicht anreißen, und sie zünden alle ohne Ausnahme.”

Der Mann nahm seine Ware und verstaute sie umständlich in seinem Schulterbeutel. Er freute sich darauf, nach Hause zu kommen und die Kanonenhölzchen auszuprobieren, ob sie wirklich eines wie das andre zünden würden so, wie das Bild auf der Schachtel versprach: Das würde einen Knall geben, einen Donner ohnegleichen!

Er eilte nach Hause, legte seinen Beutel ab, nahm die Zündholzschachteln und eilte damit in den Wald. Seine Kinder sahen ihren Vater in ungewohnter Geschäftigkeit und folgten ihm, denn sie wollten sehen, was er vorhatte. Die Kinder der Nachbarn hefteten sich an ihre Fersen, und bald gab es eine dichtgedrängte Menge von Zuschauern. Der Mann sah sich um und rief.

“Ihr Kinder, kommt mir nicht nahe, bleibt zurück, wo ihr seid, wenn ihr nicht wollt, dass euch das Trommelfell birst!”

Die Kinder, als sie das hörten, blieben stehen und wagten sich nicht mehr näher heran. Was würde nun geschehen

Der Mann wollte eine Stelle finden, wo er seine Kanonen gefahrlos abfeuern könnte, trat vom Waldesrand auf den angrenzenden Acker, warf sich hinter einem der schmalen Grenzwälle zwischen den Feldern nieder, denn er dachte, dieser Erdwall sei gewiss hoch genug, um ihn vor der Explosion der Kanone zu schützen. Die Vorbereitungen waren getroffen. Die Schachteln nahm er nun aus der Hosentasche, wendete dann noch einmal den Kopf und rief den Kindern am Waldrand zu:

“Nun aufgepasst! Tretet jeder hinter einen Baum, denn jetzt werde ich das erste Kanonenzündholz anreißen. Ob es euch trifft oder nicht, Verantwortung dafür übernehme ich keine!”

Die Kinder versteckten sich jedes hinter einem Baum, denn vor dem Donnerknall der Kanonen hatten sie natürlich Angst. Der Mann kniff die Augen zusammen und riss ein Zündholz an. Es gab einen leise zischenden Laut: ...sae... Das war alles. Der Mann hielt den Atem an, denn im nächsten Augenblick würde sich, so dachte er, der rollende Donner lösen, die Erde würde zittern und beben im Bersten der Zündholz-Kanone. Er wartete, wartete mit zugekniffenen Augen und angehaltenem Atem, aber nichts geschah. Da nahm er ein andres Hölzchen – mit noch weniger Gezisch – und ein drittes.

So war es. Er rief mit lauter Stimme:

“Hüh... Ich habe gedacht, die Zündhölzer würden laut sein wie die Kanonen. Aber in Wirklichkeit zischen sie ja nur ein wenig. Das Bild auf den Schachteln soll den Zuschauern vorgaukeln, sie könnten damit den Donner rühren. Die Leute in der Stadt haben mich betrogen!”

Die Kinder warteten noch eine Weile. Als sie sahen, dass nichts geschah, kamen sie aus ihren Verstecken hervor und befragten den Sohn des Mannes:

“Was hat denn dein Vater da draussen gemacht Es sah fast so aus, als ob er mit seinen Kanonen einen Elefanten erlegen wollte!”

“Mein Vater hatte vor, seine neue grosse Kanone abzuschiessen. Warum wir keinen Knall gehört haben, ich weiss es nicht. Vielleicht war die Kugel zu klein.”

Die Kinder traten vorsichtig und mit vor Staunen offenen Mündern heran. Sie dachten:

“Kann denn das wahr sein”


Unsere Dorfgeschichten sind dem hübsch illustrierten Buch „Der Reiche und das Waisenkind“ entnommen, herausgegeben von Christian Velder (Foto). Der deutsche Philologe mit Wohnsitz in Chiang Mai hat über viele Jahre thailändische Volkserzählungen übersetzt und gesammelt. Das Buch mit 120 Geschichten kostet 680 Baht. Velders Buch „Der Richter Hase und seine Gefährten“ enthält reich illustrierte Volkserzählungen. Der kleine und zerbrechliche Hase gilt in Südostasien als ein Tier von Klugheit und List. Das Buch kostet 480 Baht. Beide Bücher sind in Pattaya erhältlich in den Buchläden DK an der Soi Post Office und der Central Road, in den Bookazine-Geschäften in der Royal Garden Plaza und im Central Festival Center/Big C, bei Amigo Tailor an der Soi Diamond, im Restaurant Braustube an der Naklua Road sowie in der FARANG-Geschäftsstelle an der Thepprasit Road.

Sie können das Buch hier bestellen

Überzeugen Sie sich von unserem Online-Abo:
Die Druckausgabe als voll farbiges PDF-Magazin weltweit herunterladen, alle Artikel vollständig lesen, im Archiv stöbern und tagesaktuelle Nachrichten per E-Mail erhalten.
Pflichtfelder

Es sind keine Kommentare zum Artikel vorhanden, bitte schreiben Sie doch den ersten Kommentar.