Die grosse Hungersnot

Die grosse Hungersnot

Wohin sind ihre Väter gegangen?"

Die Bürger entgegneten: "Oh Herr, lediger Weiber Scharen haben sich in der Stadt herumgetrieben und ihren Schoss zur Unzucht geöffnet jenem zugelaufenen Mannsvolk, das sich, vom Lande kommend, obdachlos in der Stadt umhertreibt. Jene Frauen, nur allzu fruchtbar, schenkten Knaben und Mädchen das Leben, die vaterlos aufgewachsen sind und niemanden haben, der sie hätte lehren und ihnen hätte gebieten können."

Der König befahl, alle Frauen, die keine Männer hatten, einzufangen und ihm vorzuführen. Dreihunderttausend Weiber waren es zusammen, und als sie vor ihn geführt wurden, herrschte er sie an: "Wie kommt es, dass ihr keine Männer habt, und habt doch Kinder?"

Die Frauen taten geschwind ihre Münder auf und redeten alle durcheinander, aber sie logen, eine schlimmer als die andre, dem König ins Gesicht. Er fuhr fort zu fragen: "Wer von euch hat als erste ein Kind empfangen?"

Die Frauen antworteten, Hemarangsi sei es gewesen, und der König befahl, sie zu suchen und vor ihn zu führen. Als sie vor ihm stand, fragte er sie: "Mit welchem Manne hast du Gemeinschaft gehabt, dass du ein Kind empfangen konntest in deinem Schosse?"

Hemarangsi entgegnete: "Ich habe meinen Sohn nicht bekommen durch die Berührung mit dem Geschlecht eines Mannes! Nicht einmal meine Hand ist je von eines Mannes Hand ergriffen worden!"

Als jene ledigen Mütter Hemarangsis Worte wiederholten, wurde der König zornig. Er befahl, einen grossen Scheiterhaufen zu richten im Angesicht des Palastes und befahl den Frauen: "Nun, ihr alle, wenn ihr die Wahrheit gesagt habt, so geht hinein in den Feuerbrand und lasst sehen! Denn wer nicht vom Manne berührt worden, läuft keinerlei Gefahr! Wer aber gelogen hat, muss in den Flammen sterben! Diejenigen von euch, die sich vor dem Feuer fürchten und sich weigern, die Probe zu versuchen, werde ich von meinen Hengsten bespringen lassen!"

Hemarangsi hörte des Königs Befehl und betete: "Meinen Sohn habe ich empfangen unbefleckt vom Manne. So möge das Feuer mich verschonen. Gern will ich umkommen in der Brunst, wenn eines Mannes Unreinheit je mich berührt!" So lautete ihr Gebet. Nun kniete sie nieder vor dem König, sprach die ehrenden Abschiedsworte und schritt hinein in die Flammen. Inmitten des Scheiterhaufens setzte sie sich nieder, aber das Feuer sengte auch nicht das geringste Flaumhärchen auf der Haut der Frau. Durch die Macht der Wahrheit verlor die Glut ihre Hitze, und die Flammen erloschen. Da stand die Frau aus der Asche auf, trat auf den König zu, grüsste ihn und kniete nieder. Der König, hocherfreut, liess sie in Ehren heim geleiten.

Als die Buhlweiber das sahen, verhärtete sich ihnen das Herz. Sie wiederholten das Gebet der Hemarangsi und schritten eine nach der anderen auf das frisch geschürte Feuer zu. Doch als sie sich den Flammen näherten, fühlten sie die Hitze der Glut, und nicht einer von ihnen gelang es, den Scheiterhaufen zu besteigen. Kleinlaut hockten sie sich nieder. Der König sah es und befahl, die Frauen zu ergreifen. Bretter wurden gebracht, und sie mussten sich flach darauf ausstrecken. Dann wurden sie auf die Bretter gefesselt, und nun öffnete sich der Marstall, und die zweiunddreissig Hengste des Gestüts galoppierten hervor und stürzten sich auf zweiunddreissig von den Frauen, um sie zu begatten. Nicht lange, da waren die zweiunddreissig tot.

Kunchon Kuman hörte von dem Verhängnis und dachte: "Jene Frauen sind nach des Könige Ratschluss gestorben. Dem Menschen folgt seine Sünde in die Zukunft, wie der Schatten des Körpers. Es ist meine Pflicht, vor den König zu treten und ihn für jene Frauen um Verzeihung zu bitten." So dachte der Elefantenprinz, nahm tausend Goldbarren, warf sich vor dem König zu Boden, überreichte ihm das Gold und sprach: "Diese tausend Barren Goldes gebe ich dir und bitte dich um Gnade: schenke den Frauen das Leben, denn allzu hart traf sie dein Richtspruch."

König Phanthumawadi hörte Kunchon Kuman gnädig an, nahm freudig das Gold und befahl, jene Frauen freizulassen. Jeder von ihnen gab er eine Kleinigkeit von seinem Schatz und entliess sie mit den Worten: "Übt Barmherzigkeit, folgt den Geboten, sammelt Verdienste, handelt den acht Vorschriften gemäss und vor allem, achtet und ehret die Geister, von nun an auf immer."

König Phanthumawadi fuhr fort, den zehn Königsgesetzen gemäss zu herrschen. Nicht eines liess er aus. Er sorgte für die Wohlfahrt seiner Untertanen. Seine vierfache Freigebigkeit machte ihn berühmt. Almosen gab er den Einsiedlern und den Weisen. Verdienstvolle Werke verrichtete er vor den Geistern. Da fiel der Himmelsregen nieder, wie die Jahreszeit es verlangte, es wurde wieder leicht, den Lebensunterhalt zu finden. Die Not hatte ein Ende, und die drei Grossen Geister, die Schutzherren der Stadt, kamen zurück. Sie zogen ein in ihre angestammten Behausungen und halfen einander, über der Stadt Djampak zu wachen. Glück und Zufriedenheit kehrten abermals ein in ihre Stadt.

Hier endet das Kapitel von der grossen Hungersnot.

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