Die Deutschland-Illusion...

Die Deutschland-Illusion...

...lautet der Name des neuen Buches von Marcel Fratscher. Mit spitzer Feder arbeitet der Autor heraus, wie sehr die Bundesrepublik inzwischen von der Substanz lebt. Unzureichende Inves­titionen in Verkehrsinfrastruktur und Datenleitungen sind genauso Gegenstand der qualifizierten Analyse wie beinahe völlig fehlende Investitionen in neue indus­trielle Anlagen. Das Besondere dabei: Der Autor ist nicht irgend jemand, denn seit einiger Zeit leitet Fratscher das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung in Berlin (DIW).

Unabhängig davon, welche Schlüsse man daraus zieht, bzw. welche Maßnahmen einzuleiten sind, ist es mehr als erfreulich, dass der Mainstream das Thema endlich zur Kenntnis nimmt. Es geht um nichts weniger als den Wohlstand zukünftiger Generationen in Deutschland und Umgebung. Von „Scheinriesen“ und „Bröck­elstaat“ ist beispielsweise im SPIEGEL neuerdings zu lesen. Schön, dass zumindest in der Analyse ein allgemeiner Konsens näher rückt. Es kann ja auch wirklich nicht sein, dass Deutschland unter dem Durchschnitt aller OECD-Länder in Bildung inves­tiert, aber nach Bekunden der Regierenden voll auf Bildung setzt. Das passt einfach nicht zusammen. In diesem und in vielen anderen Punkten – wie beispielsweise der zumindest bisher völlig in den Sand gesetzten Energiewende - lässt sich schnell Einigkeit erzielen. Schwieriger wird es, wenn man zu den Schlussfolgerungen des Autors kommt.

Es fehlen Macher mit Visionen

Fratscher sieht die Lösung in der Nutzung privaten Kapitals. In anderen Worten: Das Geld der Bürger wird über Agenturen in Infrastrukturprojekte geleitet, kontrolliert wird das Ganze vom Staat. An dieser Stelle kommen einem bereits erhebliche Zweifel. Man denkt unweigerlich sofort an den neuen Berliner Flughafen. Der Staat stellt hier seit Jahren eindrucksvoll unter Beweis, dass er eben nicht der bessere Unternehmer ist oder auch nur zufriedenstellend in der Lage wäre, derartige Projekte zu kontrollieren. Macht es wirklich Sinn, darüber nachzudenken, die Pleiten-, Pech- und Pannenveranstaltungen der letzten Jahre mit dem Vermögen der Bürger noch zu vervielfachen? Ist es denn wirklich so, dass der Staat für zusätzliche Inves­titionen keinen Spielraum hat? Wohl kaum. Die momentane Realität dürfte wohl eher durch zweifelhaft gesetzte Prioritäten und andere Formen des Missmanagements in Politik und Wirtschaft zu erklären sein. Es fehlen Macher mit Visionen, die einen Plan und klare Ziele haben. Die aktuelle Regierung Deutschlands – wie auch die letzte – verwaltet das Land zwar ordentlich, hat aber nicht wirklich einen Plan, was zu tun ist, den bisherigen Wohlstand auch für kommende Generationen zu erhalten. Deutschland tut sich nach wie vor schwer, seiner Verantwortung Europa gegenüber und auch sich selbst gegenüber gerecht zu werden.

So einfach es zu verstehen ist, welche Anziehungskraft private Vermögen auf Politiker und Funktionäre haben, bei näherer Betrachtung wird einem schnell klar, dass derartige Pläne es nur erlauben, die verfehlten Politik­ansätze der letzten Jahre, für die in absehbarer Zeit keine öffentlichen Mittel mehr zur Verfügung stehen werden, nun mit privatem Geld fortzusetzen. Dies kauft den Verantwortlichen zwar wieder eine Reihe von Jahren, ändert aber höchstwahrschein nichts an unerfreulichen Ergebnissen und Meldungen, an die wir uns in den letzten Jahren schon fast gewöhnt haben. Solange niemand bereit ist, wirklich hinzuschauen, weshalb viele Großprojekte in den letzten Jahren mit stetig steigender Häufigkeit so grandios scheitern, so lange werden auch kommende Projekte unter einem schlechten Stern stehen. Wenn zentrale Erfolgsvoraussetzungen fehlen, ist es am Ende nämlich egal, ob ein Projekt privat oder öffentlich finanziert wird.

Insgesamt kann man nur hoffen, dass in den nächsten Jahren die Einsicht wächst, dass kein Weg daran vorbei führt, Systeme oder Staaten, die ihre Aufgaben nicht oder nicht mehr hinreichend erfüllen, von innen und mit Plan in Ordnung zu bringen. Gutes Geld dem schlechten hinterherzuwerfen ist nicht nur nicht besonders intelligent, sondern ändert bedauerlicherweise auch nichts am Endergebnis. Die Enttäuschung kommt lediglich später und muss umso teurer bezahlt werden. (Foto: Orlando Bellini / Fotolia.com)

Über den Autor

Christian Rasp ist Rechtsanwalt und seit 1992 in Thailand, Hong Kong und China tätig. Er leitet ein spezialisiertes Consulting-Haus, lebt und arbeitet in Hua Hin, Bangkok und Hong Kong. Die Kolumne Nachgefragt“ beschäftigt sich vorwiegend mit aktuellen ökonomischen Fragestellungen, die es verdienen, etwas genauer unter die Lupe genommen zu werden.

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