«Berliner Morgenpost» zu Erdogan hat Wahldebakel selbst zu verantworten
Zum ersten Mal seit mehr als zwei Jahrzehnten an der Staatsspitze erlitt Recep Tayyip Erdogan an den Wahlurnen eine klare Niederlage.
Seine islamisch-konservative AKP landete bei den Kommunalwahlen nur auf dem zweiten Platz. Erdogan kann das Debakel nicht auf schwache Kandidaten oder unfähige Parteistrategen schieben. Dazu hat er sich selbst viel zu stark in den Wahlkampf eingebracht. Allein in Istanbul, seiner Heimatstadt, trat er sechs Mal auf. Hätte die AKP dort gewonnen, es wäre Erdogans Sieg gewesen. Jetzt ist es seine Niederlage. Die Gründe liegen nicht nur in der Wirtschaftskrise, die Erdogan mit seiner jahrelangen Politik des billigen Geldes selbst herbeigeführt hat. Immer mehr junge Menschen in den Städten lehnen sich auf gegen die Gängelung und die schleichende Islamisierung von Staat und Gesellschaft. Jetzt vom Ende Erdogans zu sprechen, wäre dennoch verfrüht. Er ist schon oft politisch totgesagt worden, hat aber bisher alle Rückschläge weggesteckt.
«Handelsblatt» zur Kommunalwahl in der Türkei
Die wichtigste Lehre vom Wahlsonntag in der Türkei lautet daher: Erdogan ist besiegbar.
Und das wird Folgen haben - für Erdogan selbst, aber auch für die Opposition, das Land und die gesamte Region. Erdogan konnte in der Vergangenheit häufig damit überzeugen, dass nur er Aufschwung bringe, dass nur er politische Krisen lösen könne - und dass er alle vorigen Wahlen gewonnen hatte. Das gilt jetzt nicht mehr. Sein Zenit ist überschritten. Erdogan konnte die hohe Inflation nicht senken, trotz stark erhöhter Leitzinsen. Er konnte im Nahostkonflikt, bei dem ein Großteil der Bevölkerung auf der Seite Palästinas steht, seinen Einfluss nicht geltend machen. Und trotz seiner Macht konnte er die Opposition nicht kleinhalten.
«Frankfurter Allgemeine Zeitung» zu Erdogans Niederlage
Es ist seine bisher größte Niederlage.
Zum ersten Mal seit dem Aufstieg von Recep Tayyip Erdogan vor zwanzig Jahren ist seine Partei bei Wahlen nicht mehr stärkste Kraft. Die Kandidaten, die der türkische Präsident hat aufstellen lassen, waren so blass, dass er nicht einmal versuchte, ihnen die Verantwortung für das schwache Abschneiden bei der Kommunalwahl zuzuschieben. Nach so vielen Jahren unter seiner Führung ist die Partei personell ausgezehrt. (.) An den Machtverhältnissen im Land ändert sich vorerst nicht viel. In der zentralistischen Türkei haben die Bürgermeister wenig Gestaltungsspielraum. Was sich ändert, ist die Stimmung. Und das ist dann doch viel. Zum ersten Mal seit Langem erscheint eine andere Türkei möglich. Ein Land, das nicht mehr scheinbar unaufhaltsam in Richtung Autokratie schlittert. (.).
«La Vanguardia»: Der Krieg ist nicht unvermeidlich
MADRID: Zum 75. Jahrestag der Gründung der Nato (am 4. April) und zu dem Krieg in der Ukraine schreibt die spanische Zeitung «La Vanguardia» am Montag:
«Die Nato wird 75 und die Kriegstrommeln schlagen. Schweden ist gerade dem Bündnis beigetreten, und die europäischen Machthaber bereiten die Bevölkerungen darauf vor, mehr Geld für Waffen auszugeben (...) Die Argumente für die Aufrüstung klingen logisch. Angesichts des ungezügelten imperialistischen Eifers von (Wladimir) Putin und der Abhängigkeit von den derzeit unberechenbaren Vereinigten Staaten kommt Europa zu dem Schluss, dass es seine Sicherheit stärken muss. (...)
Der Nato-Vormarsch nach Osten hat bei den Russen ein Gefühl der Bedrohung gefördert, das von der Propaganda des Regimes geschickt geschürt wurde (...) Als die Invasion der Ukraine begann, wurde in Europa versichert, dass die Sanktionen Putin auch intern isolieren würden. Diese Behauptungen haben sich bereits als falsch erwiesen. (...) Der Krieg kann nur mit einem Abkommen beendet werden. Das Einzige, was man tun kann, ist, dafür zu sorgen, dass es zu den bestmöglichen Bedingungen für die Ukraine passiert. Und dass ein solches Abkommen Europa erlaubt, seine Beziehungen zu Russland zu verbessern, anstatt an den Dritten Weltkrieg zu denken. (...) Der Krieg ist nicht unvermeidlich.»