Zeitungen kommentieren das Weltgeschehen am Sonntag

Foto: Adobe Stock/©elis Lasop
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«Süddeutsche Zeitung» zur Corona-Krise

Auch wenn Bayern und Sachsen strengere Regeln für Ungeimpfte in Hotspots verordnet haben: Es wird nicht reichen, Bars, Diskotheken und Weihnachtsmärkte zuzumachen.

Verweigern weiterhin so viele Menschen die Immunisierung, wird auch Deutschland nicht um eine Impfpflicht herumkommen. Die Politik wird keine andere Wahl haben, denn sie hat zu viel Zeit verloren. Je länger nun weiter gewartet wird, desto drastischer müssen die Maßnahmen ausfallen.


«The Sunday Times»: Chinas Probleme nehmen zu

LONDON: Die Londoner «Sunday Times» kommentiert die Machtfülle des chinesischen Präsidenten Xi Jinping:

«Obwohl er nicht zum UN-Klimagipfel nach Glasgow kam und auch sonst seit dem Ausbruch von Corona in China kaum Reisen unternommen hat, ist die schattenhafte Anwesenheit von Xi Jinping nur allzu spürbar. (...) Dennoch läuft nicht alles so, wie er es gern hätte. Es gab einen Aufschrei der Empörung wegen des Verschwindens der chinesischen Tennisspielerin Peng Shuai, nachdem sie einem früheren Vizepräsidenten sexuelle Übergriffe vorgeworfen hatte. Internationale Tennisturniere in China könnten abgesagt werden und es zeichnet sich ein diplomatischer Boykott der Olympischen Winterspiele in Peking ab. Die Verletzung von Menschenrechten der Minderheit der Uiguren führt weltweit zu großer Beunruhigung.

In den Beziehungen zwischen Amerika und China gibt es trotz des Videogipfels von Joe Biden und Xi in der vergangenen Woche kein Tauwetter. Derweil ist Chinas Wirtschaft unter Druck geraten, wobei einige Beobachter sagen, die Probleme des Baukonzerns Evergrande seien nur die Spitze eines kreditgetriebenen Eisbergs. Es bricht nicht gleich alles zusammen, aber die Probleme nehmen zu. Angesichts dessen ist die Position von Chinas Präsidenten auf Lebenszeit, ja seines Diktators, nicht so sicher, wie es erscheinen mag.»


«NZZ am Sonntag»: Erdogan treibt die Preisspirale an

ZÜRICH: Die «Neue Zürcher Zeitung am Sonntag» kommentiert die erneute Zinssenkung in der Türkei:

«Präsident Recep Tayyip Erdogan, der auch die türkische Notenbank kontrolliert, glaubt nicht an das Einmaleins der Ökonomie. Er beharrt darauf, dass eine galoppierende Inflation mit Zinssenkungen unter Kontrolle gebracht werden kann. Gerade hat er eine weitere Zinsreduktion durchgesetzt. Jede Investorin und jeder Investor weiß, dass genau das Gegenteil wahr ist: Eine Preisspirale kann nur mit Zinserhöhungen gestoppt werden. Darum ziehen Anleger ihr Geld ab. Auch die Türken selbst flüchten in ausländische Devisen, Gold oder Bitcoin. Die Lira hat dieses Jahr bereits mehr als 30 Prozent ihres Werts eingebüßt. Dieser Währungszerfall macht Importe etwa von Öl und Gas noch teurer, die Krise wird sich darum weiter akzentuieren. Erdogan will die Türkei zu alter Größe führen. Dabei ist er so glaubwürdig wie ein Staatsmann, der Raumfahrt-Ambitionen hegt und gleichzeitig meint, die Welt sei eine Scheibe.»


«El País»: Flüchtlinge als Kriegsgerät

MADRID: Die spanische Zeitung «El País» kommentiert am Sonntag die Flüchtlingskrise an der belarussisch-polnischen Grenze:

«Die Aggression Weißrusslands gegen Polen hat dazu geführt, dass Polen seine Verbindung mit Europa auf brutale Weise wiederentdeckt, das dem Land hilft, weil seine Grenze auch unsere ist. Europa ist eben vor allem eine geografische Einheit. Die Globalisierung verwandelt den Schutz der Grenzen zu einer Art psychischer Abwehr, die sich aus unserer Angst vor der Auflösung nationaler Identitäten speist. Aber es gibt undemokratische Kräfte, die Polen und Ungarn immer weiter von der EU entfernen. Polen weigert sich, Frontex-Hilfe in dieser humanitären Krise anzunehmen. Und der EuGH hat gerade die Orbán-Regierung wegen der Verfolgung von NGOs verurteilt, die Flüchtlingen helfen.

Die Grenze wird zu einer bloßen Verteidigungsmaschinerie, die um jeden Preis geschützt werden muss und sogar Menschenleben zu einer Bedrohung für die Integrität des Territoriums erklärt. Was unterscheidet uns von jenem Belarus, das die Leichen von Flüchtlingen als Kriegsinstrumente benutzt? Mit dieser um sich greifenden Logik der Entmenschlichung sterben Demokratien.»

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