Zeitungen kommentieren das Weltgeschehen am Samstag

Foto: Adobe Stock/©elis Lasop
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«La Repubblica»: Steuerreform kann Bidens Präsidentschaft prägen

ROM: Zur Unterstützung einer globalen Steuerreform mit Mindeststeuer und Änderungen für die Digitalkonzern-Riesen durch die Regierung von US-Präsident Joe Biden schreibt die italienische Zeitung «La Repubblica» aus Rom am Samstag:

«Joe Bidens überraschendes Vorgehen bei der globalen Unternehmensbesteuerung ist ein indirekter Angriff auf Apple, Facebook, Google und andere große US-Technologiefirmen, aber auch ein gewagtes politisches Ziel, das seine Präsidentschaft im Guten wie im Schlechten prägen könnte. (...) Das Ziel ist klar: dem «Wettlauf nach unten» bei den Steuern ein Ende zu setzen, der zur Ausbreitung von Steueroasen geführt hat. Das Schöne an dem Vorschlag ist - wie bei allen großen politischen Kompromissen -, dass jeder ein wenig gewinnt oder zumindest jeder, der wichtig ist. Für die Europäer bietet er die Möglichkeit, den verhassten Technologiegiganten Steuern zu berechnen, eine Gelegenheit, die sowohl aus steuerlicher als auch aus wahlpolitischer Sicht nicht verpasst werden darf. Und der Mindestsatz sollte keine Komplikationen für die EU verursachen, da fast alle bedeutenden Mitglieder (einschließlich Italien) bereits bei oder über 21 Prozent liegen.»


«El País»: Aus für Eliteschule ENA gut für Frankreich

MADRID: Die spanische Zeitung «El País» kommentiert am Samstag die Entscheidung des französischen Präsidenten Emmanuel Macron, die Elite-Hochschule ENA abzuschaffen:

«Die Tage der École Nationale d'Administration (ENA), der Kaderschmiede der herrschenden Klasse Frankreichs, sind gezählt. Macron hat angekündigt, sie durch ein Institut für den Öffentlichen Dienst zu ersetzen. Die Schule war zum Symbol einer arroganten Technokratie geworden, die sich von der Gesellschaft entfernt hat.

Und doch ist das heutige Frankreich ohne die 1945 von de Gaulle gegründete ENA nicht zu verstehen. Sie bildete jene aus, die den Wiederaufbau nach dem Zweiten Weltkrieg leiten sollten. Das Auswahlsystem schuf jedoch bald das, was der Soziologe Pierre Bourdieu einen «Staatsadel» nannte. In einem Land, das Dynamik braucht und Angst vor dem Niedergang hat, mangelt es dieser republikanischen Aristokratie an Fantasie für neue Lösungen.

Dieses Land hat viele Talente, die wegen wirtschaftlicher, territorialer oder rassistischer Diskriminierung immer noch von der Macht ausgeschlossen sind. Wenn das neue Institut für den Öffentlichen Dienst dazu beiträgt, diese Barrieren abzubauen, wird Frankreich gewinnen.


«Guardian»: Philip hat das moderne Haus Windsor mitgeprägt

LONDON: Zum Tod von Prinz Philip meint die britische Tageszeitung «The Guardian» am Samstag:

«Die unbestreitbare zentrale Tatsache seines Lebens bestand darin, dass die Königin auf ihn angewiesen war. Die Ehe mit ihm war von grundlegender Bedeutung für ihre Regentschaft, auch wenn ihre Familie viele Unglücksmomente erlebte - und heute noch erlebt. Beider Ethos im Dienst der Öffentlichkeit war nicht durch eine historische oder gesetzliche Vorgabe für ihr Verhalten begründet. Es beruhte pragmatisch auf einem kollektiven Instinkt der Selbsterhaltung und einem prinzipiellen Sinn für Anstand.

Die Tatsache, dass die Königin seit mehr als 69 Jahren regiert und Philip fast immer an ihrer Seite war, bedeutet, dass er zum Erfolg des modernen Hauses Windsor beigetragen hat, aber auch mitschuldig an dessen Traumata war. Sein Tod läutet das Ende einer bemerkenswerten Periode in der Geschichte der Monarchie ein.»


«The Telegraph»: Philip war mehr als nur ein Gehilfe der Queen

LONDON: Zum Tod von Prinz Philip meint die britische Tageszeitung «The Telegraph» am Samstag:

«Es liegt in der Natur der Rolle eines Königlichen Gemahls, immer eine Stütze für die Königin zu sein. Manchmal scherzte Philip mit der für ihn typischen Selbstironie, dass er der erfahrenste Plakettenenthüller der Welt sei. Sicherlich ist sein Name auf Tausenden Gedenktafeln im ganzen Land eingraviert und stellt ein einzigartiges Vermächtnis dar, das von allen geschätzt wird, die im Laufe der Jahre an den verschiedenen Zeremonien teilgenommen haben.

Allerdings war er nie bloß ein Gehilfe der Königin. Der Herzog war jemand, der durch seine Unterstützung für die Krone selbst einen bleibenden Beitrag zur Institution der Monarchie und zur Nation leistete.»


«NZZ»: Einwanderungspolitik ohne Härte geht nicht

ZÜRICH: Die «Neue Zürcher Zeitung» kommentiert am Samstag die Einwanderungspolitik der neuen US-Regierung unter Joe Biden:

«Die harte Wahrheit der Einwanderungspolitik ist, dass es ohne Abschreckung nicht geht. Die Differenz der Lebensverhältnisse zwischen Honduras und Kalifornien ist dermaßen groß, dass es für Millionen von Menschen völlig rational ist, den beschwerlichen Weg in die USA auf sich zu nehmen. Wollen die Demokraten wenigstens den Anschein entschlossenen Handelns erwecken, müssen sie sich ohne Vorbehalte zum Grenzschutz bekennen. Nötig ist auch eine viel raschere Abwicklung der Asylverfahren. Ringt sich die Administration Biden nicht dazu durch, werden die Probleme an der Grenze weiter zunehmen. Die Republikaner werden den Demokraten Unwillen, Unfähigkeit und Verrat vorwerfen, und die Sehnsucht nach einer Rückkehr Trumps wird in wichtigen Wählerschichten wachsen.»


«Nepszava»: Brexit-Funke sprang aufs Pulverfass Nordirland über

BUDAPEST: Zu den Unruhen in Nordirland schreibt die Budapester Tageszeitung «Nepszava» am Samstag:

«Für die Wut in Nordirland gibt es genügend Gründe, einer davon ist der Brexit. Man konnte im Vorhinein wissen, dass er im Falle der Iren keine Lösung ermöglicht, die jeden zufriedenstellen würde. Entweder trennen neue Grenzen Nordirland von der Republik Irland, oder die Unionisten empfinden sich als Verlierer, weil schon wieder die Katholiken besser fahren, die auch ohne EU Teil des europäischen Marktes geblieben sind. Doch der Brexit kam nicht von selbst wie das Coronavirus. Obwohl letzteres auch zur Frustration und der daraus resultierenden sinnlosen Gewalt beiträgt, ist der Brexit ein reines Produkt der Politik. Er diente dazu, die aus anderen Gründen entstandenen Ängste und toxischen Gefühle der Bevölkerung auf äußere Ziele umzulenken. Der Funken, der sich am Zusammenprall zwischen London und Brüssel entzündete, sprang in Nordirland auf ein Pulverfass über. (...) Die Politiker täten besser daran, vorsichtiger zu zündeln.»


«Die Presse»: Der Machtübergang in der Union ist ein Fiasko

WIEN: Über die Kanzlerfrage in der Union schreibt die liberal-konservative Zeitung «Die Presse» am Samstag in Wien:

«Der Bundeskanzlerin wird ja gern nachgesagt, sie denke alles vom Ende her, doch über ihr eigenes politisches Ende hinaus hat Merkel offenbar nicht besonders scharf nachgedacht. Das Management des Machtübergangs ist bisher jedenfalls ein Fiasko. (...) Die Grünen schauen sich den Ringkampf der Union erste Reihe fußfrei an. Laschet ist bereits sturmreif geschossen. Und ob die Deutschen wirklich gern Söder als Kanzler wollen, müsste sich erst weisen. Es ist nicht mehr ausgeschlossen, dass Deutschland demnächst von einer Ampel regiert wird, allerdings mit neuer Farbreihenfolge: Grün-Rot-Gelb.»

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