Zeitungen kommentieren das Weltgeschehen am Freitag

Foto: Adobe Stock/©elis Lasop
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«Frankfurter Rundschau» zu den verschärften Corona-Einschränkungen

SO ÄRGERLICH ES IST: Der Lockdown lässt sich nicht mehr verhindern.

Österreich hat ihn verhängt, Bayern erlässt drastische Einschränkungen, andere werden folgen. Denn die Dynamik der rasant wachsenden Zahlen von Covid-19-Patienten lässt sich nur stoppen, wenn Kontakte unterbrochen werden, damit Menschen sich nicht anstecken. Es hilft wenig, rechthaberisch mit dem Finger auf andere zu zeigen. Nicht nur, weil dann drei auf einen selbst deuten. Eine Fehlersuche ist eben weniger zielführend, als angemessen zu handeln. Die Instrumente sind bekannt. 2G-Regel beziehungsweise 2G-plus-Regel abhängig von der Hospitalisierungsrate, mehr Kontrollen, schnelleres Boostern etwa. Zu all dem wird man Ungerechtigkeiten aushalten müssen, wenn etwa in belasteten Regionen auch Geimpfte von Einschränkungen betroffen sein werden. Man wird alles tun müssen, was nötig ist, damit die Pandemie kontrolliert werden kann. Dann gelingt es womöglich, die vierte Welle zu brechen und die fünfte zu verhindern.


«Münchner Merkur» zu Bayern/Lockdown

Der Freistaat zieht die Notbremse.

Zusperren geht immer. Das, aber leider auch nur das, hat die Politik aus zwei Jahren Erfahrung mit dem Virus gelernt. So kann es nicht weitergehen, sonst wird diese Pandemie, da hat Bayerns Gesundheitsminister Holetschek Recht, niemals enden. Der Ankündigung des Lockdowns auch für Geimpfte muss unverzüglich das Bekenntnis der Regierung Söder folgen, nun mit ganzer Kraft für die Einführung der Impfpflicht für alle zu kämpfen. Auch die in Berlin bald mitregierende FDP sollte Egoismus nicht mit Freiheit verwechseln. Wir dürfen nicht länger hinnehmen, dass eine kleine Gruppe von Impfverweigerern die ganze Bevölkerung in Geiselhaft nimmt und das Lebensglück und die Existenz Hunderttausender zerstört.


«Dziennik»: Das Aussperren der Medien an der Grenze ist ein Eigentor

WARSCHAU: Das Agieren von Polens Regierung in der Krise um die Migranten an der Grenze zu Belarus kommentiert die polnische Wirtschaftszeitung «Dziennik Gazeta Prawna» am Freitag:

(Die nationalkonservative Regierungspartei) «PiS hat die Grenze blockiert, dafür hatte sie die Untersützung der EU und der Länder in der Region. Aber man sieht, dass sie Schwierigkeiten sowohl bei der internationalen Kommunikation als auf bei der nach innen hat. Die Entscheidung, keine Journalisten in die vom Ausnahmezustand betroffenen Grenzregion zu lassen, ist bequem für den Grenzschutz und die Armee.

Auf lange Sicht ist sie aber ein Eigentor, weil die internationalen Medien nun über die Krise an der Grenze ausschließlich von der belarussischen Seite aus berichten. Hier rächt sich die Einstellung der PiS, nur mit solchen Medien Kontakt zu haben, die sie als ihr wohlgesonnen einstuft. Es rächt sich auch das völlige Unverständnis von Polens Innenminister Mariusz Kaminski dafür, wie Medien funktionieren und welche Bedürfnisse sie haben.»


«Rzeczpospolita»: Polens Selbstisolation auf eigenen Wunsch

WARSCHAU: Zum Verhalten der polnischen Regierung in der Krise um die Migranten an der Grenze zu Belarus schreibt die polnische Zeitung «Rzeczpospolita» am Freitag:

«Einer der wichtigsten Vorwürfe der (nationalkonservativen Regierungspartei) PiS an die Außenpolitik (der Vorgängerregierung) war seinerzeit die Abwesenheit Polens bei den Treffen Frankreichs, Deutschlands, Russlands und der Ukraine zum Donbass-Konflikt. Heute betrifft die von Alexander Lukaschenko ausgelöste Migrationskrise Polen unmittelbar, aber Polen sitzt wieder nicht mit am Tisch. Die alleinige Verantwortung dafür trägt die PiS, die seit mehreren Jahren die Außenpolitik macht. In der Frage der langfristigen Lösung des Konflikts haben wir nicht viel zu sagen.

Zu Recht wird Angela Merkel von Polen und den baltischen Ländern dafür kritisiert, dass sie über unsere Köpfe hinweg Vereinbarungen mit Lukaschenko trifft. Aber Fakt ist, dass dies einen gewissen Effekt bringt - am Donnerstag wurde die erste Migrantengruppe aus Minsk zurück in den Irak geschickt. Gleichzeitig führen auch Frankreich und die USA Gespräche mit Moskau. Ständig zu wiederholen, dass man mit Lukaschenko nicht reden darf, mag moralisch berechtigt sein, aber es zeugt von Polens Ratlosigkeit.»


«Hospodarske noviny»: Politik unvorbereitet auf vierte Corona-Welle

PRAG: Zu den steigenden Corona-Infektionszahlen in Tschechien schreibt die liberale Wirtschaftszeitung «Hospodarske noviny» aus Prag am Freitag:

«Die scheidende tschechische Regierung unter Ministerpräsident Andrej Babis hat einmal mehr bewiesen, dass sie auf den Kampf gegen die Pandemie selbst nach mehr als anderthalb Jahren immer noch absolut unvorbereitet ist. Alles was schiefgehen kann, geht auch schief - von Gesundheitsämtern, die mit der Kontaktnachverfolgung überlastet sind, bis hin zu fehlenden Testkapazitäten. Nun hat die Regierung ihre Vorliebe für das bayerische Modell der 2G-Regel entdeckt. Damit übernimmt sie ausgerechnet das Rezept eines deutschen Bundeslandes, das uns vor allem darin ähnlich ist, dass es ebenfalls mit einer schweren vierten Corona-Welle kämpfen muss. (...) Man muss kein Impfgegner sein, um zu erkennen, dass die merkwürdigen Entscheidungen der Politiker nur noch selten Sinn ergeben.»


«La Vanguardia»: Lukaschenkos Pläne sind nach hinten losgegangen

MADRID: Zur Migrationskrise an der Grenze zu Belarus schreibt die spanische Zeitung «La Vanguardia» am Freitag:

Der belarussische Machthaber Alexander «Lukaschenko hat versucht, Migranten aus dem Nahen Osten als Waffe einzusetzen, um die EU wegen der Sanktionen gegen sein Regime unter Druck zu setzen. Er erteilte ihnen Visa und gewährte ihnen Erleichterungen, damit sie die Grenze zu Polen, Lettland oder Litauen erreichen. Er drohte dann damit, die Gaslieferungen nach Europa zu unterbrechen, wenn die Union die Migranten nicht reinlässt, und ließ so Tausende Menschen unter harten Wetterbedingungen leiden. Aber nichts hat die Entschlossenheit Europas untergraben, die Erpressung zurückzuweisen. Lukaschenkos Pläne sind nach hinten losgegangen. (...)

Der Diktator hatte nicht mit der Entschlossenheit der drei betroffenen Länder - insbesondere Polens - gerechnet, die zudem von Brüssel unterstützt wurden. Er hat nun ein ernstes Problem in seinem eigenen Land. Denn viele Migranten haben beschlossen, in Minsk zu bleiben, um es auf eigene Faust in die EU zu schaffen. Obwohl diese Menschen die wahren Verlierer dieser Krise sind, weil sie in ihren Ländern von den Mafias der Menschenhändler betrogen wurden, Tausende Euro bezahlt haben und nun große Not leiden und in ihre Herkunftsländer zurückgeschickt werden könnten, ist Lukaschenko der große politische Verlierer.»


«De Standaard»: EU muss Flüchtlingen Nothilfe gewähren

BRÜSSEL: Zur Lage der Migranten an der Grenze zwischen Belarus und Polen meint die belgische Zeitung «De Standaard» am Freitag:

«An der Grenze zwischen Belarus und Polen halten sich noch etwa 2000 Menschen auf, die es - wenn die Wettervorhersagen zutreffen - in der kommenden Woche mit Schneeschauern und Frost zu tun bekommen. 2000 Menschen: Das ist zwar eine recht große Gruppe, aber als eine unkontrollierbare Flüchtlingskrise kann man das nicht bezeichnen. Nachdem Europa nun eine Ausweitung des Problems verhindern konnte, täte Polen gut daran, diesen Menschen zumindest lebensrettende Nothilfe und dringende medizinische Versorgung zu gewähren.

Dieses perverse Machtspiel hat bereits elf Menschen das Leben gekostet, unter ihnen ein einjähriges Baby. Sollten Polen und die anderen EU-Staaten in den kommenden Tagen nichts unternehmen, um weitere Todesopfer zu vermeiden, würde das unsere europäischen Werte der Mitmenschlichkeit verletzen und damit würde Lukaschenko dieses Kräftemessen am Ende doch noch gewinnen.»


«De Telegraaf»: Regierung muss Corona-Politik besser erklären

AMSTERDAM: Die niederländische Zeitung «De Telegraaf» fordert am Freitag, behördliche Maßnahmen zur Corona-Bekämpfung stärker und besser verständlich zu kommunizieren:

«Die explosionsartige Zunahme von Coronainfektionen setzt das Gesundheitswesen unter erheblichen Druck. Die Krankenhäuser melden, dass der Zustrom von Corona-Patienten so groß wird, dass die reguläre Versorgung leidet. Um noch größere Probleme im Gesundheitswesen zu vermeiden, ist es notwendig, dass sich jeder Einwohner unseres Landes an die Regeln hält. (...)

Das hört sich einfach an, aber diese Regeln werden auf den Regierungskanälen nur sehr schlecht erklärt. Schlimmer noch: Zwar wurden einige Quarantänevorschriften genannt, aber eine nähere Erklärung durch die Politik lässt auf sich warten. Dies führt zu Verwirrung, so dass essenzielle Verhaltensregeln nicht eingehalten werden. Dies ist unverantwortlich, da es den Kampf gegen das Coronavirus behindert. Schließlich kann sich eine Gesellschaft nur an Regeln halten, wenn diese klar und konkret sind.»


«Dagens Nyheter»: Nord Stream 2 ist es wert unterzugehen

STOCKHOLM: Die liberale schwedische Tageszeitung «Dagens Nyheter» (Stockholm) kommentiert am Freitag die Probleme mit der Gasfernleitung Nord Stream 2:

«Die Gaspipelines sind Putins Projekt, das neben dem Cashflow das Potenzial hat, die Europäer zu spalten und nebenbei der Ukraine Transiteinnahmen zu entziehen. Als Deutschland den Atomausstieg beschloss, waren Politik und Wirtschaft von der Unbedenklichkeit des russischen Gases restlos überzeugt. Und jetzt steckt Europa fest. Bis zu 40 Prozent des Erdgases werden derzeit von Russland geliefert und die durch andere Importe zu ersetzen, ist kompliziert und teuer. Währenddessen rasselt Putin an der ukrainischen Grenze mit den Waffen. [.] Nord Stream, sowohl die erste als auch die zweite, sind es wert, unterzugehen.»


«Le Parisien»: Impfung und Vertrauen in die Politik hängen zusammen

PARIS: Zur Impfquote in östlichen Ländern schreibt die französische Tageszeitung «Le Parisien» am Freitag:

«Sich nicht impfen zu lassen, ist nicht nur auf eine persönliche Entscheidung zurückzuführen. Es spiegelt auch das Misstrauen der Bevölkerung gegen die politische Autorität wider. Man sieht es dieser Tage, die fünfte Welle bricht über Osteuropa herein, gerade über die Länder, in denen die Durchimpfungsquote gering ist. 36 Prozent in Russland, 24 Prozent in Bulgarien, 30 Prozent in Rumänien. Ihre Gemeinsamkeit? Sie sind alle Länder des ehemaligen Ostblocks. Aus dieser Zeit bleibt ein tief in der Bevölkerung verankertes Misstrauen gegen politische Amtsträger, die immer unter Verdacht stehen, zu lügen oder korrupt zu sein.»


«NZZ»: EZB muss zurück zur ausgewogenen Geldpolitik

ZÜRICH: Die «Neue Zürcher Zeitung» kommentiert am Freitag die Geldpolitik der EZB:

«Die Europäische Zentralbank (EZB) wird die Geister nicht mehr los, die sie selbst in den letzten Jahren gerufen hat. Diese Woche warnte die Währungsbehörde in ihrem Finanzstabilitätsbericht nämlich vor zunehmenden Verwundbarkeiten im europäischen Häusermarkt, ausgedehnten Bewertungen verschiedener Vermögensklassen, hohen privaten und öffentlichen Schuldenständen sowie dem zunehmenden Risikoappetit außerhalb des Bankensektors. Zu all diesen Entwicklungen hat die EZB in den vergangenen Jahren mit ihrer ultraexpansiven Geldpolitik beigetragen. (...)

Sie sollte den Risiken ihrer Politik selbst entgegenwirken und von der einseitigen Fokussierung auf tiefe Zinsen endlich zu einer ausgewogenen Geldpolitik zurückkehren. Dabei ist Eile geboten, denn die Inflation im Euro-Raum liegt inzwischen schon deutlich über dem Ziel der EZB. Doch die Notenbank wiegelt weiter ab, die starke Teuerung sei vorübergehend. Wenn sie sich hier irrt, wird es schwierig, die Inflation ohne gravierende Folgen zu bändigen. Dann lässt sich ein Crash an den Märkten durch starke Zinserhöhungen vielleicht nicht mehr vermeiden.»


«Nepszava»: Selektive Freiheitsauffassung bei den Rechtspopulisten

BUDAPEST: Über die Impfgegnerschaft der Rechtspopulisten im Europa der Corona-Pandemie schreibt die linksliberale Budapester Tageszeitung «Nepszava» in einem Kommentar am Freitag:

«Der ehemalige kroatische Kultusminister Zlatko Hasanbegovic, heute ein Politiker der rechtsextremen Heimatbewegung, verkündete lauthals: «Ich habe ein Recht darauf, das Virus zu haben!» In Italien und Frankreich wird bis heute gegen die harten Maßnahmen der dortigen Regierungen demonstriert, die die Impfbereitschaft der Bevölkerung erhöhen sollen. Aber auch in Österreich ist neulich eine derartige Bewegung entstanden, während in Deutschland die rechtsextreme AfD zur großen Freundin der Impfgegner wurde. Die Populisten pflegen einen interessanten Denkansatz: (...) Wir haben ein Recht darauf, auch andere zu infizieren, das heißt das Leben unserer Mitmenschen zu gefährden. Es ist schon nicht ohne Ironie, dass ausgerechnet die extreme Rechte derart kämpferisch für Souveränitätsrechte eintritt. Es sind genau jene Populisten, die, wenn es um die Rechte von Flüchtlingen, von Nicht-Heterosexuellen oder einfach nur von Andersdenkenden geht, die Freiheit des Einzelnen für weit geringer erachten.»


«Nesawissimaja»: Merkel-Telefonate haben Lage um Migranten entspannt

MOSKAU: Zu den Telefonaten der Bundeskanzlerin Angela Merkel mit dem belarussischen Machthaber Alexander Lukaschenko schreibt die russische Tageszeitung «Nesawissimaja Gaseta» am Freitag:

«Die Migrationskrise an der Grenze zwischen Belarus und der EU hat sich nach zwei Telefonaten aus Berlin etwas entspannt. Ein kleiner Teil der Migranten ist sogar in seine Heimat zurückgekehrt. (...)

Es ist aber zu früh, von einem Ende der Krise an der Grenze zu sprechen. Nach Einschätzungen der polnischen Seite halten sich an ihrer Grenze etwa 3000 und insgesamt in Belarus rund 20.000 Migranten auf. Die Mehrheit von ihnen will nicht wegfliegen, sondern wartet auf einen günstigen Augenblick. Und die belarussischen Behörden tun alles, um dieses Warten angenehmer zu gestalten.»

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