Zeitungen kommentieren das Weltgeschehen am Dienstag

Foto: Adobe Stock/©elis Lasop
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«Berliner Morgenpost» zur Verwaltungsreform

Reformprozesse brauchen externe Beratung und Hilfestellung.

Deswegen ist es zu begrüßen, dass der Senat jetzt die Optionen für Unterstützung bei der Verwaltungsreform erweitert hat. PD heißt das Beratungsunternehmen. Diese Berater für die schwierigen Reformprozesse anzuheuern, kann derzeit nur hilfreich sein. Große Aufgaben, die Berlins Verwaltung und Politik wohl kaum allein hinbekommen, gibt es zuhauf. Und niemand kann sich vorstellen, dass dieselben Menschen, die heute acht Jahre für einen Bebauungsplan brauchen, den nötigen Außenblick haben, das Ganze auch in zwei Jahren zu schaffen. Oder die Aufgaben, die bisher zwischen Senat und Bezirken umstritten sind, aus eigener Einsicht sauber zuzuteilen. Für solche Prozesse braucht es eine klare Erwartungshaltung von ganz oben und externe Helfer. Das kann man schlecht finden, weil gute Consultants bei PD und anderswo mehr als 1000 Euro am Tag kosten. Aber dieses Geld sparen zu wollen, wäre gleichbedeutend mit einer Kapitulation vor den gerade in Berlin dringend gebotenen Veränderungen in den Behörden.


«Stuttgarter Zeitung» zu Habeck/Verbot von Öl- und Gasheizungen

Vor zwei Jahren hat das Bundesverfassungsgericht die Regierung dazu verpflichtet, sich ehrgeizigere Ziele zur Minderung des CO2-Ausstoßes zu setzen.

Das hat Berlin zwar getan, aber noch reichen die konkreten Maßnahmen lange nicht aus, um diese Ziele auch zu erreichen. Gerade im Wärmemarkt ist noch viel zu tun. Deshalb ist es richtig, den Einbau von Öl- und Gasheizungen von 2024 an zu verbieten. Dies entspricht auch weitestgehend den Vereinbarungen der Ampelkoalition - nur der Zusatz "soweit möglich" fehlt offenbar in dem noch nicht offiziell vorgelegten Entwurf. Auf das Datum 1. Januar 2024 hatte sich Rot-Grün-Gelb hingegen bereits verpflichtet. Insofern dürfte es vorwiegend Profilierungsgehabe der in Landtagswahlen gebeutelten Liberalen sein, nun gegen das Vorhaben zu schießen.


«Handelsblatt» zu Ärztemangel/fehlende Medizin-Studienplätzen

Ärzte sind systemrelevant, der Staat ist mitverantwortlich dafür, dass genügend ausgebildet werden.

Dabei spricht grundsätzlich nichts dagegen, wenn junge Mediziner in Ungarn, Estland, Österreich oder Tschechien studieren. Das ist nicht nur eine wertvolle Erfahrung, sondern fördert den interkulturellen Austausch und die Sprachkenntnisse. Es kann aber nicht sein, dass dies nur Kindern von Besserverdienern offensteht. Jedenfalls nicht solange in Deutschland Ärzte fehlen. Dazu braucht es nicht unbedingt Tausende neuer Plätze in Deutschland selbst. So finanziert etwa Sachsen jährlich 40 jungen Menschen ein Medizinstudium in Ungarn, wenn sie anschließend mindestens fünf Jahre in der sächsischen Provinz arbeiten. So spart der deutsche Staat sogar: Denn während ein Medizinstudium die Länder hier rund 275.000 Euro kostet, liegen die Gebühren für ein Studium in Ost- und Südosteuropa zwischen 50.000 und 150.000 Euro.


«Frankfurter Allgemeine Zeitung» zum Streit in der Ampelkoalition

Die Ampelkoalition gleicht zeitweise einer rot-grünen Minderheitsregierung.

Die FDP ist zwar Teil der Koalition, aber ihr Beitrag zur Regierung besteht zum großen Teil in einem Ohne-uns. Die Woche ist noch keine drei Tage alt, da gibt es schon drei Beispiele: das Süß-Werbeverbot, das Verbrenner-Aus und das Verbot für Öl- und Gasheizungen. Alle drei Streitfälle stehen für zwei unverträgliche Modelle. Die Grünen lieben die Vorschrift, die Liberalen die Offenheit. (.) Die FDP kann die Grünen zu Kompromissen bewegen, wenn sie die SPD an ihrer Seite hat. Das ist immer dann der Fall, wenn soziale Rücksichten gegen grüne Übertreibungen sprechen. (.).


«Le Monde»: Berlin muss Missverständnisse mit Paris überwinden

PARIS: Zum Jahrestag der Rede von Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) zum russischen Überfall auf die Ukraine im Bundestag, in der er erklärte, dass Berlin seine Abhängigkeit von russischem Gas beenden und die Ukraine militärisch unterstützen wolle, schreibt die französische Tageszeitung «Le Monde» am Dienstag:

«Für ein Land, das damals 55 Prozent seines Gases aus Russland importierte, sich weigerte, Waffen an kriegführende Staaten zu liefern und seine Verteidigungspolitik jahrelang vernachlässigt hatte, war dies eine große Ankündigung. Als der Krieg nach Europa zurückkehrte, zeigte Deutschland, dass es bereit war, die Komfortzone zu verlassen, in der es seit mehr als einem halben Jahrhundert verharrte: die eines wirtschaftlichen Riesen und geopolitischen Zwergs.

(...) Seine Versprechen im Energiebereich hat es gehalten - und das ist eine Meisterleistung. (...) Ansonsten ist die Bilanz gemischter. (...) Mehr als seine Entschlossenheit hat sich das Zögern Berlins bei der Unterstützung Kiews eingeprägt, insbesondere bei der Entsendung von Leopard-Kampfpanzern, die Ende Januar nach langen Verzögerungen beschlossen wurde. (...) Was das Aufrüsten der Bundeswehr betrifft, ist es zwingend notwendig, einen Gang höher zu schalten. (...)

Wie weit will Deutschland seine Außenpolitik neu ausrichten? Welche Rolle strebt es innerhalb der Nato an, insbesondere bei der Verteidigung der Ostflanke? Wie sieht seine Vision für die europäische Verteidigungspolitik aus? In Bezug auf diesen letzten Punkt wird nichts ohne eine perfekte Abstimmung mit Frankreich möglich sein. Die vergangenen Monate haben jedoch gezeigt, dass es zwischen Paris und Berlin zahlreiche Missverständnisse gibt.

Auf diese Fragen wird Olaf Scholz Antworten finden müssen. Der deutsche Bundeskanzler hat die Messlatte sehr hoch gelegt, als er den Eintritt Europas in eine «Zeitenwende» verkündete. Es liegt nun an ihm, den Erwartungen, die er geweckt hat, gerecht zu werden.»


«The Telegraph»: Rishi Sunaks bester Tag als Premierminister

LONDON: Die britische Zeitung «The Telegraph» kommentiert am Dienstag die Einigung im Nordirland-Streit zwischen der EU und Großbritannien:

«Premierminister Rishi Sunak läutete eine neue Ära konstruktiverer Beziehungen zu Brüssel ein. EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen verknüpfte die Fortschritte beim Nordirland-Protokoll sogar mit einem möglichen Abkommen für das Vereinigte Königreich bei «Horizon», dem EU-Wissenschaftsprogramm. Es war nicht schwer zu erkennen, dass Sunak dort Erfolg hatte, wo seine Vorgänger versagten, weil er sich entschied, freundlicheren Beziehungen zur Europäischen Union Vorrang einzuräumen. (...)

Das Vereinigte Königreich hat die EU nicht verlassen, um sich Feinde zu schaffen. Viele Brexit-Befürworter hatten gehofft, dass die Beziehungen zu Europa im Laufe der Zeit eher freundschaftlicher würden und mehr auf gegenseitigem Vorteil als auf Zwang beruhen würden.

Rishi Sunak hat ein schwieriges Blatt gut gespielt: Es war wohl sein bisher bester Tag als Premierminister. Doch nun wartet er auf die entscheidende Antwort der (nordirischen Protestantenpartei) DUP und der Brexiteers. Die Zeit wird zeigen, ob er einen politischen Triumph erringen konnte.»


«La Vanguardia»: Historische Einigung auf Mobilfunkmesse in Barcelona

BARCELONA: Die spanische Zeitung «La Vanguardia» kommentiert am Dienstag eine Initiative von 21 Netzanbietern, unter dem Namen «Open Gateway» einen eigenen Draht zu App-Entwicklern aufzubauen, die bisher auf Betriebssystem-Plattformen von Google und Apple angewiesen sind:

«Die historische Allianz von Telekommunikationsunternehmen, die zusammen 3,8 Milliarden Menschen erreichen, legt den Grundstein für eine radikale Weiterentwicklung des Sektors. Die Initiative vereint Netzbetreiber, Industrie, Technologieunternehmen und Entwickler. Der globale Verbund von Netzbetreibern und Cloud-Anbietern ist das Hauptmerkmal des «Open Gateway». Dies ermöglicht es der digitalen Gemeinschaft, neue Anwendungen zu entwickeln sowie den Unternehmen, neue Verbrauchs- und Geschäftsmodelle zu etablieren.

Die APIs (Application Programming Interfaces) werden über ein Open-Source-System universell werden, das von der Linux Foundation betrieben wird. Dies soll das Netz demokratisieren, da bisher praktisch jeder Entwickler gezwungen ist, eine Anwendung für Google und Apple zu entwerfen, weil nur das Zugang zu Millionen Kunden ermöglicht. Die Unternehmen wollen auch, dass sich die großen Inhaltsplattformen, die 60 Prozent des Datenverkehrs generieren, mehr an den hohen Kosten für Betrieb und Ausbau der Netze beteiligen.»


«The Times»: Sunak konnte bei der EU wieder Vertrauen aufbauen

LONDON: Die britische Zeitung «The Times» kommentiert am Dienstag die Einigung über Brexit-Sonderregeln für Nordirland zwischen der EU und Großbritannien:

«Premierminister Rishi Sunak konnte durch geduldige Verhandlungen und angestrengte Bemühungen das von seinen Vorgängern unterminierte Vertrauen wiederherstellen und eine Vereinbarung erreichen, die alle wesentlichen Einwände gegen das Protokoll ausräumt und die größtmögliche Unterstützung in Nordirland und in Großbritannien verdient.

Erstens, und das ist für die Mehrheit der Menschen in Nordirland am wichtigsten, beseitigt das Abkommen das, was in der täglichen Praxis der Hauptmangel der vorherigen Vereinbarung war: die Zollkontrollen und der Papierkram, bei denen Boris Johnson bestritt, dass sie jemals notwendig sein würden, die jedoch den Unternehmen tatsächlich erhebliche Kosten auferlegten und dazu führten, dass einige Artikel aus nordirischen Geschäften verschwanden. Nach dem Windsor-Rahmenabkommen werden alle Waren, die für den nordirischen Markt bestimmt sind, über eine «grüne Fahrspur» eingeführt, auf der fast alle Kontrollen entfallen werden. Alle in Großbritannien erhältlichen Lebensmittel und Medikamente werden in der Provinz verkauft werden dürfen. (...) Dies sind bedeutende und willkommene Verbesserungen.»


«NZZ»: Neue Brexit-Sonderregeln für Nordirland sind pragmatisch

ZÜRICH: Nach jahrelangem Streit über die Brexit-Sonderregeln für Nordirland haben die britische Regierung von Premierminister Rishi Sunak und die EU eine Einigung erzielt. Dazu meint die «Neue Zürcher Zeitung» aus der Schweiz am Dienstag:

«Die EU zieht sich nicht völlig zurück, verzichtet aber auf rigide Kontrollen. Die Neuregelung ist pragmatisch und überfällig, sie basiert auf gesundem Menschenverstand und gutem Willen auf beiden Seiten. Und das ist das Problem. Den Kritikern Sunaks geht es gar nicht um die Lösung eines Zollproblems. Ihnen geht es um eine Fundamentalopposition gegen den Premierminister und die EU, welche ihren eigenen politischen Interessen dient.

Doch auch die Protagonisten des neuen Nordirland-Deals verfolgen ihre eigenen Interessen. Für Ursula von der Leyen markieren der Besuch auf Schloss Windsor und die Treffen mit König Charles III. und Sunak einen Triumph. Entgegen den Vorwürfen der Brexit-Hardliner zeigt sich Brüssel eben doch zu pragmatischen Regelungen und einem konstruktiven Verhältnis bereit.

Für Rishi Sunak könnte dieser Tag über seine politische Zukunft entscheiden. Er hätte die Nordirland-Frage auf die lange Bank schieben und der direkten Konfrontation mit Johnsons Entourage aus dem Weg gehen können. Doch er hat sich für eine Lösung des Problems entschieden und damit den schwelenden Machtkampf in der Partei offen ausbrechen lassen. Das braucht Mut, in der Partei wird sein Leben nicht angenehmer werden.»

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