ANKARA/STOCKHOLM: Nähert sich Schwedens Nato-Odyssee dem Ende? Lange Zeit hat das skandinavische Land in Ankara und Budapest auf Granit gebissen, doch jetzt tut sich etwas in dem Streit um den schwedischen Nato-Beitritt.
Schweden könnte seiner langersehnten Aufnahme in die Nato einen Schritt näherkommen. Rund 20 Monate nach Antragstellung und nach immer neuen Blockaden vonseiten der Türkei und Ungarns stand am Dienstag eine Abstimmung über den schwedischen Antrag auf der Tagesordnung des türkischen Parlaments. Und der ungarische Regierungschef Viktor Orban lud seinen schwedischen Kollegen Ulf Kristersson zu Verhandlungen ein.
Unter dem Eindruck des russischen Einmarsches in die Ukraine hatten sich Schweden und Finnland 2022 nach langjähriger militärischer Bündnisfreiheit dazu entschlossen, eine Mitgliedschaft in der Nato zu beantragen. Finnland bekam bereits innerhalb eines Jahres alle dafür notwendigen Ratifizierungen der Nato-Staaten zusammen und konnte dem Verteidigungsbündnis somit im April 2023 als 31. Mitglied beitreten.
Schweden dagegen fehlt immer noch das Ja aus der Türkei und Ungarn. Die Türkei hatte den Beitrittsprozess über Monate aktiv blockiert und dies mit einem aus ihrer Sicht mangelnden Einsatz Schwedens gegen «Terrororganisationen» wie die verbotene kurdische Arbeiterpartei PKK begründet.
Nach verschiedenen Zugeständnissen aus Stockholm hatte Präsident Recep Tayyip Erdogan dann Ende Oktober angekündigt, die Zustimmung durch das türkische Parlament zu ermöglichen. Später knüpfte er die Ratifizierung jedoch daran, dass die USA moderne Kampfjets vom Typ F-16 an die Türkei liefern. Ungarn derweil störte sich an schwedischen Aussagen zur Rechtsstaatlichkeit und Korruption im Land.
Von Deutschland und den weiteren Bündnispartnern war die Blockade immer wieder kritisiert worden, in Schweden führte die Zeit der Ungewissheit angesichts der russischen Invasion in der Ukraine zu wachsendem Frust. Viel Aufmerksamkeit erhielten in dieser Situation Aussagen des schwedischen Oberbefehlshabers Micael Bydén und des Ministers für zivile Verteidigung, Carl-Oskar Bohlin. Sie riefen die Schwedinnen und Schweden in diesem Monat auf, sich mental darauf vorzubereiten, dass es Krieg in Schweden geben könnte. In der Bevölkerung wurde dies mit Unruhe aufgenommen, auch wenn Ministerpräsident Kristersson später beteuerte, dass es derzeit keine Anhaltspunkte für einen bevorstehenden Krieg in Schweden gebe.
Türkisches Parlament könnte abstimmen
Nun könnten die Schweden im türkischen Parlament eine wichtige Hürde nehmen. Der schwedische Nato-Beitritt stand am Dienstag als 42. und damit letzter Punkt auf der Tagesordnung der Parlamentssitzung in Ankara, die planmäßig um 15.00 Uhr Ortszeit/13.00 Uhr MEZ beginnen sollte.
Ob die mögliche Zustimmung an Zugeständnissen in Verhandlungen über Rüstungsgeschäfte hängt, blieb vorab unklar. Fällt eine Entscheidung, muss sie anschließend noch einmal von Erdogan unterschrieben werden - ob er dies dann zeitnah tut, bleibt abzuwarten. Danach wird der Beschluss im Amtsblatt veröffentlicht, was eine Formalität darstellt.
Orban will verhandeln
Bliebe dann noch Ungarn. Der dortige Ministerpräsident Orban hatte stets betont, sein Land wolle nicht das letzte sein, das Schwedens Nato-Beitritt ratifiziert. Nach den Signalen aus Ankara erklärte er am Dienstag auf der Online-Plattform X, Kristersson schriftlich zu einem Besuch in Ungarn eingeladen zu haben, um über die Bündnisaufnahme der Schweden «zu verhandeln».
Sollte Orban dabei letztlich seinen Daumen heben, dürfte die Ratifizierung im ungarischen Parlament nur noch Formsache sein. Allerdings kommt das Parlament in Budapest planmäßig erst wieder im Februar zusammen. Die sozialdemokratische Oppositionspartei MSZP beantragte jedoch am Dienstag eine sofortige parlamentarische Sondersitzung, um den schwedischen Nato-Antrag zu billigen. Letztlich entscheidet jedoch Orbans Partei Fidesz.