Wiedervereinigung oder nicht?

​Neuer Anlauf zur Lösung der Zypernfrage

46. Sitzung des UN-Menschenrechtsrates in Genf. Foto: epa/Salvatore Di Nolfi
46. Sitzung des UN-Menschenrechtsrates in Genf. Foto: epa/Salvatore Di Nolfi

GENF/NIKOSIA: Noch drei Jahre, dann sind es 50 Jahre seit der Teilung Zyperns in einen griechisch- und einen türkisch-zyprischen Teil. Unzählige Verhandlungen sind im Sande verlaufen. Jetzt kommt ein neuer Anlauf.

Gibt es fast 50 Jahre nach der Teilung Zyperns noch Hoffnung auf eine Wiedervereinigung oder sollte es auf der Mittelmeerinsel künftig zwei anerkannte Staaten geben? Diese Woche nimmt UN-Generalsekretär António Guterres in Genf einen neuen Anlauf, um Optionen auszuloten. Er hat Vertreter der griechischen und türkischen Zyprer sowie der «Mutterländer» Griechenland und Türkei und Großbritanniens zu informellen Gesprächen eingeladen. Zypern war bis 1960 britische Kronkolonie.

Die Gespräche beginnen am Dienstag (27. April). «Ziel ist es herauszufinden, ob es eine gemeinsame Grundlage der Teilnehmer gibt, eine dauerhafte Lösung des Zypernproblems mit einem absehbaren Zeithorizont zu finden», teilte Guterres' Büro in Genf mit. Er wird am Aufakt der dreitägigen Gesprächen teilnehmen.

An diesem Konflikt haben sich seit Jahrzehnten zahlreiche Vermittler immer wieder die Zähne ausgebissen. Die bislang letzten UN-Bemühungen waren 2017 hauptsächlich daran gescheitert, dass die Türkei nicht alle ihrer 35.000 Soldaten aus dem Norden abziehen wollte. Dieses Mal, wohlgemerkt, sprechen die Vereinten Nationen vor dem Treffen nicht von einer Wiedervereinigung, wie es in Resolutionen des Weltsicherheitsrates gefordert wird.

Die Insel ist seit einem griechischen Putsch und einer türkischen Militärintervention 1974 geteilt in einen griechisch-zyprischen Teil im Süden und einen kleineren türkisch-zyprischen Teil im Norden. Nordzypern hatte sich 1983 für unabhängig erklärt, wird aber nur von der Türkei anerkannt. Die EU nahm ganz Zypern 2004 auf. Das EU-Recht gilt bis zur erhofften Wiedervereinigung nur im Südteil der Insel.

Die griechischen Zyprer würden einer Föderation aus zwei Bundesstaaten mit einer starken Zentralregierung zustimmen. Im März frohlockte der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell nach einem Treffen mit der Regierung von Nikos Anastasiades in der griechisch-zyrischen Hauptstadt Nikosia im Hinblick auf eine Überwindung der Teilung auf Twitter noch: «Es gibt eine echte Chance, die genutzt werden muss.»

Davon wollen die türkisch-zyprische Seite und die Türkei aber nichts wissen. «Wir werden diesmal nach fast 50 Jahren Verhandlungen etwas Neues vorschlagen», sagte der Präsident der Türkischen Republik Nordzypern, Ersin Tatar. Tatar will wie der türkische Außenminister Mevlüt Cavusoglu eine Zwei-Staaten-Lösung. Die beiden Staaten könnten nach ihren Vorstellungen in Bereichen wie Umwelt, Energie und Kriminalitätsbekämpfung zusammenarbeiten.

Zypern ist die drittgrößte Mittelmeerinsel. Sie liegt 100 Kilometer westlich von Syrien, 65 Kilometer südlich der Türkei und 770 Kilometer südöstlich des griechischen Festlandes. Es leben dort neben gut 100.000 Ausländern rund 900.000 griechische Zyprer und 300.000 türkische Zyprer und viele Siedler aus der Türkei. Das von Nikosia kontrollierte Gebiet macht rund 60 Prozent der Territoriums aus, der türkische Teil rund 35 Prozent. Dazu kommen große britische Militärstützpunkte und eine Pufferzone entlang der Trennungslinie .

Ängste gibt es auf beiden Seiten, Vertrauen hingegen nicht: Die griechischen Zyprer fürchten sich wegen der türkischen Soldaten im Norden vor der militärischen Übermacht. Die türkischen Zyprer fürchten sich vor der wirtschaftlichen Übermacht der griechischen Zyprer und davor, bei einer Wiedervereinigung zu Bürgern zweiter Klasse zu werden. Angespannt ist die Lage zusätzlich, weil die Türkei in den vergangenen Monaten südlich der Insel in der Ausschließlichen Wirtschaftszone Zyperns im Meer nach Erdgas suchte. Die EU hat dies wiederholt verurteilt.

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