CARACAS (dpa) - Das venezolanische Parlament hat sich am Sonntag bei einer beispiellosen Doppelabstimmung in Anhänger und Gegner der Regierung von Staatspräsident Nicolás Maduro gespalten.
Rund 100 Abgeordnete der Opposition bestätigten Maduros Erzfeind, den bisherigen Vorsitzenden und selbsternannten Interimspräsidenten Juan Guaidó, im Amt. Parlamentarier der regierungstreuen Sozialistischen Einheitspartei und Abtrünnige des Oppositionsbündnisses hatten indes wenige Stunden vorher Luis Parra als neuen Vorsitzenden gewählt.
Sicherheitskräfte der Regierung Maduros hatten Guaidó und zahlreichen weiteren Volksvertretern der Opposition den Zutritt zum Parlamentsgebäude verwehrt. Die unabhängige Presse wurde von der Sitzung im Kongress auch ausgeschlossen.
Parra gehörte bis Dezember der Oppositionspartei «Primero Justicia» («Erst Gerechtigkeit») an, die Teil des Bündnisses um Guaidó ist. Er wurde von seiner Partei ausgeschlossen, nachdem Oppositionsvertreter ihn des Versuchs beschuldigt hatten, andere Parlamentarier mit hohen Bestechungssummen für Maduro zu gewinnen.
Anhängern Guaidós zufolge fand die Wahl Parras im Kongressgebäude ohne das notwendige Quorum statt. Anhänger Parras gaben hingegen an, er sei regelkonform mit 84 Stimmen von 150 anwesenden Abgeordneten gewählt worden. Das venezolanische Parlament besteht aus 165 Volksvertretern.
Guaidós Anhänger im Parlament versammelten sich dann in einer Sitzung im Gebäude der Zeitung «El Nacional», in der der Interimspräsident als Parlamentsvorsitzender wiedergewählt wurde.
Guaidó war Anfang 2019 zum Präsidenten der Nationalversammlung gewählt worden, weil seiner Oppositionspartei «Voluntad Popular» («Volkswille») turnusgemäß der Parlamentsvorsitz zustand. Am 23. Januar erklärte sich der zuvor völlig unbekannte Abgeordnete zum Interimspräsidenten und forderte damit Staatschef Maduro offen heraus. Dessen Anhänger sammelten sich lange in der von Maduro neu ins Leben gerufenen verfassungsgebenden Versammlung, einer Art Konkurrenzparlament. Erst seit kurzem nehmen sie wieder an Sitzungen der Nationalversammlung teil, worin Kritiker nun angesichts der Wahl Parras ein taktisches Manöver sehen.
Zahlreiche Länder, darunter die USA und viele EU-Staaten, erkannten Guaidó daraufhin als rechtmäßigen Übergangspräsidenten an. Allerdings gelang es ihm trotz internationaler Unterstützung und massiver Demonstrationen in Venezuela nicht, Maduro aus dem Amt zu drängen. Der linke Staatschef kann weiterhin auf die Unterstützung des mächtigen Militärs zählen.