Ukraine-Krise: Aktuelles Geschehen am Sonntag

Foto: epa/dpa Fotomontage
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Selenskyj fordert dringend Flugabwehr für Charkiw

KIEW: Keine Stadt in der Ukraine leidet derzeit so stark unter russischem Beschuss wie Charkiw. Präsident Selenskyj schickt seine Leute weltweit auf die Suche nach Abwehrwaffen.

Angesichts ständiger russischer Luftangriffe auf die ostukrainische Großstadt Charkiw fordert Präsident Wolodymyr Selenskyj von den ausländischen Partnern dringend zusätzliche Flugabwehrsysteme. «Es ist ganz offensichtlich, dass die Luftverteidigungskapazitäten, die wir in der Ukraine haben, nicht ausreichen - und das ist allen unseren Partnern klar», sagte Selenskyj am Sonntag in seiner abendlichen Videobotschaft. «Wir suchen nach Möglichkeiten, Charkiw mehr Schutz aus der Luft zu geben.» Er trug allen ukrainischen Diplomaten und internationalen Unterhändler auf, mit den Partnern den Nachschub zu vereinbaren.

Gerade für die US-Luftabwehrsysteme Patriot sei ihr Platz derzeit in der Ukraine. Zuvor hatte Selenskyj in einem Fernsehinterview gesagt, sein von Russland angegriffenes Land brauche zumindest 25 dieser Systeme. Am Sonntagmittag schlugen nach Angaben der örtlichen Staatsanwaltschaft erneut zwei Fliegerbomben in Charkiw ein und verletzten fünf Menschen. 13 Mehrfamilienhäuser und andere Gebäude seien beschädigt worden. In der Nacht auf Samstag waren sechs Menschen getötet und elf verletzt worden. Die Ukraine wehrt seit über zwei Jahren eine großangelegte russische Invasion ab.


Drohnenangriffe auf Belgorod - ein Mädchen tot

BELGOROD: Auf kein anderes russisches Gebiet schlägt der vom Kreml begonnene Angriffskrieg gegen die Ukraine so zurück wie auf Belgorod. Ein ukrainischer Gegenangriff trifft ein Auto mit einer Familie.

Das russische Grenzgebiet Belgorod ist Behördenangaben zufolge am Sonntag in mehreren Wellen von ukrainischen Kampfdrohnen angegriffen worden. Durch Trümmer einer abgeschossenen Drohne sei ein Mädchen getötet worden, das mit seiner Familie in einem Auto saß, teilte Gouverneur Wjatscheslaw Gladkow auf Telegram mit. Der Familienvater, ein Jugendlicher und zwei Kinder in dem Auto seien verletzt worden. Die Drohne sei über dem Dorf Schagarowka bei der Gebietshauptstadt Belgorod abgestürzt.

Schon in der Nacht auf Sonntag gab es demnach Drohnenangriffe von ukrainischer Seite. Dabei seien in dem grenznahen Dorf Dronowka zwei Autos ausgebrannt und eine Gasleitung beschädigt worden, teilte Gladkow mit. Auch am Samstag waren Angriffe gemeldet worden. Das Verteidigungsministerium in Moskau teilte mit, am Sonntagnachmittag seien zwölf Drohnen über dem Gebiet Belgorod und drei Drohnen über der Nachbarregion Brjansk abgefangen worden.

Belgorod ist wie keine andere Region Russlands von Kämpfen betroffen. Auf ukrainischer Seite liegt die Großstadt Charkiw, die fast ständig unter russischem Beschuss liegt. Die ukrainische Armee versucht, die russischen Einheiten in und um Belgorod zu behindern. Das Ausmaß der Zerstörung auf russischem Boden ist aber nicht zu vergleichen mit dem, was Russland in der Ukraine anrichtet.


Lawrow reist zu Gesprächen nach Peking - Ukraine auch ein Thema

PEKING/MOSKAU: China setzt sich für eine friedliche Lösung im russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine ein. Nun besucht Außenminister Lawrow erneut Peking, nachdem die Chinesen erst im März in Kiew waren.

Der russische Außenminister Sergej Lawrow will bei einem bis Dienstag angesetzten Besuch in Peking mit seinem chinesischen Kollegen Wang Yi über den Krieg in der Ukraine und andere brennende Themen sprechen. Das teilte das Außenministerium in Moskau am Sonntag mit. Demnach sollte Lawrows Reise am Montag beginnen und bis Dienstag dauern. Bei den Verhandlungen gehe es um eine Vielzahl an Fragen, darunter auch die Lage in der Asien-Pazifik-Region und die Zusammenarbeit beider Länder in internationalen Organisationen wie den UN, Brics und G20. Lawrow und Wang Yi hatten sich zuletzt im Oktober ebenfalls in Peking getroffen, davor im September auch in Moskau.

China bemüht sich seit längerem um eine Friedenslösung im russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine. Im März warben ukrainische Spitzenpolitiker und Beamte in Kiew bei einem Treffen mit dem chinesischen Sondergesandten Li Hui erneut um Unterstützung für eine Lösung im russischen Angriffskrieg. China gilt als enger Verbündeter Russland und betont in dem Konflikt seine Neutralität. Peking hatte selbst einen Friedensplan vorgeschlagen, der in Kiew allerdings auf Kritik stieß.

Die Ukraine besteht darauf, dass ausschließlich der Plan von Präsident Wolodymyr Selenskyj umgesetzt wird. Kernpunkt von Selenskyjs Vorgehen ist die Forderung nach einem Abzug der russischen Truppen aus allen besetzten Gebieten der Ukraine. Erst dann will Kiew mit Moskau über eine friedliche Koexistenz verhandeln. Russland lehnt Selenskyjs Plan als «realitätsfern» ab.


Kiews Militärgeheimdienst hofft weiter auf deutschen Taurus

KIEW: In der Ukraine beschreibt Militärgeheimdienst Budanow die Lage im Kampf gegen Russlands Angriffskrieg im ARD-Interview als schwierig. Es brauche mehr westliche Hilfe, um eine Katastrophe abzuwenden.

Der ukrainische Militärgeheimdienstchef Kyrylo Budanow hofft weiter auf die von Deutschland bisher abgelehnte Lieferung der Marschflugkörper vom Typ Taurus im Kampf gegen die russische Invasion. «Der Taurus würde unser Leben sicherlich einfacher machen», sagte der Chef des Militärgeheimdienstes HUR in einem Interview der ARD. «Um Kommandozentralen zu treffen, um einige sehr wichtige Ziele zu treffen, ist es eine ausgezeichnete Waffe.» Auch die russische Brücke zur annektierten Schwarzmeer-Halbinsel Krim bleibe ein wichtiges Ziel für die Ukraine: «Die Brücke wird schwer bewacht und verteidigt. Aber alle arbeiten an diesem Thema.»

Budanow bestätigte in dem am Sonntag veröffentlichten Interview auch Informationen, nach denen die Ukraine im Frühjahr oder im Sommer mit einer neuen russischen Offensive rechne - besonders im Gebiet Donbass. Dafür brauche das Land, das sich seit mehr als zwei Jahren gegen den russischen Angriffskrieg wehrt, vor allem mehr Artilleriesysteme und Munition. Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj hatte am Samstag erneut vor allem auch eine Stärkung der Flugabwehr gefordert. Konkret nannte er 25 Flugabwehrsysteme vom US-Typ Patriot, um den Luftraum der Ukraine abzusichern.

Zu konkreten Perspektiven des Krieges wollte sich HUR-Chef Budanow laut dem ARD-Interview nicht äußern. «Die Lage ist ziemlich schwierig, aber sie ist unter Kontrolle», sagte er. Demnach hält er anders als viele Militärexperten in diesem Jahr auch eine ukrainische Gegenoffensive für möglich. Zugleich sagte er, dass es ohne dauerhafte Unterstützung des Westens «katastrophal schwierig» werde für die Ukraine. Budanow erwartet demnach auch einen deutlichen Aufschwung der Rüstungsindustrie in Europa und traut der EU zu, mögliche ausbleibende US-Hilfen auszugleichen.

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