Ukraine-Krise: Aktuelles Geschehen am Samstag

Foto: epa/dpa
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Schwimmende Behelfsbrücke der Russen über Dnipro-Fluss fertig

LONDON: Russland hat nach Angaben der Briten eine schwimmende Behelfsbrücke über den ukrainischen Dnipro-Fluss fertiggestellt, um seine Truppen versorgen zu können. Die Brücke diene als Ersatz für die benachbarte zerstörte Antoniwskyj-Brücke, hieß es am Samstag im täglichen Kurzbericht des britischen Verteidigungsministeriums unter Berufung auf Geheimdienstinformationen. Die Flussüberquerung ist von zentraler Bedeutung für die Versorgung russischer Truppen in der besetzten südukrainischen Großstadt Cherson.

Die Briten gehen davon aus, dass es das erste Mal seit Jahrzehnten ist, dass Moskau auf eine solche schwimmende Brücke aus Lastkähnen setzt. Solche provisorischen Lösungen seien höchstwahrscheinlich zu Sowjetzeiten für Operationen in Europa vorgesehen gewesen. Moskau nutze sie, um dringend benötigten Nachschub an Material und Logistik über den Fluss zu transportieren. Sollte die Brücke Schaden nehmen, würden die russischen Kräfte sie mutmaßlich zu reparieren versuchen.

Das britische Verteidigungsministerium veröffentlicht seit dem Beginn des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine Ende Februar unter Berufung auf Geheimdienstinformationen täglich Informationen zum Kriegsverlauf. Damit will die britische Regierung sowohl der russischen Darstellung entgegentreten als auch Verbündete bei der Stange halten. Moskau wirft London eine gezielte Desinformationskampagne vor.


Ukraine-Wiederaufbaukonferenz soll Hoffnungszeichen setzen

BERLIN: Kanzler Olaf Scholz (SPD) sieht im Wiederaufbau der Ukraine nach dem Ende des Angriffskriegs Russlands eine jahrzehntelange Aufgabe der Weltgemeinschaft. «Der Wiederaufbau wird eine große, große Aufgabe», sagte Scholz in seinem am Samstag veröffentlichten Video-Podcast vor der für diesen Dienstag in Berlin geplanten internationalen Expertenkonferenz zum Wiederaufbau des Landes. «Wir werden sehr viel investieren müssen, damit das gut funktioniert.» Das könne die Ukraine und auch die Europäische Union nicht allein. «Das kann nur die ganze Weltgemeinschaft, die jetzt die Ukraine unterstützt. Und sie muss es für lange Zeit tun.»

Es sei «wichtig, dass wir jetzt nicht nur ganz konkret feststellen, was alles gemacht werden muss, wo überall investiert werden muss, wie man den Wiederaufbau organisieren kann, sondern dass wir auch darüber nachdenken, wie über viele, viele Jahre, ja, Jahrzehnte ein solcher Wiederaufbau auch finanziert werden kann von der Weltgemeinschaft», sagte Scholz. Deshalb habe er zusammen mit EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen als Präsident der G7-Gruppe der sieben führenden demokratischen Wirtschaftsmächte zu der Konferenz eingeladen. «Es geht darum, dass wir jetzt ein Zeichen der Hoffnung setzen, mitten in dem Grauen des Krieges, dass es wieder aufwärts geht.»

Deutschland hat derzeit den Vorsitz der G7-Gruppe, der auch Frankreich, Italien, Japan, Kanada, die USA und Großbritannien angehören.

Bereits an diesem Montag geht es bei einem deutsch-ukrainischen Wirtschaftsforum in Berlin mit Spitzenvertretern beider Länder um den Wiederaufbau der Ukraine. Die Konferenz soll von Scholz und dem ukrainischen Ministerpräsidenten Denys Schmyhal eröffnet werden. Erwartet wird außerdem Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne). Aus der Ukraine werden mehrere Minister nach Berlin reisen oder online zugeschaltet, wie die Veranstalter bekanntgaben.


Ukrainischer Energieversorger beklagt Schäden nach Raketenangriffen

KIEW: Nach den neuen russischen Raketenangriffen vom Samstag hat der ukrainische Energieversorger im Land schwere Schäden an den Hauptnetzen im Westen des Landes beklagt. Die Folgen seien vergleichbar mit den russischen Angriffen zwischen dem 10. und 12. Oktober - oder sogar schlimmer, teilte Ukrenerho am Samstag in Kiew mit. Kremlchef Wladimir Putin hatte bei den Angriffen an jenen Oktobertagen befohlen, gezielt die Energie-Infrastruktur des Landes zu beschießen. Das galt als Vergeltung für eine Explosion auf der Krim-Brücke von Russland zu der annektierten Schwarzmeer-Halbinsel. Die Ukraine hat sich zu der schweren Explosion nicht bekannt.

Der ukrainische Netzbetreiber teilte auch mit, dass Experten die Schäden so schnell wie möglich beseitigen wollten. Präsident Wolodymyr Selenskyj hatte in dieser Woche mitgeteilt, dass durch die russischen Angriffe mit Raketen und Drohnen rund 40 Prozent der Energie-Infrastruktur des Landes zerstört seien. Gegenwärtig ist die Versorgung nach Angaben von Ukrenerho unter anderem in den Regionen Kiew, Sumy, Charkiw, Saporischschja und Dnipropetrowsk eingeschränkt. Hunderttausende Haushalte waren von Stromausfällen betroffen.

Der Energieversorger forderte die Menschen einmal mehr zum Stromsparen auf. So sollten etwa unnötige Lichtquellen ausgeschaltet und Waschmaschinen nur in den Nachtstunden betrieben werden. Nach Darstellung von Ukrenerho will der Feind die Menschen im Land in Rage versetzen und die Lage destabilisieren. «Wut gibt uns Stärke», hieß es in der Mitteilung des Versorgers. Er appellierte an die Menschen, mit Verständnis und Mithilfe zur Besserung der Lage beizutragen.

Russland hatte am Samstag mit neuen Raketenangriffen auf die Ukraine landesweit Luftalarm ausgelöst. Das Verteidigungsministerium in Moskau bestätigte eine Vielzahl an Angriffen. Russland führt seit fast acht Monaten einen Angriffskrieg gegen die Ukraine.


Scholz warnt vor neuer Blockade der Getreidelieferungen aus Ukraine

MÜNCHEN: Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) hat vor einer neuen Blockade der Getreidelieferungen aus der Ukraine durch Russland gewarnt. Zusammen mit UN-Generalsekretär Antonio Guterres und vielen anderen habe man dafür gekämpft, dass die Getreideexporte über die Eisenbahn, die Donau, «aber ganz bestimmt auch über den Seeweg», möglich seien, sagte Scholz am Samstag bei einem Landesparteitag der bayerischen SPD in München. «Gut, dass das jetzt gelungen ist. Und es darf dieser Weg nicht wieder versperrt werden», fügte er eindringlich hinzu. Der russische Angriffskrieg auf die Ukraine habe Auswirkungen auf die ganze Welt, «eine große Hungerkatastrophe ist möglich».

Russland führe den Krieg immer brutaler, zerstöre Städte, Dörfer, Infrastrukturen, die Energieanlagen, kritisierte Scholz. Jeden Tag stürben Menschen, «das nehmen wir verbittert und traurig zur Kenntnis». Deswegen sei für die Bundesregierung klar: «Wir werden weitermachen mit unserer Unterstützung für die Ukraine.» Man werde das Land weiterhin finanziell, humanitär und auch mit Waffen zur Verteidigung seiner Unabhängigkeit unterstützen. Was Deutschland an Unterstützung etwa zur Luftverteidigung leiste, wirke. Im Osten der Ukraine helfe man mit Artillerie. Es müsse alles dafür getan werden, «dass die Bedingungen entstehen, dass er (der Krieg) zu Ende geht und die Ukraine ihr Land verteidigen kann».

Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj hat zunehmende Probleme bei den im Juli mit Russland vereinbarten Getreideexporten über das Schwarze Meer beklagt. Es gebe einen künstlichen Stau von 150 Schiffen, weil Russland absichtlich deren Passage verhindere, sagte er in einer Videobotschaft. «Der Feind tut alles, um unsere Lebensmittelexporte zu verlangsamen.» Er warf Russland vor, auf diese Weise eine Lebensmittelkrise und soziale Spannungen in der Welt hervorrufen zu wollen. Wegen der Verzögerungen kämen aktuell drei Millionen Tonnen Nahrungsmittel nicht zu den Menschen.

Infolge des Ende Februar begonnenen russischen Angriffskriegs waren in der Ukraine monatelang tonnenweise Getreide in den Häfen des Schwarzen Meeres blockiert gewesen. Seit Juli sind drei ukrainische Seehäfen wieder für die Ausfuhr von Lebensmitteln geöffnet. Kremlchef Wladimir Putin kritisierte das Abkommen als «Abzocke», da die Versprechungen zu einer Lockerung der Sanktionen gegenüber Russland nicht eingehalten worden seien.


Baerbock und Lambrecht wollen mehr Geld für Ukraine-Militärhilfe

BERLIN: Verteidigungsministerin Christine Lambrecht (SPD) und Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne) fordern für das kommende Jahr deutlich mehr Geld für die militärische Unterstützung der Ukraine als bislang geplant. Die bisher im Haushaltsentwurf für 2023 eingeplanten 697 Millionen Euro sollten auf 2,2 Milliarden Euro aufgestockt werden, verlangen die beiden Ministerinnen in einem Brief an Finanzminister Christian Lindner (FDP), der der Deutschen Presse-Agentur in Berlin vorliegt. Im laufenden Haushalt sind demnach Ausgabenmittel in Höhe von 2 Milliarden Euro veranschlagt. Auch der «Spiegel» berichtet über das Schreiben.

Lambrecht und Baerbock fordern von ihrem Kabinettskollegen zudem eine Aufstockung der bisher geplanten Verpflichtungsermächtigung in Höhe von 100 Millionen Euro auf eine Milliarde Euro. Eine solche Ermächtigung ermöglicht es, Verpflichtungen zur Leistung von Ausgaben in künftigen Jahren rechtlich verbindlich einzugehen.

Die bisherigen Haushaltsansätze würden «die Handlungsspielräume auf ein politisch nicht mehr vertretbares Minimum» reduzieren, warnen Lambrecht und Baerbock in dem als «Verschlusssache - Nur für den Dienstgebrauch» - der niedrigsten Geheimhaltungsstufe - eingestuften Brief. «Die außen- und sicherheitspolitische Handlungsfähigkeit und internationale Reputation der Bundesregierung in diesem Konflikt hängen auch von der bedarfsgerechten Ausstattung des Ermächtigungstitels ab», schreiben die Ministerinnen.

Es bedürfe einer signifikanten Erhöhung, damit die Bundesregierung ihre Zusagen für die fortgesetzte massive Unterstützung der Ukraine einhalten könne, heißt es in dem Brief weiter. «Das erwarten auch die Verbündeten und Partner.» Das Beispiel der Ukraine zeige, wie effektiv und schnell die Bundesregierung im Bedarfsfall mit der Ertüchtigungsinitiative helfen könne. «So kann Deutschland konkret und sichtbar die Verantwortung übernehmen, die unsere internationalen Partner von uns erwarten, und zugleich die eigenen strategischen Interessen schützen.»


Jan Ratschinski hält Rede bei Friedensnobelpreis-Vergabe

MOSKAU: Bei der Verleihung des Friedensnobelpreises am 10. Dezember soll für die russische Menschenrechtsorganisation Memorial der prominente Moskauer Bürgerrechtler Jan Ratschinski die Preisträgerrede halten. Das teilte Memorial der Deutschen Presse-Agentur in Moskau mit. Der 63 Jahre alte Vorsitzende der in Russland aufgelösten Organisation wird von Lana Estemirowa begleitet, deren Mutter als Memorial-Mitarbeiterin in Tschetschenien im Nordkaukasus unter anderem russische Kriegsverbrechen aufgedeckt hatte. Sie wurde 2009 ermordet.

Ausgezeichnet werden auch der in Belarus inhaftierte Anwalt Ales Bjaljazki, Leiter der Menschenrechtsorganisation Wesna, und die ukrainische Bürgerrechtsorganisation Center for Civil Liberties. Deren Geschäftsführerin in Kiew, Oleksandra Romanzowa, hatte erklärt, dass die in diesem Jahr Geehrten alles dafür tun würden, um Kriege - wie den jetzt gegen die Ukraine - zu verhindern. Der Friedensnobelpreis ist mit zehn Millionen schwedischen Kronen (rund 980.000 Euro) dotiert und wird in der norwegischen Hauptstadt Oslo überreicht.

Die international bekannte Memorial wurde im vergangenen Jahr auf Anweisung der Behörden aufgelöst, weil sie gegen Gesetze verstoßen haben soll. Memorial lehnte es ab, den umstrittenen Titel «ausländischer Agent» zu tragen. Die Organisation setzt sich für politisch Verfolgte und Gefangene ein. Und sie klärt etwa auch über Verbrechen der kommunistischen Gewaltherrschaft auf.

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