El Salvadors «cooler» Präsident polarisiert

Präsident von El Salvador Nayib Bukele bei einer Pressekonferenz in San Salvador. Foto: epa/Rodrigo Sura
Präsident von El Salvador Nayib Bukele bei einer Pressekonferenz in San Salvador. Foto: epa/Rodrigo Sura

SAN SALVADOR: Nayib Bukele regiert El Salvador gewissermaßen per Twitter. Der beliebte, junge Präsident hat nach seinem ersten Jahr im Amt bedeutende Erfolge vorzuweisen - mit einer Vorliebe für das Militär und Missachtung der Justiz aber auch viel Entsetzen ausgelöst.

Eine Zeitlang beschrieb sich Nayib Bukele in seinem Twitter-Profil selbst als «bestaussehenden und coolsten Präsidenten der ganzen weiten Welt». Seit der Geburt seiner Tochter im August ist El Salvadors 38-jähriger Staatschef dort nur noch «Papa von Layla».

Der Mann mit einer Vorliebe für Lederjacken findet sich aber immer noch «cool», und auch US-Präsident Donald Trump, wie Bukele bei einem Treffen mit seinem Kollegen im September betonte. Beide nutzten Twitter viel, fügte der Mittelamerikaner hinzu. Tatsächlich ist die Frequenz der Twitter-Nachrichten bei ihm noch höher als bei Trump. Seine Kritiker werfen ihm ähnlich autoritäre Züge vor.

«Wir können bestätigen», twitterte Bukele jüngst, «dass wir den Montag, den 25. Mai, mit landesweit 0 Morden abgeschlossen haben.» Wohl in kaum einem anderen Land wäre das eine Nachricht. El Salvador hat aber nach den jüngsten Statistiken die höchste Mordrate der Welt. Vor zwei Jahren waren es 51 Morde pro 100.000 Einwohner, 2015 sogar doppelt so viele. Seit Bukeles Amtsantritt ist die Zahl nach Angaben von Sicherheitsminister Rogelio Rivas um gut 70 Prozent gesunken.

Bukele hat dies mit seinem «Plan territorialer Kontrolle» erreicht, der bisher vor allem aus einer erhöhten Präsenz des Militärs besteht. Unklar ist, ob die mächtigen Banden nicht einfach die Strategie gewechselt haben. Territorium haben sie Berichten zufolge keines verloren. In jedem Fall beschert der Rückgang der Gewalt Bukele laut Umfragen Zustimmungswerte von mehr als 80 Prozent.

Das änderte sich trotz heftiger Kritik ziviler Organisationen auch nicht, als er im Februar Soldaten im Parlament aufmarschieren ließ. Er wollte damit die überwiegend oppositionellen Abgeordneten drängen, für die Finanzierung seines Sicherheitsplans zu sorgen.

Überall in Lateinamerika gingen Militärs brutal gegen die Bevölkerung vor, rechtfertigte er sich - mit rückwärts aufgesetzter Baseball-Kappe - Ende März in einem Video-Gespräch auf Instagram mit dem puerto-ricanischen Rapper Residente. Das werde als normal betrachtet, aber: «Wenn man Soldaten auf der Seite des Volkes gegen die Politiker sieht, ist es ein Skandal.»

Einen solchen provozierte der Mann mit den stets zurückgegelten Haaren vor rund einem Monat erneut, als er Fotos aus einem Gefängnis veröffentlichte. Diese zeigten Häftlinge, die wie in Sardinenbüchsen in Reihen zusammengepfercht und nur mit Unterhosen bekleidet waren. Es hatte eine Gewaltwelle gegeben, also zeigte Bukele den Banden - denen er vorwirft, Morde von Gefängnissen aus anzuordnen - die harte Hand.

Amnesty International nannte die Bilder «entmenschlichend». In El Salvador seien sie gefeiert worden, schrieb der Journalist Carlos Dada im Portal «El Faro». Nach Jahrzehnten erdrückender Grausamkeit der Gangster hätten die Menschen mit ihnen wenig Mitgefühl.

Bukele, ein Nachfahre palästinensischer Einwanderer, war ein Geschäftsmann und Bürgermeister der Hauptstadt San Salvador, bevor er Präsident wurde. Er ist der erste seit Ende des Bürgerkrieges 1992, der keiner der zwei großen Parteien angehört. Nach eigenen Angaben ist er weder links noch rechts, seine Sozialpolitik ist konservativ.

Auch in seinem Umgang mit der Corona-Krise hat Bukele sowohl Erfolge - in Form niedriger Fallzahlen - vorzuweisen, als auch Entsetzen ausgelöst. Noch vor der ersten bestätigten Infektion im Land rief er einen Notstand aus. Seit dem 21. März gilt eine strenge Ausgangssperre. Wer diese missachtet, wird festgenommen und für bis zu 30 Tage in ein «Eindämmungszentrum» gesteckt. Menschenrechtler berichten, es komme zu willkürlichen Festnahmen.

El Salvadors Verfassungsgericht entschied, dass der Freiheitsentzug ohne gesetzliche Grundlage unzulässig sei. Bukele missachtete jedoch das Urteil. Er warf den Richtern vor, «den Tod des Volkes anzuordnen». Auch in der Frage, ob er eine Verlängerung der Corona-Maßnahmen einfach verfügen kann, hat sich Bukele mit dem obersten Gericht und der Staatsanwaltschaft angelegt.

«Keine Demokratie kann so funktionieren, wie El Salvador jetzt gerade funktioniert», schrieb der salvadorianische Journalist Óscar Martínez in der «New York Times». Die Tweets des jungen Präsidenten seien wie königliche Erlasse, die im Moment ihrer Veröffentlichung zum Gesetz würden. «Bukele übt sein Mandat per Twitter aus, ohne um Erlaubnis zu bitten - wie ein Monarch mit Internet.»

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Thomas Sylten 29.05.20 16:40
Nun - zunächst kann ich wenig Unterschiede in seinem Handeln erkennen, verglichen mit Thailand, und auch D-land: Überall wird zurzeit wg. der Dringlichkeit mit Dekreten regiert, die parlamentarische Überprüfung der Maßnahmen kann erst später erfolgen.

Er hat tatsächlich sehr schnell reagiert - kann man ihm das aus heutiger (!) Sicht vorwerfen ? Und ich erinnere mich, dass er der weltweit erste Regierungschef war, der die sozialen Folgen bedacht und reagiert hat: So war eines seiner ersten "undemokratischen" Dekrete die Erklärung, dass - um die sozialen Auswirkungen fair zu teilen - für die Dauer der Maßnahme sämtliche Miet- und Kreditzahlungen ausgesetzt würden, während bei uns auch Mieter ohne Einkommen weiter (teils gestundet) zahlen und Vermieter kassieren, und darüber unzählige Existenzen bereits kaputt gegangen sind.