Nachrichten aus der Wirtschaft am Samstag

Collage: DER FARANG
Collage: DER FARANG

Moskau wirft Baerbock Dummheit oder bewusste Irreführung vor

MOSKAU: Russland hat die Verantwortung für die hohen Lebensmittelpreise und die Gefahr einer weltweiten Hungerkrise zurückgewiesen und auf entsprechende Vorwürfe von Bundesaußenministerin Annalena Baerbock (Grüne) scharf reagiert. Die Preise stiegen wegen der westlichen Sanktionen, schrieb die russische Außenamtssprecherin Maria Sacharowa am Samstag auf ihrem Telegram-Kanal. «Wenn man das nicht versteht, ist das entweder ein Zeichen von Dummheit oder für die bewusste Irreführung der Öffentlichkeit», wandte sie sich an Baerbock.

Ein weiterer Grund für die globale Nahrungsmittelkrise liege zudem in dem Zerfall der Staatlichkeit der Ukraine - und auch dies habe der Westen zu verantworten. «Daran sind unter anderem die Vorgänger von Frau Baerbock schuld, die sich nicht nur in die Situation im Land eingemischt haben, sondern die Innen- und Außenpolitik der Ukraine per Hand gestaltet haben», behauptete Sacharowa.

Zuvor hatte die deutsche Außenministerin beim G7-Treffen an der Ostsee ihre Besorgnis über eine bevorstehende Hungerkatastrophe in der Welt geäußert. Russland warf sie vor, in dem Krieg Seehäfen der Ukraine zu blockieren und damit den Getreideexport zu verhindern. Das Land ist einer der wichtigsten Getreideproduzenten weltweit.


Zypern schließt offenbar einzelne Russland-Sanktionen aus

NIKOSIA: Die zyprische Regierung will weitere EU-Sanktionen gegen Russland mittragen, aber keine Maßnahmen umsetzen, die «Sanktionen gegen einen EU-Mitgliedsstaat» darstellen. Das sagte der Präsident der Republik Zypern, Nikos Anastasiades, am Samstag auf der Mittelmeerinsel. Konkrete Maßnahmen, um die es gehen könnte, nannte er nicht. Zypern hatte sich allerdings zuvor genauso wie auch Malta und Griechenland gegen ein Transportverbot von russischem Öl in Drittländer ausgesprochen. Die drei Staaten fürchten, dass ihre Reedereien dadurch benachteiligt sein könnten.

Zypern habe zum sechsten Sanktionspakets der EU gegen Russland «bereits einige Bedenken geäußert», sagte Anastasiades. «Was wir gesagt haben, ist, dass die Sanktionen zielgerichtet sein müssen.» Richteten sich die Sanktionen eher gegen einen EU-Mitgliedsstaat als gegen den Aggressor, werde man entsprechend handeln. Auf die Frage, ob Zypern dann ein Veto gegen die Sanktionen einlegen würde, antwortet Anastasiades ausweichend. «So etwas gibt es nicht. Aber es ist möglich, dass wir einige der vorgeschlagenen Maßnahmen (...) nicht umsetzen werden.»

Die zyprische Wirtschaft leidet bereits erheblich unter den Sanktionen gegen Russland, unter anderem wegen des Flugverbots für russische Flieger. Rund ein Viertel der Touristen des Landes kommen aus Russland - wenn sie dieses Jahr wegbleiben, könnte das bis zu zwei Prozent des zyprischen Bruttoinlandsprodukts kosten, hatte Anfang April der zyprische Finanzminister Konstantinos Petridis gesagt.


EU-Kommission: Staatlicher Deckel könnte gegen hohe Gaspreise helfen

BRÜSSEL: Für den Fall eines weitgehenden russischen Gas-Lieferstopps schlägt die EU-Kommission staatliche Preisdeckel gegen hohe Energiepreise vor. «Eine Möglichkeit wäre, die Preisbildung während dieses Störungsszenarios durch eine Preisobergrenze an den europäischen Gasbörsen zu begrenzen», heißt es in einem Papier, das die Kommission voraussichtlich nächste Woche vorstellen will und der Deutschen Presse-Agentur vorliegt. Darin wird auch betont, dass eine solche - zeitlich begrenzte - Maßnahme unter Umständen «erhebliche» Summen erfordere. Zuvor hatte die «Welt am Sonntag» über das Papier berichtet.

Zudem heißt es, dass eine solche Maßnahme Herausforderungen mit sich bringe. «Es müsste sichergestellt werden, dass die Einführung einer solchen Preisobergrenze den Zugang der EU zu Gas- und LNG-Lieferungen nicht verschlechtert.» Bereits im März war auf einem EU-Gipfel lange und hart um das Thema gerungen worden. Am Ende gab es lediglich Ausnahmen für Spanien und Portugal. Länder wie Deutschland und die Niederlande lehnten damals einen solchen Markteingriff ab.

Aus dem Bundeswirtschaftsministerium hieß es am Samstag, man kommentiere unveröffentlichte Papiere der Europäischen Kommission grundsätzlich nicht. Klar sei aber, «dass die Frage der Energiepreisentwicklung sowohl für die Wirtschaft wie auch für die Endverbraucher auch auf europäischer Ebene genau analysiert und beobachtet werden muss». Die Bundesregierung habe mit zwei Entlastungspaketen bereits Maßnahmen ergriffen.

Der Europaabgeordnete Michael Bloss kritisierte die Idee. «Den Gaspreis zu deckeln ist keine Lösung, damit werfen wir Putin und anderen Gaslieferanten Milliarden von Steuergeldern in den Rachen», sagte der Grünen-Politiker der dpa. Statt die «übertrieben hohen» Gaspreise zu bezahlen, brauche es ein Käuferkartell. Der Gaspreis falle, wenn etwa die die Gruppe der führenden demokratischen Industrienationen (G7) nur noch für einen geringen Preis Gas einkaufe.


Indien verbietet Weizenexporte - Lebensmittelsicherheit gefährdet

NEU DELHI: Der weltweit zweitgrößte Weizenproduzent Indien hat den Export des Getreides mit sofortiger Wirkung verboten. Die Entscheidung sei angesichts des plötzlichen Anstiegs der weltweiten Weizenpreise getroffen worden, wodurch die Lebensmittelsicherheit Indiens gefährdet sei, teilte die Exportbehörde des Landes am späten Freitagabend mit.

Erst kürzlich hatten Indiens Premierminister Narendra Modi und andere Vertreter der indischen Regierung verkündet, angesichts eines drohenden Weizenmangels auf dem Weltmarkts im Zuge des Ukraine-Kriegs zu helfen und deutlich mehr Weizen zu exportieren. Die Ukraine und Russland sind beides große Weizenexporteure. Zuletzt gab es wegen des Krieges Lieferengpässe und Preisanstiege. Indische Weizenexporteure hatten seit Kriegsbeginn Exportabkommen mit Ländern wie Ägypten und der Türkei geschlossen, sagte der Chef der Agricultural and Processed Food Products Export Development Authority Tarun Bajaj.

Dann kam aber die aktuelle Extremhitze in Indien dazwischen. Diese verringere die Weizenernte um knapp sechs Prozent, hieß es aus dem Department of Food & Public Distribution. Auch warnten mehrere Ökonomen vor einer möglichen Weizenkrise im Inland.

Indien produziert am zweitmeisten Weizen nach China - rund 100 Millionen Tonnen pro Jahr. Bislang hat Indien kaum etwas davon exportiert. Das zweitbevölkerungsreichste Land mit mehr als 1,3 Milliarden Menschen benötigt selbst viel Weizen. Die Regierung kauft jeweils große Mengen ein, um unter anderem die arme Bevölkerung im Land zu versorgen. Bislang hatten Bauern kaum Anreize, an Exporteure zu verkaufen, da ihnen die Regierung einen subventionierten Preis zahlte, der damals höher als der Weltmarktpreis war.


Deutschland stellt sich gegen grünes EU-Label für Atomkraft

BRÜSSEL/BERLIN: Deutschland wird sich wie angekündigt gegen ein von der EU-Kommission vorgeschlagenes Nachhaltigkeitslabel für Atomkraft aussprechen. Die Bundesregierung habe der französischen Ratspräsidentschaft erklärt, ein Veto gegen den entsprechenden ergänzenden Rechtsakt einzulegen, teilte das Finanzministerium auf Anfrage der Deutschen Presse-Agentur in der Nacht zu Samstag mit. Wenn die EU-Staaten oder das Europaparlament Einwand erheben würden, könne verhindert werden, dass der Rechtsakt in Kraft tritt, so das Finanzministerium. Frankreich hat in Brüssel derzeit turnusgemäß den Vorsitz unter den EU-Staaten inne.

Bei der sogenannten Taxonomie geht es um ein Klassifizierungssystem für nachhaltige Investitionen. Die Einstufung von bestimmten Geldanlagen als nachhaltig soll Investoren anlocken, um die Energiewende voranzubringen. Bislang sind unter anderem erneuerbare Energien in der Taxonomie als klimafreundlich eingestuft. Die EU-Kommission hatte Ende 2021 trotz breiter Kritik zudem vorgeschlagen, Investitionen in Gas und Atomkraft übergangsweise als nachhaltige Geldanlagen einzustufen.

Aus Regierungskreisen hieß es: «Die Bundesregierung erwartet nicht, dass das deutsche Votum die Taxonomie aufhält.» In der Koalition sei festgelegt worden, dass Deutschland keine Klage gegen den Rechtsakt erhebe. Dies sei teilweise gefordert worden.

Der Europaabgeordnete Rasmus Andresen reagierte erfreut auf die Nachricht aus Berlin. «Das deutsche Nein ist eine Ohrfeige für die EU-Kommission. Der Druck auf Ursula von der Leyen, diesen Irrweg zu beenden, steigt», sagte der Sprecher der Grünen-Delegation. Die Grünen forderten nun auch andere Mitgliedsstaaten dazu auf, Einspruch gegen den Kommissionsvorschlag einzulegen. Im Juli soll das EU-Parlament über seine Position zum Vorschlag abstimmen.

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