Ist die Demokratie langfristig noch zu retten?

Foto: Orlando Bellini/Fotolia.com
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In letzter Zeit kommt oft die Frage, was denn zu tun sei, um aus der Sackgasse wieder herauszukommen, in die sich einige Länder in Europa manövriert haben. Der Blick in den Abgrund scheint heilende Wirkung zu haben.

Die Antwort ist nicht schwierig, aber mindestens zweigeteilt: Zum einen sind da diejenigen, die sich zukünftig in Verzicht üben wollen und autosugges­tiv stark genug sind, den jetzt spürbar werdenden Wohlstandsverlust als Fortschritt zu begreifen. Diesen Menschen kommen keine Zweifel, wenn sie im Dezember ungeduscht in ihrer kalten Bude sitzen, während die Kataris bei der Fußball-WM ihre Stadien von 40 Grad auf 20 Grad runterkühlen, weil es ja nix kostet. Dieser Gruppe kann man fröhlich zurufen: Weiter so, ihr seid auf einem guten Weg!

Etwas komplexer fällt die Antwort für diejenigen aus, die ihren liebgewonnen Wohlstand in bekannter Form erhalten möchten. Die Antwort fällt wie Schuppen von den Augen, sobald lokale Scheuklappen abgenommen werden und sich der Blick unideologisch auf eine sich irgendwann erholende Weltwirtschaft richtet, die nach Covid-19 und notwendigen Korrekturen Wohlstandsgewinn für sehr viele Menschen auf dem Planeten bringen wird. Für Deutschland und Europa hängt die Zukunft vor allem von zwei Faktoren ab:

Wird es gelingen, wieder einen anderen Politikertypus in Amt und Würden zu bringen? Derzeit wird schmerzhaft offensichtlich, dass es den meisten, allen voran dem deutschen Kanzler, an einem Plan fehlt. Dabei braucht man das Rad nicht neu zu erfinden. Die älteren Leser erinnern sich bestimmt noch an Bundesminister Karl Schiller. Ein begnadeter Rhetoriker, der das Parlament regelmäßig in ein volkswirtschaftliches Kolloquium verwandelte. Ein Typ Politiker, der dem hohen Amt gerecht wurde und für seine Aufgabe auch qualifiziert war. Hier beginnt das Problem der gegenwärtigen Parteisoldaten. Qualifikation gehört aktuell nicht zum Anforderungsprofil eines Politikers, oft stört sie eher.

Finanzminister Lindner von der FDP mag ein begnadeter Netzwerker sein, allerdings mit volkswirtschaftlichen Kenntnissen glänzt er nicht – zumindest bis jetzt. Auf der anderen Seite des politischen Spektrums sieht es nicht besser aus. Studienabbrecherin Riccarda Lang, Co-Parteivorsitzende der Grünen, jagt dem informierten Betrachter Schauer über den Rücken, sobald sie sich wirtschaftspolitisch äußert. Die Beispiele lassen sich beliebig fortsetzen.

Neue Politiker braucht das Land

Bei den Bürgern muss nun dringend die Überzeugung reifen, einen anderen Typus Politiker zu brauchen. Eine kritische Masse an Wählern wird hoffentlich mit dem jetzt einsetzenden Wohlstandsverlust erkennen, dass der prophylaktische Aufruf der Innenministerin, Nancy Faeser, seine Meinung nicht mehr im öffentlichen Raum zu demons­trieren, der sichere Weg in den Abgrund ist. Das genaue Gegenteil ist notwendig: Wir müssen uns von Politikerinnen wie Faeser möglichst rasch trennen, um den Weg freizumachen. Dies kann und muss im bestehenden System erreicht werden. Öffentliche Demonstrationen sind auf diesem Weg unverzichtbar.

Dringende Reform des ÖRR

Der zweite wesentliche Baus­tein für tiefgreifende Veränderungen ist eine rasche Reform des Öffentlich-Rechtlichen Rundfunks (ÖRR). Die offensichtlichen Missstände und Verfehlungen von Spitzenpersonal sind eine Sache, wesentlich schwerer wiegt aber die verheerende Einseitigkeit der Berichterstattung, welche die Korrekturfähigkeit des politischen Systems lähmt. Die Beharrungskräfte des Systems sind in Deutschland sicherlich stärker als anderswo. Es bleibt allerdings zu hoffen, dass die gegenwärtigen Krisen die Einsicht fördern, dass Großbritannien und Frankreich ihre diesbezügliche Politik nicht aus Jux und Tollerei anpassen. Zu Ende gedacht geht es bei beiden oben genannten Punkten um nichts Geringeres als die Zukunft der Demokratie.

Planlos in die Zukunft

Zum Schluss: Wie groß der Handlungsbedarf bei der politischen Kaste in Deutschland ist, zeigt auch die völlig unnötige Ankündigung der deutschen Außenministerin, nach Russ­land auch die Abhängigkeit von China beenden zu wollen. Verrückt, aber wenn es tatsächlich eine Mehrheit für diesen Wahnsinn geben sollte, bräuchte man auch dafür erst einmal einen Plan, den man dann mit China besprechen müsste. Daran fehlt es aber derzeit in Deutschland und Europa.


Über den Autor

Christian Rasp ist Rechtsanwalt und seit 1992 in Thailand, Hong Kong und China tätig. Er leitet ein spezialisiertes Consulting Haus und ist seit 2016 als Chairman einer der ältesten digitalen Marketingagenturen in Südostasien tätig. Feedback zum Gastbeitrag per E-Mail erwünscht!

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